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    Plenarprotokoll 13/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/ 2593) 5863 A Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft (Drucksachen 13/2609, 13/2626) . . 5863 B Manfred Hampel SPD 5863 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 5866 C, 5867 A, 5869 A Siegmar Mosdorf SPD 5867 B, 5883 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . 5867 D, 5881 D Manfred Hampel SPD 5868 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 5871 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5872 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . 5874 D, 5879 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 5876 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5877 A Ernst Schwanhold SPD 5877 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 5878 A Dr. Christa Luft PDS 5878 C Peter Dreßen SPD 5879A Rolf Kutzmutz PDS 5880 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 5882 A Peter Dreßen SPD 5883 B Ernst Schwanhold SPD 5884 C Friedhelm Ost CDU/CSU 5886 B Anke Fuchs (Köln) SPD 5888 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . 5888 D Ilse Janz SPD 5888 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 5889 C Ernst Hinsken CDU/CSU 5890 A Manfred Hampel SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5891 A Manfred Kolbe CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5891 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 5892 B Namentliche Abstimmung 5892 D Ergebnis 5918 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/2611, 13/2626) 5893 A Dr. Konstanze Wegner SPD 5893 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 5896 A Uta Titze-Stecher SPD 5896 D, 5897 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5899 B Ina Albowitz F.D.P. . . . . 5901 D, 5905 C, 5906 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5904 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5904 D Peter Dreßen SPD 5905 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5906 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5906 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5908 B Ottmar Schreiner SPD 5910 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 5911 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 5913 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 5914 B Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 5915 C Dr. Barbara Höll PDS 5916 B Gerd Andres SPD 5917 C Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/2616, 13/2626) 5920 D Eckart Kuhlwein SPD . . . . . . . . 5921 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 5923 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5924 D, 5931 B Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5927 C Birgit Homburger F D P. 5929 C Marion Caspers-Merk SPD . . . 5930 D, 5933 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5932 A Eva Bulling-Schröter PDS 5933 D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 5935 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . 5936 A Eckart Kuhlwein SPD 5936 C Wolfgang Behrendt SPD 5937 A Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . 5939 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 5939 D Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 5941 D Otto Schily SPD 5942 D Wolfgang Behrendt SPD 5943 D, 5946 A Arnulf Kriedner CDU/CSU . . . . . 5944 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU 5945 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 5946C Marion Caspers-Merk SPD 5946 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/2607, 13/2626) 5947 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/2618 [neu], 13/2626) 5947 C Gunter Weißgerber SPD 5947 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . 5949 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5951 D Manfred Kolbe CDU/CSU 5953 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 5953 D Horst Eylmann CDU/CSU 5954 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 5955 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 5957 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 5958 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5960 A, 5974 A, C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5960 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . 5961 A, 5970 D Otto Schily SPD . . . . 5961 C, 5973 A, B Hermann Bachmaier SPD 5962 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . 5962 D, 5969 B Frederick Schulze CDU/CSU 5965 A, D Heinz Lanfermann F.D.P. . . . 5966 D, 5967 A Horst Eylmann CDU/CSU 5968 D Norbert Geis CDU/CSU 5969D Dr. Gregor Gysi PDS 5971 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 5972 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 5972 D Jürgen Koppelin F.D.P. 5973 D Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/2621, 13/2626) 5975 C Dr. Rolf Niese SPD 5975 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5976D, 5991 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU .. . 5977 A Volkmar Schultz (Köln) SPD 5977 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 5980 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5983 C, 5985 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . 5985 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . 5986 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 5987 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5988 D, 5993 A Hans Georg Wagner SPD 5989 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5990 B Otto Reschke SPD 5992 B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/2613, 13/2626) 5993 D Gerhard Rübenkönig SPD 5994 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 5995 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5996 B Dr. Max Stadler F D P. 5997 C Gerhard Jüttemann PDS 5998 D Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 5999 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6000 C, 6002 C Hans Martin Bury SPD 6002 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 6004 C Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/2612, 13/2626) 6006 C Hans Georg Wagner SPD 6006 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 6010 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6013 D Horst Friedrich F.D.P. 6016 A Dr. Winfried Wolf PDS 6018 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 6020 A Annette Faße SPD 6022 B Dr. Hermann Kues CDU/CSU 6024 C Nächste Sitzung 6027 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6029 *A 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) (A) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 09. 11.95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 09. 11.95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 11.95 * Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 09. 11.95 Marten, Günter CDU/CSU 09. 11.95 * Meißner, Herbert SPD 09. 11.95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 09. 11.95 Nickels, Christa BÜNDNIS 09. 11.95 90/DIE GRÜNEN (B) Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Odendahl, Doris SPD 09. 11.95 Poß, Joachim SPD 09. 11.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 09. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Schwanitz, Rolf SPD 09. 11.95 Steindor, Marina BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 09. 11.95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 09. 11.95 Vosen, Josef SPD 09. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eine neue strategische Grundidee ist offenbar - wie manches andere - in Kreisen der Grünen schriftlich mitgeteilt worden. Aber wir machen uns schon unsere eigenen Gedanken und sind in der glücklichen Lage, dabei auf eine etwas längere Tradition - zwar mit einigen Fehlentwicklungen, aber mit mehr Verdiensten für den Rechtsstaat, als Sie sich je erwerben können - zurückblicken zu können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Für uns kommt es in erster Linie darauf an, daß wir - wissend, daß wir in einer langen Tradition der Rechtsentwicklung stehen - versuchen, mit der Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, für eine behutsame Weiterentwicklung des Rechts zu sorgen und Brüche, die wirklich diesen Namen verdienen, zu verhindern.
    Auch wenn der hier mehrfach erwähnte Herr von Plottnitz seinen Verpflichtungen nicht nachkommt - die Mittel dafür könnte er durch Personaleinsparungen im Bereich des grünen Personalkarussells in Hessen gewinnen -, so läßt er es sich andererseits nicht nehmen, Rundschreiben an die Richter und Staatsanwälte zu schicken und anzuregen, daß sie doch möglichst oft von der Möglichkeit Gebrauch machen, erst gar nicht zur Anklage bzw. zur Verurteilung zu kommen. Das ist für einen Justizminister ein reichlich ungewöhnliches Verhalten, und zwar unter mehreren Gesichtspunkten.

