Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eine neue strategische Grundidee ist offenbar - wie manches andere - in Kreisen der Grünen schriftlich mitgeteilt worden. Aber wir machen uns schon unsere eigenen Gedanken und sind in der glücklichen Lage, dabei auf eine etwas längere Tradition - zwar mit einigen Fehlentwicklungen, aber mit mehr Verdiensten für den Rechtsstaat, als Sie sich je erwerben können - zurückblicken zu können.
Für uns kommt es in erster Linie darauf an, daß wir - wissend, daß wir in einer langen Tradition der Rechtsentwicklung stehen - versuchen, mit der Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, für eine behutsame Weiterentwicklung des Rechts zu sorgen und Brüche, die wirklich diesen Namen verdienen, zu verhindern.
Auch wenn der hier mehrfach erwähnte Herr von Plottnitz seinen Verpflichtungen nicht nachkommt - die Mittel dafür könnte er durch Personaleinsparungen im Bereich des grünen Personalkarussells in Hessen gewinnen -, so läßt er es sich andererseits nicht nehmen, Rundschreiben an die Richter und Staatsanwälte zu schicken und anzuregen, daß sie doch möglichst oft von der Möglichkeit Gebrauch machen, erst gar nicht zur Anklage bzw. zur Verurteilung zu kommen. Das ist für einen Justizminister ein reichlich ungewöhnliches Verhalten, und zwar unter mehreren Gesichtspunkten.
Hierzu kann er sich dann auch mal in seinem Kollegenkreis Rat holen.
Ich glaube nicht, daß wir uns heute im einzelnen mit den soeben - auf diese Weise, Herr Beck, kommen Sie sicher am besten zurecht - hingeworfenen beleidigenden Angriffen zu dieser und jener Rechtsfrage beschäftigen sollten. Wir werden das in den Einzeldebatten zu den Vorschlägen, die hier gemacht worden sind, die eingebracht worden sind, in aller Ruhe tun. Wir sind ganz sicher, daß wir Ihnen sehr wichtige Hinweise dazu geben können, was wirklich in rechtsstaatliche Ordnungen gehört und was dem Rechtsstaat als Ganzem - wohlverstanden: ganzheitlich betrachtet - dient. Darum werden wir uns wie das Bundesministerium der Justiz auch weiterhin bemühen.
Ich bin dankbar, daß Herr Kolbe bei der allgemeinen sächsischen Begeisterung nicht auch gleich noch den „Sachsenspiegel" vereinnahmt hat. Denn damals hieß das Gebiet des Landes Sachsen noch nicht so. Es handelt sich um eine Entwicklung des Herrn Eike von Rebgow, die sich auf niedersächsischem Kernboden zugetragen hat. Das muß bei der Gelegenheit gesagt werden.
Aber Sie haben es ja auch nicht versucht, obwohl der Name - das räume ich ein - dazu hätte verleiten können.
Detlef Kleinert
Der Einzelplan 07 ist mit 0,14 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens, wie wir hier gelernt haben, nun wahrlich eine sehr bescheidene Position. Wie alle Jahre wieder wollen wir dennoch den im Ministerium tätigen Beamten, der Frau Bundesjustizministerin und natürlich auch ihrem Staatssekretär - wenn er nun da ist -
sehr herzlich für diese besondere Sparsamkeit danken.
Aber unser Dank gilt weniger diesem finanziell nun wirklich nicht überzubewertenden Vorgang, sondern der Arbeit, die dort im Sinne dessen geleistet wird, was ich eben schon auszuführen mich bemüht hatte: einer behutsamen Weiterentwicklung des Rechts.
Nichts in der Rechtspolitik ist hier Stunde Null. Verbrechensbekämpfungsvorschriften, einzelne Bestimmungen, um besonderen Situationen begegnen zu können, sind doch nicht erst in dieser Koalition zwischen CDU/CSU und F.D.P. eingebracht worden. Auch in der sozialliberalen Koalition mußten einige Maßnahmen getroffen werden, die uns gar nicht gut gefallen haben. Ich erinnere nur an die lange und schwierige Auseinandersetzung um die Kontaktsperre, bei der sich alle Beteiligten viel Mühe gegeben haben und mit der man eigentlich nie zufrieden sein konnte. Ich weiß noch, Herr Schily, daß wir uns darüber zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Fasanenstraße vor einem größeren und ziemlich aufgeregten kollegialen Publikum unterhalten haben. Es hat allen keine Freude gemacht; es mußte sein. Und der Rechtsstaat ist nicht zerbrochen, weil man sich bei den Umständen des Vorgehens sehr wohl bewußt war, wofür wir alle gemeinsam hier stehen.
Wenn wir bei Gemeinsamkeiten sind, dann möchte ich - ganz im Sinne dessen, was Herr Eylmann hier schon in der Zwischenfrage anklingen ließ - nur eines anfügen: Es ist mit dem Strafrecht als Ultima ratio wirklich so eine Sache, gerade wenn es um die Art geht, in der wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Beleidigung und Verleumdung als Straftat sind eine Ultima ratio. Es wäre viel besser, alle würden sich so benehmen, wie man sich eben benimmt.
