Rede von
Hans-Joachim
Fuchtel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Hier stelle ich wieder fest, wie undifferenziert Sie argumentieren. Es gibt Leute, da würden keine 15 Monate reichen, und es gibt Leute, da reichen drei Monate. Meine Damen und Herren, wir können doch nicht hergehen und sagen: Wer hier mehr bietet, der macht die bessere Politik. Wir müssen das differenziert angehen. Man kann durchaus darüber reden, ob über die jetzt gefundene Lösung hinaus weitere Sprachkurse angeboten werden können, dann aber vielleicht am Abend und nicht unbedingt voll zu Lasten des Steuerzahlers. Wir meinen, daß wir mit den Haushaltsmitteln sehr effektiv umgehen müssen und das nicht einfach so pauschal betreiben können. Dies ist ein typischer Punkt, an dem Sie wieder zeigen, daß Sie nach dem Motto „Wer bietet mehr?" auch in der jetzigen Zeit nichts weiter zu bieten haben als dieses „Immer noch mehr".
Nein, meine Damen und Herren, unser Hauptthema der Sozialpolitik heißt: Wie können wir mehr Arbeitsplätze schaffen, wie können wir die bisherigen erhalten?
Gerade angesichts der unbefriedigenden Situation auf dem Arbeitsmarkt nenne ich diese Herausforderung ganz oben; ihr müssen wir uns stellen. Das geht nicht, ohne daß wir uns erstens auf eine Begrenzung der Ausgaben des Haushaltes insgesamt und zweitens auf eine Begrenzung der Lohnzusatzkosten verständigen. Darüber haben wir heute schon mehrfach diskutiert; ich möchte das nicht wiederholen.
Wir sagen das schon seit Jahren, Herr Kollege Schreiner. Wir haben in den letzten Jahren im verbissenen Kleinkampf immerhin Milliarden eingespart gegenüber den Beträgen, die wir noch vor Jahren aufzubringen hatten. Wir haben das in aller Regel gegen Ihren Widerstand getan. Sie müssen hier erst einmal dazulernen, bevor Sie sich an die Spitze derjenigen setzen, die etwas zu Lohnzusatzkosten zu sagen haben.
Meine Damen und Herren, ich nenne hier noch einmal den Bereich der Arbeitslosenhilfe, der von Ihnen so kritisiert wird. Die Ausgaben des Bundes hierfür stiegen in den letzten Jahren rasant auf fast 18 Milliarden DM an.
Der Bundeszuschuß an die Rentenversicherung erreichte über 76 Milliarden DM. Dies sind riesige Größenordnungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir die Dynamik stoppen und etwas zur Begrenzung dieser Beträge tun wollen.
Meine Damen und Herren, dieser Sozialhaushalt hat ein Volumen von 27 Prozent des Gesamthaushaltes. Wie wollen Sie eigentlich der bundesdeutschen Öffentlichkeit klarmachen, daß Sie diese 27 Prozent völlig unverschont lassen möchten, wenn es darum geht, insgesamt zu konsolidieren? Das ist unsere Aufgabe!
Erstmalig seit langer Zeit gelingt es uns wieder, die Sozialkosten zu stoppen, ja sogar zu reduzieren. Wir hatten letztes Jahr im Sozialhaushalt 128,8 Milliarden DM. Wir haben jetzt noch 124,5 Milliarden DM. Es ist zwar richtig, Frau Dr. Wegner, daß wir uns noch mehr Einsparungen vorgenommen haben. Aber wir haben, als wir die neuesten Zahlen zur Entwicklung der Konjunktur bekommen haben, die Bereitschaft aufgebracht, nach unserer Meinung erforderliche Mittel wiedereinzustellen und dadurch nicht ganz den Spareffekt zu erreichen, den wir uns vorgenommen hatten. Aber unter dem Strich gilt es festzuhalten: Von uns wird verlangt, daß wir die Sozialkosten endlich einmal stoppen. Das ist unter Führung von Norbert Blüm in diesem Jahr nach langer Zeit erstmals wieder erreicht worden. Das ist ein großer Erfolg unserer Arbeit.