    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sinnvoller als Hauptverhandlungshaft für Ladendiebe!)

    Hierzu kann er sich dann auch mal in seinem Kollegenkreis Rat holen.
    Ich glaube nicht, daß wir uns heute im einzelnen mit den soeben - auf diese Weise, Herr Beck, kommen Sie sicher am besten zurecht - hingeworfenen beleidigenden Angriffen zu dieser und jener Rechtsfrage beschäftigen sollten. Wir werden das in den Einzeldebatten zu den Vorschlägen, die hier gemacht worden sind, die eingebracht worden sind, in aller Ruhe tun. Wir sind ganz sicher, daß wir Ihnen sehr wichtige Hinweise dazu geben können, was wirklich in rechtsstaatliche Ordnungen gehört und was dem Rechtsstaat als Ganzem - wohlverstanden: ganzheitlich betrachtet - dient. Darum werden wir uns wie das Bundesministerium der Justiz auch weiterhin bemühen.
    Ich bin dankbar, daß Herr Kolbe bei der allgemeinen sächsischen Begeisterung nicht auch gleich noch den „Sachsenspiegel" vereinnahmt hat. Denn damals hieß das Gebiet des Landes Sachsen noch nicht so. Es handelt sich um eine Entwicklung des Herrn Eike von Rebgow, die sich auf niedersächsischem Kernboden zugetragen hat. Das muß bei der Gelegenheit gesagt werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Aber Sie haben es ja auch nicht versucht, obwohl der Name - das räume ich ein - dazu hätte verleiten können.

