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ID1306802600

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    Plenarprotokoll 13/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/ 2593) 5863 A Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft (Drucksachen 13/2609, 13/2626) . . 5863 B Manfred Hampel SPD 5863 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 5866 C, 5867 A, 5869 A Siegmar Mosdorf SPD 5867 B, 5883 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . 5867 D, 5881 D Manfred Hampel SPD 5868 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 5871 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5872 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . 5874 D, 5879 D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 5876 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5877 A Ernst Schwanhold SPD 5877 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 5878 A Dr. Christa Luft PDS 5878 C Peter Dreßen SPD 5879A Rolf Kutzmutz PDS 5880 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 5882 A Peter Dreßen SPD 5883 B Ernst Schwanhold SPD 5884 C Friedhelm Ost CDU/CSU 5886 B Anke Fuchs (Köln) SPD 5888 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . 5888 D Ilse Janz SPD 5888 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 5889 C Ernst Hinsken CDU/CSU 5890 A Manfred Hampel SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5891 A Manfred Kolbe CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5891 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 5892 B Namentliche Abstimmung 5892 D Ergebnis 5918 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/2611, 13/2626) 5893 A Dr. Konstanze Wegner SPD 5893 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 5896 A Uta Titze-Stecher SPD 5896 D, 5897 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5899 B Ina Albowitz F.D.P. . . . . 5901 D, 5905 C, 5906 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5904 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5904 D Peter Dreßen SPD 5905 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5906 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5906 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5908 B Ottmar Schreiner SPD 5910 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 5911 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 5913 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 5914 B Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 5915 C Dr. Barbara Höll PDS 5916 B Gerd Andres SPD 5917 C Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/2616, 13/2626) 5920 D Eckart Kuhlwein SPD . . . . . . . . 5921 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 5923 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5924 D, 5931 B Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5927 C Birgit Homburger F D P. 5929 C Marion Caspers-Merk SPD . . . 5930 D, 5933 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5932 A Eva Bulling-Schröter PDS 5933 D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 5935 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . 5936 A Eckart Kuhlwein SPD 5936 C Wolfgang Behrendt SPD 5937 A Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . 5939 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 5939 D Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 5941 D Otto Schily SPD 5942 D Wolfgang Behrendt SPD 5943 D, 5946 A Arnulf Kriedner CDU/CSU . . . . . 5944 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU 5945 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 5946C Marion Caspers-Merk SPD 5946 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/2607, 13/2626) 5947 C in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 13/2618 [neu], 13/2626) 5947 C Gunter Weißgerber SPD 5947 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . 5949 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5951 D Manfred Kolbe CDU/CSU 5953 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 5953 D Horst Eylmann CDU/CSU 5954 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 5955 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 5957 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 5958 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5960 A, 5974 A, C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5960 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . 5961 A, 5970 D Otto Schily SPD . . . . 5961 C, 5973 A, B Hermann Bachmaier SPD 5962 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . 5962 D, 5969 B Frederick Schulze CDU/CSU 5965 A, D Heinz Lanfermann F.D.P. . . . 5966 D, 5967 A Horst Eylmann CDU/CSU 5968 D Norbert Geis CDU/CSU 5969D Dr. Gregor Gysi PDS 5971 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 5972 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 5972 D Jürgen Koppelin F.D.P. 5973 D Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/2621, 13/2626) 5975 C Dr. Rolf Niese SPD 5975 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5976D, 5991 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/ CSU .. . 5977 A Volkmar Schultz (Köln) SPD 5977 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 5980 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5983 C, 5985 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . 5985 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . 5986 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 5987 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5988 D, 5993 A Hans Georg Wagner SPD 5989 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5990 B Otto Reschke SPD 5992 B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/2613, 13/2626) 5993 D Gerhard Rübenkönig SPD 5994 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 5995 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5996 B Dr. Max Stadler F D P. 5997 C Gerhard Jüttemann PDS 5998 D Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 5999 D Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6000 C, 6002 C Hans Martin Bury SPD 6002 A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 6004 C Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/2612, 13/2626) 6006 C Hans Georg Wagner SPD 6006 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 6010 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6013 D Horst Friedrich F.D.P. 6016 A Dr. Winfried Wolf PDS 6018 B Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 6020 A Annette Faße SPD 6022 B Dr. Hermann Kues CDU/CSU 6024 C Nächste Sitzung 6027 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6029 *A 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) (A) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 09. 11.95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Dr. Dobberthien, SPD 09. 11.95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 11.95 * Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 09. 11.95 Marten, Günter CDU/CSU 09. 11.95 * Meißner, Herbert SPD 09. 11.95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 09. 11.95 Nickels, Christa BÜNDNIS 09. 11.95 90/DIE GRÜNEN (B) Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Odendahl, Doris SPD 09. 11.95 Poß, Joachim SPD 09. 11.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 09. 11. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Schwanitz, Rolf SPD 09. 11.95 Steindor, Marina BÜNDNIS 09. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 09. 11.95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 09. 11.95 Vosen, Josef SPD 09. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Büttner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Der Kollege Rossmanith hat mit Recht in seiner Rede darauf hingewiesen, daß die Effizienz des Mittelansatzes für die neuen Bundesländer verbesserungsfähig ist, weil diese Mittel inzwischen immer mehr zu einer Vermögensbildung mit Steuermitteln einiger weniger Kapitalbesitzer im Westen verkommen auf Kosten und zu Lasten derer, die den Solidarzuschlag in ganz Deutschland aufbringen. Ich möchte das an drei Beispielen erläutern.
    Die Bundesregierung fördert die Verlagerung westdeutscher Betriebe nach Ostdeutschland erheblich. Ein Beispiel: Wenn ein Arbeitgeber im Erzgebirge 200 Arbeitsplätze neu schafft, der gleiche Unternehmer in Westdeutschland 615 Arbeitsplätze abbaut, dann durch Verlagerung von Arbeitsplätzen

