Das ist doch gar keine Frage. Daß ich von Ihnen, lieber Kollege Lanfermann, im strafrechtlichen Umgang mit vergewaltigten Frauen ganz besonders auf Belehrungen angewiesen bin, möchte ich Ihnen noch einmal unterstreichend sagen.
Das Problem an der Geschichte ist doch - reden Sie nicht drumherum -: Ihnen paßt die gesamte Geschichte nicht. - Kollege Lanfermann, Sie dürfen übrigens gerne stehen bleiben, einfach wegen der „political correctness".
- Das Problem, daß Sie manchmal nicht zuhören, habe ich bisweilen bei Ihnen vermutet, gerade bei diesen Fragen.
Ich hatte sowieso den Eindruck - das meine ich ganz ernst -, daß auch bestimmten Mitgliedern der F.D.P.-Fraktion bestimmte Fragenkreise und Ihnen besonders der vergewaltigter Frauen einfach fremd sind.
Es geht viel weniger darum, ob Sie einen technischen Widerspruch nach eingeleitetem Ermittlungsverfahren von der Frau verlangen oder eine Zustimmung zur Strafverfolgung, sondern es geht darum, daß im gesamten Sachverhalt die Abhängigkeit der vergewaltigten Frau, des Opfers, von einem Ehemann, der sie vorher vergewaltigt hat, in einer Lebenssituation, die so geschildert ist, sich nicht auf das Verfahren auswirken sollte.
Ich hoffe, ich habe mich jetzt so konkret ausgedrückt, daß wir eine weitere Verständigungsmöglichkeit haben, Herr Kollege Lanfermann.
Meine Damen und Herren, noch weitere Dinge: In den letzten sechs Wochen haben wir Fortschritte in weiteren Fragen leider nicht erzielt. Frau Bundesjustizministerin, Sie haben vom Kindschaftsrecht gesprochen. Ich sage Ihnen: Wir warten. Das Kindschaftsrecht muß vorgelegt werden. Unsere Bitte ist, daß Sie wirklich nicht mehr lange warten. Angekündigt worden ist es schon ziemlich häufig.
Das zweite ist eine Bitte an die Regierungskoalition, an die Mehrheit im Bundestag. Ich halte es nachgerade für einen Skandal, daß eine vernünftige, klare, sofort praktizierbare Entschädigungsregelung für die Deserteure des Zweiten Weltkriegs noch immer nicht auf dem Tisch liegt.
Es ist eine bedauerliche und, wie ich finde, schandbare Situation. Ich glaube, die Bundesregierung hätte hier schon längst hilfreicher sein können, als sie es bisher gewesen ist. Das geht nicht an.
Ich darf noch einmal an Sie appellieren - ich habe es hier wirklich schon x-mal gesagt -: Die wenigen Menschen - es sind nicht mehr als 400 - werden immer älter. Jeder Monat des Zuwartens ist ein Monat des Unrechts mehr.
Diese alten Menschen sterben.
Es müßte Ihnen eigentlich zu denken geben, daß jetzt schon wieder ganz falsche Zungenschläge in die Begründung dessen, daß man das Ganze eigentlich doch nicht wolle, hineinkommen. Besonders mißfällt mir, daß es plötzlich irgendwelche Universitätsprofessoren von Bundeswehrhochschulen gibt, die so tun, als könne sich die Bundeswehr auf Traditionen der Wehrmacht berufen. Genau das tut sie nicht, genausowenig wie sich unsere rechtsstaatliche Justiz auf Traditionen der Kriegsgerichtsbarkeit beruft. Es hat auch mit dem Wehrwillen oder der Wehrdienstbereitschaft junger Menschen nichts zu tun, wie die Kriegsgerichte in Hitler-Deutschland und im Krieg mit den Deserteuren umgegangen sind.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir haben als Konsequenz dieser unmenschlichen Behandlung und der Tatsache, daß es sich um einen verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gehandelt hat und daß sich die Menschen, die als Soldaten dort verheizt wurden und mitmachen mußten, nicht dagegen wehren konnten, in unserem Grundgesetz mit dieser Haltung gebrochen, ein rechtsstaatliches System errichtet und die Bundeswehr, über die wir uns gerade unterhalten haben, extra auf demokratischen, auf rechtsstaatlichen Grundlagen aufgebaut. Ihr wäre ein Verhalten wie damals zu Zeiten Hitler-
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Deutschlands überhaupt nicht gestattet. Wir sind stolz darauf, daß das nicht geht.
Auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Grundrecht. Ich finde es sehr bedauerlich, wenn man gerade in dieser Frage die Argumente durcheinanderwirft; das tut niemandem gut.