    Detlef Kleinert (Hannover)

    Der Einzelplan 07 ist mit 0,14 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens, wie wir hier gelernt haben, nun wahrlich eine sehr bescheidene Position. Wie alle Jahre wieder wollen wir dennoch den im Ministerium tätigen Beamten, der Frau Bundesjustizministerin und natürlich auch ihrem Staatssekretär - wenn er nun da ist -

    (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/ CSU)

    sehr herzlich für diese besondere Sparsamkeit danken.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Aber unser Dank gilt weniger diesem finanziell nun wirklich nicht überzubewertenden Vorgang, sondern der Arbeit, die dort im Sinne dessen geleistet wird, was ich eben schon auszuführen mich bemüht hatte: einer behutsamen Weiterentwicklung des Rechts.
    Nichts in der Rechtspolitik ist hier Stunde Null. Verbrechensbekämpfungsvorschriften, einzelne Bestimmungen, um besonderen Situationen begegnen zu können, sind doch nicht erst in dieser Koalition zwischen CDU/CSU und F.D.P. eingebracht worden. Auch in der sozialliberalen Koalition mußten einige Maßnahmen getroffen werden, die uns gar nicht gut gefallen haben. Ich erinnere nur an die lange und schwierige Auseinandersetzung um die Kontaktsperre, bei der sich alle Beteiligten viel Mühe gegeben haben und mit der man eigentlich nie zufrieden sein konnte. Ich weiß noch, Herr Schily, daß wir uns darüber zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Fasanenstraße vor einem größeren und ziemlich aufgeregten kollegialen Publikum unterhalten haben. Es hat allen keine Freude gemacht; es mußte sein. Und der Rechtsstaat ist nicht zerbrochen, weil man sich bei den Umständen des Vorgehens sehr wohl bewußt war, wofür wir alle gemeinsam hier stehen.
    Wenn wir bei Gemeinsamkeiten sind, dann möchte ich - ganz im Sinne dessen, was Herr Eylmann hier schon in der Zwischenfrage anklingen ließ - nur eines anfügen: Es ist mit dem Strafrecht als Ultima ratio wirklich so eine Sache, gerade wenn es um die Art geht, in der wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Beleidigung und Verleumdung als Straftat sind eine Ultima ratio. Es wäre viel besser, alle würden sich so benehmen, wie man sich eben benimmt.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Im krassen Gegensatz zur ständigen Verniedlichung, Verweichlichung und Euphemisierung aller möglichen Berufsbezeichnungen - ich will das hier gar nicht ausführen; das Beispiel „Raumpflegerinnen" ist ja nur eines von vielen bekannten - haben wir es in der politischen Diskussion mit ständiger Verschärfung in der Auseinandersetzung zu tun, ohne daß sichtbar wäre, daß dadurch irgendein Gedanke klarer zum Ausdruck käme. Sonst hätte man ja sofort Verständnis für die Grobheiten, die nun neuerdings auch noch als ein besonders hehres Verfassungsrecht dargestellt werden sollen.
    Die Einzelheiten des in Rede stehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts sind sehr sorgfältig zu berücksichtigen und abzuwägen. Aber die grundsätzliche Bemerkung muß doch gestattet sein: Es würde uns allen besser tun, wenn wir in der Sache sauber, deutlich und klar miteinander sprächen. Warum das in rüpelhafter Weise geschehen muß und warum dieser Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt werden muß, das ist eine ganz andere Frage. Sie wird uns nicht zum letzten Mal beschäftigt haben, wie ich fürchte.
    Nachbessern müssen wir an den Dingen, die inzwischen geschehen sind. Es gibt einige Fragen zum Verbrechensbekämpfungsgesetz. Aber noch gibt die Bundesregierung Ihnen keine Auskunft, Herr Beck, weil seriöserweise eine gewisse Zeit abgewartet werden muß, bis Erfahrungen vorliegen. Doch wenn man Erfahrungen hat, muß auch nachgebessert werden.
    Das gilt auch für das Geldwäschegesetz. Das gilt für die neuerdings so gravierend aufgetretenen Korruptionsdelikte. Da werden wir uns im eingangs dargestellten Sinne sorgfältig bemühen weiterzukommen: ganz pfleglich und behutsam. Was sein muß, muß sein, aber mehr auch wirklich nicht!