Meine Damen und Herren, der Sozialstaat wird umgebaut, und das nicht, um die Armen ärmer zu machen und die Reichen reicher, sondern um mit den vorhandenen Mitteln mehr Treffsicherheit zu erreichen und demjenigen zu helfen, der wirklich der Hilfe bedarf. Was haben Sie dem eigentlich entgegenzusetzen? Ich möchte mich hier in dieser Runde nur mit diesem Kernproblem auseinandersetzen.
Sie haben zunächst einmal das Lieblingsthema, daß wir höhere Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit brauchen. Ihr Sprecher, Herr Diller - ich sehe ihn jetzt gerade nicht hier im Raum -, hat in den letzten Jahren immer wieder bedeutungsvolle Prognosen abgegeben. Wieviel Stunden hat uns dieser Mann im Haushaltsausschuß mit seinen Hinweisen darauf gelangweilt, welches Drama in Deutschland eintreten würde. Tatsache ist: 1993 hat er prognostiziert, daß wir für 1994 25 Milliarden DM brauchen. Im Haushalt 94 war es dann so, daß wir 10 Milliarden DM brauchten. Dann hat er wieder vorgerechnet: 15 Milliarden DM werden gebraucht. Tatsächlich haben wir 8 Milliarden DM gebraucht. In diesem Jahr hat er uns vorrechnen wollen, daß das, was wir eingestellt haben, wieder nicht reicht. Wir haben
Hans-Joachim Fuchtel
gesagt: Es reicht. Wir werden das Jahr 1995 wahrscheinlich hinbekommen.
Die Fehlerquote in bezug auf die Prognosefähigkeit belief sich auf bis zu 150 Prozent. Wer sich dreimal so täuscht, der sollte sich im vierten Jahr
- Sie sind auch so eine Spezialtäuscherin - eine Prognoseauszeit nehmen und so fair mit uns umgehen, daß wir das einmal ohne neue Prognosen von Ihrer Seite durchziehen können.
Wenn Sie dann feststellen, daß wir falsch liegen, dann dürfen Sie das im nächsten Jahr, bitte schön, gern wieder kritisieren. Im Augenblick haben Sie dazu auf jeden Fall keine Veranlassung.
Was haben Sie denn unseren Vorschlägen weiter entgegenzusetzen? Wo sind Ihre Vorstellungen, wie man die Haushaltslücke schließt? - Wissen Sie, wenn Sie eine gute Opposition gewesen wären, dann wären Sie nicht aus dem Haushaltsausschuß ausgezogen. Vielmehr hätten Sie, nachdem Sie uns vorher schon die Ohren dazu vollgelabert haben, was Sie alles an negativer Entwicklung erwarten, Vorsorge getroffen und Vorschläge erarbeitet, wie man diese Situation angeht.
Aber da kam nichts. Da kam nur weißes Papier. Ja, da war nicht einmal Volumen durch körperliche Anwesenheit. Und diese Leute wollen uns sagen, wie es künftig weitergeht. Dazu kann ich nur sagen: Wer so wenig zur Schließung von Haushaltslücken beiträgt, der ist in seiner Gesamtpolitik konzeptionslos.
Meine Damen und Herren, es reicht eben nicht, Gegensätze einfach nur drastisch zu beschreiben, und das auf eine Weise, daß man sich manchmal wundert und fragt, ob diese Leute nicht auf einem anderen Stern wohnen. Vielmehr müssen wir vorangehen. In Vorlagen zu Ihrem Bundesparteitag lesen wir - ich zitiere -: „Vieles Wünschenswerte ist nicht mehr finanzierbar." Ja, Nachtigall, ich höre dich trapsen. So langsam dämmert es auch den Sozialdemokraten - leider viel zu spät -, daß man wohl den Kurs verfolgen muß, den wir eingeschlagen haben.
Worüber ich besorgt bin, ist, daß bei Ihnen jetzt eine Strategie angedacht wird, den Neid in der Gesellschaft zu schüren.
Meine Meinung dazu ist: Wenn sich der Sozialismus in dieser Gesellschaft nicht mehr in Reinkultur sehen lassen kann, zieht er das Mäntelchen des Neides an und wandelt damit durch die Gesellschaft. Das ist
Ihre Strategie, und das ist das absolut Falsche in dieser Zeit. Das Füllhorn ist leer. Und das ist dann eben nicht die Stunde der SPD, weil sie immer noch mehr vom Ausgeben versteht als vom Sparen.