    Hans Büttner (Ingolstadt)

    nach Indien diesen Abbau mit weiteren Fördermitteln, also mit Hilfe der Bundesregierung, betreiben darf und das Ganze als Förderung der Wirtschaft darstellt, dann finde ich das lächerlich, dann ist das nichts anderes als ein Programm zum Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland zugunsten einiger Kapitaleigner in diesem Land.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ein Zweites: Wenn diese Bundesregierung über den dritten Förderweg den Luxuswohnungsbau im Osten für westdeutsche Kapitaleigner fördert und gleichzeitig Mieten, die der Normalbürger nicht bezahlen kann, durch Mietzuschüsse heruntersubventionieren läßt, ist das auch eine Förderung der Vermögensbildung der Reichen im Land zu Lasten der kleinen Steuer- und Abgabenzahler in diesem Land.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Ein Großteil der Kapitalförderung und steuerlichen Abschreibungsbedingungen ist ein Beitrag zur Änderung der Vermögensverhältnisse einiger weniger im Westen und nicht zugunsten der Menschen im Osten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es kommt nicht von ungefähr, daß 94 Prozent des Produktionskapitals in den neuen Ländern inzwischen allein in den Händen westdeutscher Kapitaleigner ist. Die reinen Lasten, die für die Menschen im Osten aufgenommen werden, kommen zum größten Teil wiederum von den Menschen, die hier im Westen arbeiten, den kleinen Arbeitern und Angestellten, über ihre Beiträge zur Sozialversicherung.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Solidarität ist das!)

    Ihr Förderprogramm zur Solidarität ist keines von West nach Ost, sondern es ist eine Förderung einer unanständigen Vermögensbildung in den Händen einiger weniger Reicher hier im Westen, die sich der Steuer damit entziehen und weitgehend mit Ihrer Politik die Vermögensumverteilung noch erhöhen. Eine solche Politik können wir nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dr. Erich Riedl [München] [CDU/ CSU]: Das ist ja Klassenkampf! Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Der eine sät Neid, der andere fordert: Das ist eine Politik!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Kollegin Antje Hermenau.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Antje Hermenau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorhin das war Kurt, ohne Lenkrad, ohne Gurt. Herr Kollege Rossmanith, haben Sie nicht genug Phantasie, um sich vorzustellen, daß wir, vielleicht gerade weil wir zwei Monate lang sehr intensiv gearbeitet hatten, keine Lust mehr hatten, uns am letzten Tag vergackeiern zu lassen? Es bestand kein Zwang zur Eile. Wir hätten also in aller Ruhe über eine Nachtragsvorlage reden können. Sie hätte noch nachgereicht werden können, und wir hätten das vor Abschluß des Jahres geschafft. Aber Sie meinten, Sie müßten das am nächsten Tag durchziehen.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was wäre dann anders geworden?)

    Sie bewegen sich im Prinzip in Gemeinplätzen über den Wirtschaftsstandort Deutschland ungefähr auf demselben Niveau wie der Wirtschaftsminister, dessen größter Wurf im Anpacken des „Jahrhundertproblems" Ladenschluß die ganze deutsche Wirtschaft von seiner Kompetenz überzeugt hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der größte Ladenschließer aller Zeiten!)

    Wollen wir doch mal über den real existierenden Branchensozialismus in den alten Bundesländern sprechen und darüber, daß der deutsche Steuerzahler immerhin pro Jahr jeden Arbeitsplatz in der Steinkohle mit 106 000 DM subventioniert, in der Landwirtschaft mit 57 000 DM und im Schiffsbau mit 17 000 DM.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Ist doch gar nicht wahr! Das stimmt doch gar nicht! Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist viel mehr, nicht?)