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Das gilt auch für die anderen hier angesprochenen Dinge.
    Um so dankenswerter ist es, wenn nun wieder einmal ein recht umfangreiches Gesetzgebungsvorhaben vom Bundesjustizministerium vorgelegt wird, bei dem es sich um die umfassende Aufarbeitung seit langem angewachsener Probleme im Kindschaftsrecht handelt. Ich finde den Entwurf, der jetzt in das Bundeskabinett eingebracht werden soll und den wir in absehbarer Zeit zu beraten haben werden, nicht nur wichtig und im wesentlichen gut, sondern ich finde ihn auch deshalb bemerkenswert, weil er zeigt, daß man nach einer längeren Zeit unter geänderten gesellschaftlichen Bedingungen den Mut zur Reform hat. Daß uneheliche Kinder unter gesellschaftlich mißbilligten Verhaltensweisen ihrer Eltern - früher wohl mehr als heute - schon von der Bezeichnung angefangen ihr ganzes Leben leiden sollen, ist beim besten Willen nicht mehr einzusehen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Daß sich dieser Umstand in ihre Rechtsverhältnisse hinein fortsetzt - beim Erbrecht, beim Sorgerecht usw. - und daß wir die Verantwortung der mündigen Bürger gerade an dieser wichtigen Stelle nicht ansprechen, ist genausowenig einzusehen. Ich möchte ausdrücklich dafür danken, daß das jetzt umfassend angegangen wird.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    Danken möchte ich eigentlich auch für die Einladung, die eine Reihe der hier Anwesenden für heute abend bekommen haben. Die Gastfreundschaft des Landes Sachsen-Anhalt und seiner Justizministerin ist uns wertvoll. Es hätten allerdings diejenigen, die

    Detlef Kleinert (Hannover)

    sich heute abend dort zu versammeln gedenken, auch schon Gelegenheit gehabt, hier Platz zu nehmen und die Diskussion bereits einleitend mit uns gemeinsam zu führen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb weiß ich nicht recht, ob die Einladung heute abend so erfolgversprechend sein wird.
    Warum soll ich mich nicht einmal Herrn Beck anschließen und sagen: Wir haben nun mehrfach und deutlich an dieser Stelle erklärt, daß man sich das Kienbaum-Gutachten nicht nur unter das Kopfkissen legen soll, sondern möglichst auch vor die Nase nehmen und anschließend in den Ländern nach dem Rechten schauen soll. Die Haupttätigkeit der Länderjustizminister sollte sich nicht in Bonn abspielen, in Form umfangreicher Darlegungen darüber, was wir alles im Gesetzentwurf noch zu regeln hätten, sondern in den Ländern mit tatkräftigen Werken zur Verbesserung der Gerichtsorganisation.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Deshalb hält sich unsere Dankbarkeit an Frau Ministerin Schubert heute abend in gewissen Grenzen. Wir werden uns an diesem und einigen anderen Orten ganz geradlinig weiter so verhalten, wie wir das bisher in diesen und anderen Bereichen getan haben. Wir werden uns nicht überreden lassen, verzweifelt Mittel im Gesetzgebungsverfahren zu ergreifen, nur damit Versäumnisse in den Landesjustizverwaltungen zugedeckt werden können.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile dem Abgeordneten Professor Jens Heuer das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung vorweg: Die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit der Richter, ist für mich ein wesentlicher Vorzug des Staates Bundesrepublik gegenüber dem Staat DDR.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist blanker Revisionismus, das ist blanker „Sozialdemokratismus"!)

    Die Instrumentalisierung des Rechts und der Justiz für politische Zwecke war zweifellos der Hauptmangel der Rechtsordnung der DDR. Ich muß aber mit Sorge feststellen, daß in den fünf Jahren, die ich im Bundestag verbracht habe, zunehmend Versuche gemacht worden sind, auch hier die Justiz zu instrumentalisieren und die erreichten rechtsstaatlichen Standards auf manchen Feldern der Rechtspflege abzubauen.
    Ich trete gegen die in den letzten Monaten von konservativer Seite geübte und jetzt wieder anschwellende heftige Schelte des Bundesverfassungsgerichts nicht in erster Linie deshalb ein, weil mir die gescholtenen Urteile gefallen, sondern weil ich um die Gewaltenteilung fürchte, deren Einebnung immer vorrangig der Exekutive nutzt.
    Ich stimme dem, was Herr Weißgerber und vor allem Herr Beck gesagt haben, zu. Ich möchte auch Herrn Kleinert darauf hinweisen, daß allein die These, daß man lange Traditionen auf diesem Gebiet hat, jemanden nicht berechtigt, heute von diesen Traditionen abzuweichen.

