Rede von
Gunter
Weißgerber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 07 als einer der kleinsten Einzelpläne überhaupt ist denkbar ungeeignet für pauschale Reduzierungen oder gar den Rasenmäher. Ich habe das zwar schon vor einem halben Jahr gesagt, aber ich denke, es muß weiterhin gesagt werden, weil ich auch diesmal das Gefühl hatte, daß doch das Verlangen groß ist, pauschal auch an einen solch kleinen Haushalt heranzugehen.
Zur Größenordnung: Ich wohne in Leipzig, am Rande eines Einkaufszentrums, das mit einem Investitionsvolumen von 1 Milliarde DM errichtet wurde. Der Haushalt des BMJ hat in der Summe 300 Millionen DM weniger. Da kann man sich vorstellen, wie klein der Haushalt ist und wie gefährlich es ist, dort einfach bloß hineinzugreifen, wie groß die Gefahr ist, dabei Schaden anzurichten. Ich mahne dies an; das gilt für die nächsten Jahre genauso: nicht mit dem Rasenmäher, bitte schön.
- Der Haushalt ist überproportional um 1,9 Prozent gegenüber dem Entwurf gekürzt worden; andere Haushalte sind nicht in dieser Größenordnung gekürzt worden. Das, um auf diesen Zwischenruf zu reagieren.
Lassen Sie mich zu einigen Dingen, die konkret mit dem Haushalt etwas zu tun haben, und, etwas weiter entfernt, Allgemeines zur Justiz sagen.
Gunter Weißgerber
Für den Täter-Opfer-Ausgleich sind im 96er Haushalt 150 000 DM - noch gesperrt - bereitgestellt. Bis 1995 waren 300000 DM dafür vorgesehen. Auf Grund von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern wurde dieser Ansatz aufgeteilt: Der Bund trägt ab 1996 150 000 DM und die Länder 150 000 DM. Ich bin der Meinung - die Mehrheit der Berichterstatter war ebenfalls dieser Meinung -, daß dies so in Ordnung geht. Denn auch ich habe immer wieder das Gefühl, daß die Länder doch recht ordentlich zulangen und daß sie wenig an andere, an die Kommunen beispielsweise, durchreichen. Diese 150 000 DM aufzubringen ist ganz einfach zu leisten. SachsenAnhalt steht da beispielsweise mit 2 000 DM zu Buche. Das sind Summen, über die man nicht zu diskutieren braucht. Die Länder sind hier in der Pflicht, und das wird ja auch allgemein als etwas Gutes anerkannt.
Da muß sich halt jeder beteiligen, nicht nur der Bund.
Zu dem Umzug des Bundesverwaltungsgerichts: Dazu steht natürlich noch nichts im Haushalt 1996 drin. Aber zum Glück hat sich ja die Bundesregierung dieses Jahr im Sommer aus der Deckung gewagt. Es gibt nun einen Gesetzentwurf für den geplanten Umzug des Bundesverwaltungsgerichts nach Leipzig. In diesem Gesetzentwurf ist aber ein Mangel erkennbar. Die Wehrdienstsenate, die sich derzeit in München befinden und die zum Bundesverwaltungsgericht gehören, werden von diesem Gesetzentwurf nicht mit erfaßt. Ich weiß, es hat ursprünglich eine Vorlage von der Bundesregierung gegeben, in der sie mit erfaßt wurden. Ich muß an der Stelle in Erinnerung rufen: Das Bundesverwaltungsgericht ist ja in Berlin installiert worden. Die Wehrdienstsenate konnten damals wegen der alliierten Vorbehaltsrechte nicht mit in Berlin installiert werden. Wir haben heute den 9. November; sechs Jahre ist es her, daß die Mauer gefallen ist. Also, es ist ja mittlerweile bekannt, daß Berlin nicht mehr alliierten Vorbehaltsrechten unterliegt. Da also das Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig umziehen wird, kann es doch keinen Hinderungsgrund geben, daß auch die zwei Wehrdienstsenate aus München nach Leipzig ziehen. Ich als Leipziger erwarte das und hoffe auch auf eine Mehrheit in diesem Haus dafür.
Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Reichsgerichtsbibliothek. Das beschließen wir nicht im Bundestag, aber es liegt sehr wohl im Geschäftsbereich der Bundesministerin. Wer sich an die damaligen Diskussionen in der Föderalismuskommission und auch im Bundestag erinnert, weiß, daß der Bundesgerichtshof nicht nach Leipzig umziehen sollte, weil der Bundesgerichtshof angeblich nichts mit Leipzig und dem Reichsgericht zu tun hat. Aber die Reichsgerichtsbibliothek befindet sich zur Zeit in Karlsruhe beim Bundesgerichtshof. Ich bin der Meinung - und als Leipziger erwarte ich das auch -, daß die Bibliothek des ehemaligen Reichsgerichts natürlich an den Standort des ehemaligen Reichsgerichtes zurückkehrt, also nach Leipzig.
Wenn der Bundesgerichtshof nichts mit dieser Bibliothek zu tun hat: Was steht dem entgegen, daß die Bibliothek dorthin zurückkehrt, wo sie hergekommen ist?
Das hat übrigens nichts mit einer Wertung des Reichsgerichtes zu tun; ich weiß sehr wohl, wie facettenartig das zu beurteilen ist und wie schlimm auch speziell die zwölf Jahre 1933 bis 1945 waren. Das ist alles klar. Aber wer den Bundesgerichtshof nicht nach Leipzig schaffen wollte, darf auch keinen Anspruch darauf erheben, daß die Reichsgerichtsbibliothek ausgerechnet in Karlsruhe verbleiben soll.
Ein weiteres Stichwort: die Mauergrundstücke. Ich habe gerade den 9. November 1989 genannt. Ich bin natürlich der Meinung: Jeder in diesem Haus ist gut beraten, nicht nur an diesen 9. November 1989, sondern auch im besonderen an den 9. November 1938 zu denken; denn beide Daten sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne das Dritte Reich und die Naziherrschaft hätte es keine deutsche Teilung, keine Mauer und keinen Mauerfall gegeben.
Zu den Mauergrundstücken selbst: 40 Jahre lang war die Sache für jeden in diesem Hause, der damals schon hier war, Unrecht. Es war ja auch Unrecht. Heute hat der Bund, hat die Regierung plötzlich auf Grund der Einnahmelöcher Interesse, diese Grundstücke zu versilbern. Sie gehören den ehemaligen Eigentümern. Es war doch Unrecht. Wir können jetzt nicht, nur weil das Geld fehlt, aus Unrecht Recht machen.
Einige letzte Worte zur Kritik, die manchmal am Bundesverfassungsgericht laut wird. Mich betrübt das. Je nach Urteil kommt aus verschiedenen politischen Richtungen Kritik am Bundesverfassungsgericht.
Das sage ich zum gesamten Haus, auch zu meiner Fraktion. Ich bin der Meinung, wir schaden dem Bundesverfassungsgericht, wenn wir es je nach Urteilslage einer Kritik unterziehen. Wir müssen mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts leben, ob Sie uns nun passen oder nicht.
Zum Abschluß möchte ich mich bei meinen Mitberichterstattern sowie bei der Justizministerin und ihren Mitarbeitern für die Zusammenarbeit herzlich bedanken.