Im übrigen halte ich es für außerordentlich bedauerlich, daß die Wehrbeauftragte, die von diesem Haus gewählt wurde, die Zivildienstleistenden leichtfertig in einer Weise tituliert - übrigens auch pauschal -, als seien das Leute, die sich drücken.
Wir alle haben außerordentlich viele Möglichkeiten, uns mit jungen Bundeswehrsoldaten und mit Zivildienstleistenden zu unterhalten. Dabei können wir feststellen, daß es unter den Zivildienstleistenden Leute gibt, die unglaublich viel Verantwortung tragen und die ganz ungewöhnlich viel tun.
Das sage ich nicht nur deshalb, weil ich meinen Sohn ein ganzes Jahr lang als Rettungssanitäter beim Deutschen Roten Kreuz beobachten konnte. Dabei handelt es sich um eine Tätigkeit, ohne die ganze Sozialdienste bei uns zusammenbrächen und die einen Tag-und-Nacht-Einsatz sowie Verantwortungsbewußtsein für junge Leute mit sich bringt.
Soviel zu pauschalen Urteilen - auch von Leuten, die unser Bundestag wählt.
Lassen Sie mich noch ein letztes Memento anbringen. Wir alle wissen: Die innere Sicherheit und die Kriminalitätsbekämpfung in unserem Land - auch das habe ich in diesem Haus schon x-mal angemahnt - müssen besser werden. Es ist zwar keineswegs so, daß die Zahlen ins Unermeßliche steigen; aber die Probleme in den Brennpunkten, der jungen Leute und in besonders schwierigen Gebieten, kennen wir alle.
Meine Bitte ist - auch dieses hat sich leider Gottes seit der letzten Justizdebatte nicht verändert -, doch endlich den verhängnisvollen Kreislauf zu stoppen, den wir in England oder auch in den Vereinigten Staaten jeden Monat deutlicher sehen können. Dieser Kreislauf beruht auf einer falschen Gesellschaftspolitik, die in der Spaltung der Gesellschaft immer weitere Fortschritte macht und die Keile hineintreibt, immer Reichere, aber auch immer Ärmere, Randgruppen und Armut produziert, was dazu führt, daß Gewalt, Drogen und Waffen in immer stärkerem Maße aufkommen. Er beruht zudem auf einer Regierung, die auf Grund einer Mischung von liberalistischen - nicht liberalen - Werten und konservativer Hilflosigkeit meint, nur noch dadurch helfen zu können, daß sie immer härtere Strafen formuliert und nach immer stärkeren Gesetzen ruft. Diese können die eigentlichen Ursachen der Kriminalität aber gar nicht mehr erfassen. Deswegen können sie höchstens dazu beitragen, diesen schrecklichen Kreis zu schließen und immer schneller zu drehen.
Unsere Bitte ist: Sie müssen mit uns endlich dafür sorgen, daß in unserem Land nicht immer mehr Randgruppen geschaffen werden, daß nicht immer mehr Kinder - heute ist es schon jedes siebte Kind - von Sozialhilfe leben müssen, daß die Zahl der Obdachlosen sinkt, die Zahl der Ausbildungsplätze steigt und daß die Zahl der Arbeitslosen nicht steigt. Denn Sie alle wissen: Dadurch wird der Nährboden für Randgruppenexistenzen, für Ausgrenzung und damit für Kriminalität nur noch angereichert. Diese Kriminalität können Sie mit Gesetzen nicht mehr bekämpfen.
Wir bitten Sie deshalb nochmals, Frau Bundesjustizministerin, sich auch in die Debatten der anderen Herren Minister stärker einzuschalten, ob das nun im Bereich Arbeit und Soziales, im Bereich des Innern oder in anderen Zuständigkeitsbereichen ist.
Wir werden Ihren Haushalt jedes Mal zum Anlaß nehmen müssen, diese Widersprüche nicht nur anzumahnen, sondern Sie aufzufordern, mit uns beides zu tun, nämlich die Kriminalität und ihre Ursachen zu bekämpfen. Die Kriminalität zu bekämpfen muß bei uns heißen: Ursachen bekämpfen und die Prioritäten richtig setzen. Das unterbleibt leider Gottes in einem außerordentlich bedauerlichen Maße.
Frau Justizministerin, ich meine, wir werden uns auch weiterhin auseinandersetzen müssen. Ich rechne aber schon sowohl ein bißchen mit Ihrer Unterstützung als auch mit der Unterstützung vieler Kollegen dieses Hauses.
Danke schön.