    (Beifall bei der PDS)

    Tucholskys Formulierung „Soldaten sind Mörder" war nicht grob oder rüpelhaft. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Vielmehr entstammte sie einer tiefen Besorgnis vor dem deutschen Militarismus.
    Ich will die Problematik des schwierigen Wechselverhältnisses von Politik und Justiz im bürgerlichen Rechtsstaat an einem aktuellen politisch-juristischen Problem erläutern. Zu den Versuchen, die Gerichte zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren, gehört auch die politische Strafverfolgung von Ostdeutschen.
    Die heutige Haushaltsdebatte findet nur wenige Tage vor dem ersten Verhandlungstag der 27. Strafkammer des Landgerichts Berlin gegen Egon Krenz und andere Mitglieder des Politbüros der SED „wegen Totschlags und anderem" statt. Diese Verhandlung wird wohl zum Höhepunkt der juristischen Abrechnung der Bundesrepublik mit der untergegangenen DDR und zugleich zum Höhepunkt bei der Verletzung zwingenden Völker- und Verfassungsrechts sowie der rückwirkenden Umdeutung, Verbiegung und Verletzung des DDR-Strafrechts führen.
    Ich nutze den Anlaß der heutigen Debatte, weil über den Einzelfall dieser Hauptverhandlung hinaus diese Verfahren gegen ehemalige Hoheitsträger der DDR bedeutsam sind, weil ihre Fortführung nach meiner Ansicht die Rechtskultur in diesem Lande dauerhaft zu beschädigen droht.
    Es fing alles ganz harmlos an: Der Einigungsvertrag regelte — rechtsstaatlich korrekt —, daß nur die nach dem Recht der DDR am 2. Oktober 1990 bestehenden Strafansprüche mit dem Beitritt der DDR auf die Bundesrepublik übergehen. Das entsprach dem Völkerrecht, den rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 des Grundgesetzes. Wäre es dabei geblieben, wäre eine Verfolgung von DDR-Hoheitsträgern nur in wenigen Ausnahmefällen möglich gewesen.
    Das war aber der politischen Führung der Bundesrepublik offenbar nicht genug. Jedenfalls formulierte der damalige Justizminister Klaus Kinkel am 23. September 1991 auf dem 15. Deutschen Richtertag die Forderung, es müsse der Justiz gelingen, die DDR zu delegitimieren. Kinkel hat dort übrigens auch an die politische Treuepflicht der Richter erinnert. Damit war der Justiz eine Aufgabe gestellt, die sie nur unter Verletzung oder Umgehung geltenden Rechts bzw. von Eingriffen in rechtsstaatliche Errungenschaften in Angriff nehmen konnte. Ich erinnere an die Ruhensregelung zur Verjährung, die wir hier

    Dr. Uwe-Jens Heuer
    beschlossen haben, und an die Verjährungsverlängerung, die in einem unbeschreiblichen Tempo durch den Bundestag gepeitscht wurde.
    Der Einigungsvertrag durfte die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht ändern, und er hat dies auch nicht getan. Daher ist auch nach dem Völkerrecht strikt zu beachten, daß die DDR mit der vertraglichen Einführung des § 315a in das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch nur die Befugnis auf die Bundesrepublik übertragen wurde, diejenigen Handlungen zu bestrafen, die in der DDR tatsächlich verfolgt worden sind oder verfolgt worden wären.
    Obwohl die Volkskammer der DDR am 1. Juli 1990 das Strafrecht umfassend änderte, hat sie natürlich nicht das pflichtgemäße Handeln ihrer Hoheitsträger unter Strafe gestellt. Der Bundesgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Radbruchsche Formel erklärt, die Schußwaffengebrauchsbestimmung des § 27 des Grenzgesetzes der DDR sei kein geltendes Recht gewesen. Uwe Wesel hat dies am 13. Oktober 1995 in der „Zeit" zutreffend als eine „heikle Geschichte" bezeichnet und darauf hingewiesen, daß die überwiegende Meinung der deutschen Staatsrechtler die ist, daß diese Urteile verfassungswidrig sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