Meine Damen und Herren, Sie haben also auch, was den strategischen Ansatz betrifft, nichts zu bieten, um mit dieser Situation fertigzuwerden. Ich erinnere mich immer wieder daran, daß Sie, als Ihr früherer Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt hat „Wir müssen noch mehr ins soziale Fleisch schneiden", aufgeschrien haben; Sie haben seitdem nichts dazugelernt. Sie haben die Meinung, es gehe so weiter, ohne den Realitäten ins Auge sehen zu müssen. Damit aber kann man in dieser Zeit in Deutschland keine Politik zur Sicherung des Industriestandorts gestalten.
Meine Damen und Herren, ich bin immer noch bei der Frage: Was haben Sie als Alternativen zu bieten? Sie haben keine Möglichkeit, den Beitragssatz zu erhöhen. Das will niemand; das scheidet also aus. Wir können nicht den Ausweg über höhere Schulden nehmen. Wir können auch nicht einfach Umschichtungen aus anderen investiven Bereichen des Bundeshaushalts vornehmen; denn wir brauchen Mittel für Investitionen mehr denn je in diesem Bundeshaushalt.
Ich frage Sie allen Ernstes: Was bleibt eigentlich anderes übrig, als mit dem vorhandenen Geld auszukommen und auch im Sozialbereich eine vernünftige Sparpolitik durchzusetzen? Genau dies tun wir.
Da werden wir uns nicht beirren lassen, weil wir überzeugt sind, daß wir dies auch im Blick auf die Zukunft unserer Kinder tun müssen. Wir können doch nicht in einer Zeit, in der die Konjunktur einigermaßen läuft, so viel vervespern, daß für die uns Nachfolgenden nichts anderes übrigbleibt, als Schulden zu bezahlen. Deswegen müssen wir jetzt diesen vernünftigen Mittelweg bei den Sparmaßnahmen gehen. Ich bitte dafür um Unterstützung.
Meine Damen und Herren, wir werden bei den nächsten Themen, die anstehen, sehen, ob Sie lernfähig sind. Ich spreche hier nur einmal das Thema Frührente wegen Arbeitslosigkeit an.
- Natürlich haben wir die eingeführt, und zwar in einer Zeit, in der wir dieses arbeitsmarktpolitische Instrument dringend benötigten, um bestimmte Probleme im Zusammenhang mit der Einheit überhaupt bewältigen zu können. Wir müssen aber auch darüber reden, wie wir solche Instrumente abändern können.
Ich bin gespannt, ob Sie den Weg mitgehen, beim Umbau des Sozialstaates große Veränderungen vorzunehmen, die Möglichkeiten auf diesem Gebiet
Hans-Joachim Fuchtel
sehr stark einzuschränken mit der Folge, daß die Tarifpartner für die Zukunft andere Lösungen finden müssen. Das soll nicht heißen, daß wir künftig weniger jungen Leuten den Weg auf den Arbeitsmarkt eröffnen möchten,
sondern das soll einfach heißen, daß es andere Herausforderungen an die Tarifpartner und wahrscheinlich auch an die Bundespolitik gibt. Wir müssen Wege finden, wie wir mit weniger Mitteln diese Probleme bewältigen.
Beim Schlechtwettergeld, bei dem man uns von vielen Seiten beschimpft hat, ist uns ein solcher Weg gelungen. Obwohl wir von allen Seiten beschimpft wurden,
möchte ich mich jetzt bei den Tarifpartnern dafür bedanken, daß es gelungen ist, entsprechende Regelungen zu treffen. Sie haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, daß ein Umbau des Sozialstaates im positiven Sinne möglich ist.
- Zur Initiative gezwungen; da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege. Wir müssen als Parlament die Tarifpartner zur Initiative zwingen, wenn sie nicht selber initiativ werden. Auch das ist eine Führungsaufgabe der Politik. Der stellen wir uns gerne. Mit diesem Haushalt leisten wir dazu einen Beitrag.
Vielen Dank.