Im krassen Gegensatz zur ständigen Verniedlichung, Verweichlichung und Euphemisierung aller möglichen Berufsbezeichnungen - ich will das hier gar nicht ausführen; das Beispiel „Raumpflegerinnen" ist ja nur eines von vielen bekannten - haben wir es in der politischen Diskussion mit ständiger Verschärfung in der Auseinandersetzung zu tun, ohne daß sichtbar wäre, daß dadurch irgendein Gedanke klarer zum Ausdruck käme. Sonst hätte man ja sofort Verständnis für die Grobheiten, die nun neuerdings auch noch als ein besonders hehres Verfassungsrecht dargestellt werden sollen.
Die Einzelheiten des in Rede stehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts sind sehr sorgfältig zu berücksichtigen und abzuwägen. Aber die grundsätzliche Bemerkung muß doch gestattet sein: Es würde uns allen besser tun, wenn wir in der Sache sauber, deutlich und klar miteinander sprächen. Warum das in rüpelhafter Weise geschehen muß und warum dieser Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt werden muß, das ist eine ganz andere Frage. Sie wird uns nicht zum letzten Mal beschäftigt haben, wie ich fürchte.
Nachbessern müssen wir an den Dingen, die inzwischen geschehen sind. Es gibt einige Fragen zum Verbrechensbekämpfungsgesetz. Aber noch gibt die Bundesregierung Ihnen keine Auskunft, Herr Beck, weil seriöserweise eine gewisse Zeit abgewartet werden muß, bis Erfahrungen vorliegen. Doch wenn man Erfahrungen hat, muß auch nachgebessert werden.
Das gilt auch für das Geldwäschegesetz. Das gilt für die neuerdings so gravierend aufgetretenen Korruptionsdelikte. Da werden wir uns im eingangs dargestellten Sinne sorgfältig bemühen weiterzukommen: ganz pfleglich und behutsam. Was sein muß, muß sein, aber mehr auch wirklich nicht!
Das gilt auch für die anderen hier angesprochenen Dinge.
Um so dankenswerter ist es, wenn nun wieder einmal ein recht umfangreiches Gesetzgebungsvorhaben vom Bundesjustizministerium vorgelegt wird, bei dem es sich um die umfassende Aufarbeitung seit langem angewachsener Probleme im Kindschaftsrecht handelt. Ich finde den Entwurf, der jetzt in das Bundeskabinett eingebracht werden soll und den wir in absehbarer Zeit zu beraten haben werden, nicht nur wichtig und im wesentlichen gut, sondern ich finde ihn auch deshalb bemerkenswert, weil er zeigt, daß man nach einer längeren Zeit unter geänderten gesellschaftlichen Bedingungen den Mut zur Reform hat. Daß uneheliche Kinder unter gesellschaftlich mißbilligten Verhaltensweisen ihrer Eltern - früher wohl mehr als heute - schon von der Bezeichnung angefangen ihr ganzes Leben leiden sollen, ist beim besten Willen nicht mehr einzusehen.
Daß sich dieser Umstand in ihre Rechtsverhältnisse hinein fortsetzt - beim Erbrecht, beim Sorgerecht usw. - und daß wir die Verantwortung der mündigen Bürger gerade an dieser wichtigen Stelle nicht ansprechen, ist genausowenig einzusehen. Ich möchte ausdrücklich dafür danken, daß das jetzt umfassend angegangen wird.
Danken möchte ich eigentlich auch für die Einladung, die eine Reihe der hier Anwesenden für heute abend bekommen haben. Die Gastfreundschaft des Landes Sachsen-Anhalt und seiner Justizministerin ist uns wertvoll. Es hätten allerdings diejenigen, die
Detlef Kleinert
sich heute abend dort zu versammeln gedenken, auch schon Gelegenheit gehabt, hier Platz zu nehmen und die Diskussion bereits einleitend mit uns gemeinsam zu führen.
Deshalb weiß ich nicht recht, ob die Einladung heute abend so erfolgversprechend sein wird.
Warum soll ich mich nicht einmal Herrn Beck anschließen und sagen: Wir haben nun mehrfach und deutlich an dieser Stelle erklärt, daß man sich das Kienbaum-Gutachten nicht nur unter das Kopfkissen legen soll, sondern möglichst auch vor die Nase nehmen und anschließend in den Ländern nach dem Rechten schauen soll. Die Haupttätigkeit der Länderjustizminister sollte sich nicht in Bonn abspielen, in Form umfangreicher Darlegungen darüber, was wir alles im Gesetzentwurf noch zu regeln hätten, sondern in den Ländern mit tatkräftigen Werken zur Verbesserung der Gerichtsorganisation.
Deshalb hält sich unsere Dankbarkeit an Frau Ministerin Schubert heute abend in gewissen Grenzen. Wir werden uns an diesem und einigen anderen Orten ganz geradlinig weiter so verhalten, wie wir das bisher in diesen und anderen Bereichen getan haben. Wir werden uns nicht überreden lassen, verzweifelt Mittel im Gesetzgebungsverfahren zu ergreifen, nur damit Versäumnisse in den Landesjustizverwaltungen zugedeckt werden können.
Herzlichen Dank.