    Ich komme nun zum Prozeß gegen Egon Krenz und andere. Die Staatsanwaltschaft II beim Landgericht Berlin hat 1 550 Seiten für eine Anklage gebraucht. Sie hat dabei beispielsweise den Art. 7 der DDR-Verfassung übersehen: „Die Staatsorgane gewährleisten die territoriale Integrität der Deutschen Demokratischen Republik und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenze."
    Allerdings ist die Anklageschrift in einem Punkt bemerkenswert. Meines Wissens werden in ihr zum erstenmal die ökonomischen und politischen Umstände behandelt, die zur Absperrung der Grenze 1961 und zur Aufrechterhaltung dieser Absperrung geführt haben. Die Anklageschrift räumt ein, daß die Grenzschließung angesichts des existenzbedrohenden Auswanderungsstroms Ausdruck eines „Staatsnotstandes" gewesen sei. Sie behauptet dann allerdings, daß bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter „Leben der fluchtwilligen DDR-Bürger" einerseits und „Selbsterhaltungsrecht" der DDR andererseits der Schutz des Lebens eindeutig Vorrang vor dem Selbsterhaltungsinteresse des Staates genossen habe.
    Wenn sich diese Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Rechtsprechung durchsetzen sollte und wenn dies als allgemeiner Rechtssatz und nicht nur wieder rückwirkend für die DDR gelten sollte, dann stellen sich interessante Fragen. Beispielsweise käme auch die Bundesregierung in Schwierigkeiten. Schließlich nimmt sie, wenn sie Bundeswehrsoldaten zu „out of area" -Einsätzen entsendet, deren Tod oder Verwundung und den Tod anderer billigend in Kauf. Wenn nicht einmal das Selbsterhaltungsinteresse eines Staates dies rechtfertigen würde, welches höherrangige Rechtsgut erlaubt dann diese billigende Inkaufnahme des Todes von Bundeswehrsoldaten?
    Ich sage mit allem Nachdruck, daß die politische Führung der DDR nicht genügend für die Beseitigung dieses „Staatsnotstandes" und seiner für viele Menschen schlimmen Konsequenzen getan hat. Einmal entstanden, stand die Mauer nicht mehr zur Disposition, weil die notwendige Reform, die sie hätte überflüssig machen können, ausblieb.
    Diese historisch-politische Delegitimierung der Mauer berührt aber nicht die zweifelhaften Rechtsgrundlagen der heutigen Strafverfolgung. Es handelt sich in diesen Fällen in meinen Augen um politische Justiz. Ihr Dilemma besteht darin, daß politische Ziele mit juristischen Mitteln so durchgesetzt werden sollen, daß diese Ziele verborgen bleiben. Das Verfahren soll als juristisches Verfahren die politische Intention unkenntlich machen und zugleich legitimieren. Das ist im Rechtsstaat ihr Problem.
    Otto Kirchheimer hat in seinem Buch „Politische Justiz" 1965 geschrieben:
    Daran, daß jemand zwischen politischen und anderen Delikten keinen Unterschied sieht, kann man mit Sicherheit erkennen, daß er ein Hitzkopf oder ein Dummkopf ist.
    Die Politik der Bundesregierung hat die Justiz in diese Sackgasse hineingeführt. Sie muß sie auch wieder herausführen, indem sie durch ein Schlußgesetz, durch ein Strafverfolgungsbeendigungsgesetz, wie es die PDS hier vor kurzem eingebracht hat, die politische Strafverfolgung in Ostdeutschland beendet.
    Noch ein allgemeines Wort zur Haltung der Exekutive zur Justiz dieses Landes. Der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Kinkel, hat sich gestern in die von der CSU angeführte Reihe der Kritiker der Justiz mit den Worten „Unsere Soldaten sind kein Freiwild für Verhöhnung" eingereiht. Ich weiß nicht, was ihn dazu treibt, sich auch noch zum Verteidigungsminister, besser: zum Weltpolizeiminister machen zu wollen. Ich denke aber, daß es heute eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Bundesjustizministerin wäre, hier etwas aus liberal-rechtsstaatlicher Sicht geradezurücken.

    (Beifall bei der PDS)