    Es dominieren dadurch also Erhaltungssubventionen, die sich seit 1988 praktisch nicht mehr verändert haben. Daß kleine Unternehmen ziemlich gnadenlos dem Konkurs preisgegeben werden, während bestimmte Großbetriebe in veralteten Branchen an Tröpfen öffentlicher Subventionen hängen, gehört meiner Meinung nach zu den größten Fehlern nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik, die diesen Namen nicht mehr verdient. Das ist keine Wettbewerbspolitik mehr.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die Deutschen betreiben das sogar noch umfänglicher als die Franzosen und die von Herrn Waigel so schmählich behandelten Italiener, aber vielleicht deswegen, weil Subventionstatbestände kein. Konvergenzkriterium sind.
    Die Gruppe Bündnis 90/Die Grünen hat in der letzten Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Subventionskontrolle eingebracht, der hier aber keinen Anklang gefunden hat.
    Es geht nicht darum, die Großbetriebe so zu unterstützen, wie wir es gerade in den letzten Wochen erlebt haben, als die DASA die ganze Republik vor sich hertrieb. Es geht vor allen Dingen darum, den Mittelstand zu fördern, weil dort nämlich, wie wir denken, das Innovationspotential und die hohe Flexibilität liegen, die wir jetzt eigentlich brauchen.

    Antje Hermenau
    Wenn die Großindustrie zum Beispiel eine bemannte Raumfahrt haben will, dann soll sie auch eigenes Kapital investieren. Die Studien haben gezeigt, daß der Technologietransfer aus der Raumfahrtforschung in die Industrie ausgesprochen mager ist und überhaupt nicht rechtfertigt, daß der Staat mit soviel Geld dabei ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Auch Herr Henkel vom BDI sieht ein Problem in der Tatsache, daß die Deutschen größtenteils mit Auslauf- oder ausgereiften Produkten handeln und daß es eigentlich viel wichtiger wäre, mit neuen Produkten auf den Markt zu kommen.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Würden Sie ein Produkt kaufen, das nicht ausgereift ist?)

    Dabei ist natürlich die Markteinführungsphase entscheidend. Wir im Osten merken das alles viel schärfer als Sie, weil wir die Konkurrenz viel härter erleben als Sie im Moment, da Sie im Prinzip schon sichere Märkte haben. Wir müssen unsere erobern. Herr Henkel verweist darauf, daß zum Beispiel die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Bruttoinlandsprodukt in Japan, in der Schweiz, in Schweden, in den USA viel höher liegen als in Deutschland. Ich denke, zu diesem Problem sollten wir uns eine Frage stellen, wenn sogar schon die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft überlegen, wie sie die Industrieforschung in den fünf neuen Ländern verstärken können. Sie wollen nachfrageorientierte Datenbanken einrichten oder Hospitantenstellen anbieten.
    Kurze Entwicklungszeiten neuer Produkte und schnelle Markteinführung bringen wahrscheinlich sogar mehr als 10 bis 15 Prozent der Versuche von Lohnnebenkostensenkungen. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein.
    Herr Haussmann hat hier gestern eine große Rede geschwungen, daß die Globalisierung, die Mammutunternehmen und die Medialisierung kämen, die ganze Welt ein Dorf werde und wir Deutschen hinterherhetzen müßten, weil Homo oeconomicus wieder einmal nicht auf dem Berg sei.
    Bestimmte Betriebsgrößen werden sich den politischen Vorgaben der Bundesrepublik Deutschland aber entziehen. Das kann man unmoralisch finden, das kann auch volkswirtschaftlich fatal sein; aber betriebswirtschaftlich ist es für diese Dimensionen, für diese Betriebsgrößen logisch. Sie werden sich trotz exorbitanter Branchensubventionen, vielleicht mit zeitlicher Verzögerung, aus Deutschland absetzen, wenn sie das wollen. Dann ist das Geld weg, das wir eigentlich Jahr für Jahr kontinuierlich für kleinere Strukturen, für grenzüberschreitendes Wirtschaften in einem angestrebten Europa der Regionen hätten nutzen können.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    Gerade weil wir eine Globalisierung der Wirtschaft erleben, gewinnt die Förderung kleinerer Strukturen in gewerblicher Wertschöpfung und unternehmensbezogenen Dienstleistungen an Bedeutung.
    Vor diesem Hintergrund steht auch der Antrag, den wir gestellt haben, die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zugunsten von Infrastrukturmaßnahmen in den fünf neuen Ländern aufzustocken. Alle Abgeordneten aus den fünf neuen Ländern können über deren Notwendigkeit nach ihrer Einschätzung entscheiden.
    Man wirft dem Osten Subventionsmentalität vor. Bevor ich mit diesem Märchen aufräume, möchte ich einen kurzen Exkurs zum Thema „politische Zementierung der Subventionsmentalität" machen. Mehr Industrie im Osten würde den Nährboden für eine solche Mentalität brechen. Zur Zeit ist das ohne Subventionen noch - das möchte ich betonen - nicht zu leisten. Streichen Sie die Subventionen unkontrolliert, dann verhelfen Sie der PDS, einer Partei, die für ein subventioniertes, bewegungsarmes und unemanzipiertes Leben an sich steht, zu Wahlergebnissen, die es Ihnen unmöglich machen werden, an ihr vorbeizuregieren.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Sie haben keine Ahnung!)

    Damit wiederum zementieren Sie auf Grund der Vorstellung der PDS zur subventionierten Wirtschaftspolitik genau diese Subventionsmentalität im Osten auf lange Zeit.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: So ein Quatsch!)

    Die kleinen und mittleren Unternehmen in den fünf neuen Ländern brauchen sehr gezielte Subventionen für den Wandel; denn sie schaffen die Arbeitsplätze, indem sie Monostrukturen überwinden. Diese Subventionsziele sind zum Beispiel die Förderung der regionalen Strukturentwicklung, der Aufbau eines breiten Mittelstandes oder auch die Förderung von Exportunternehmen. Die Bundesregierung gibt in ihrem Bericht zum Aufbau Ost selber zu, daß dieses Ziel „bei weitem noch nicht erreicht" ist.
    Nun kommen wir zu dem Märchen vom Faß ohne Boden, das „fünf neue Länder" heißt. Von den rund 89 Milliarden DM Bruttotransferausgaben des Bundes - West nach Ost - decken die fünf neuen Länder 1996 selbst schon zirka 52 Milliarden DM aus eigenen Kräften. Das heißt, die Nettotransferleistung West/Ost beläuft sich auf zirka 37 Milliarden DM. Wenn man den gesamten Bruttotransfer von 89 Milliarden DM mit dem Gesamthaushalt vergleicht, stellt man fest, daß dieser Transfer ungefähr 20 Prozent des Bundeshaushaltes und damit dem Bevölkerungsanteil der fünf neuen Länder entspricht. Wer kann da noch von einer Bevorteilung und überproportionalen Bedienung der fünf neuen Länder sprechen? Ich finde das unverantwortlich.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Antje Hermenau
    Die fünf neuen Länder werden für den Haushalt 1996 einen Konsolidierungsbeitrag leisten. Ich finde, er ist sogar zu weit gegangen: Man hat bestimmte Investitionsausgaben zu stark gekürzt, zum Beispiel in der Gemeinschaftsaufgabe, zum Beispiel in der Fernwärmesanierung - eine völlig widersinnige Streichung - oder zum Beispiel auch in der Industrieforschung.
    Es heißt, die Fördermittel seien nicht abgeflossen. Ich sage Ihnen, was mir die Bürgermeister erzählen, wenn ich durch Sachsen reise: Wir würden es ja gerne tun; wir haben viele Probleme. Aber wir wissen nicht, wie wir bei so vielen Maßnahmen - über 700 auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene - durchblikken sollen. - Wir hätten die Maßnahmen viel besser bündeln müssen, statt sie zu streichen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Karl Diller [SPD]: Richtig! Das habe ich schon am Dienstag gesagt!)

    Hätten wir uns erlaubt, für die nächsten zwei Jahre 200 Millionen DM für die Fernwärme einzusetzen, hätten wir eine Verminderung des CO2-Ausstoßes von jährlich zirka 200 000 Tonnen erreichen können - allein durch das Abdichten des undichten Netzes in Ostdeutschland. Aber Ihre Vorgaben zur CO2- Reduktion sind Ihnen selber auch nicht so wichtig. Sie haben sich viel Zeit gegeben: bis 2005. Man wird sehen, was daraus noch erwächst.
    Wie richtungsweisend Ihre Entscheidungen im Energiebereich sind, wissen wir sowieso schon. Sie schippern im Fahrwasser der ökonomischen und energiepolitischen Kurzsichtigkeit, wie auf dem Energiegipfel in Tokio schon deutlich geworden ist, wo man meinte, sämtliche Energieträger - fossile Energie genauso wie Kernenergie und erneuerbare Energie - seien einzusetzen, keine dürfe aus ideologischen Gründen ausgeschlossen werden. Mein Gott, das sind doch keine ideologischen Gründe; das sind Gründe im Umweltbereich, das sind volkswirtschaftliche Gründe, das sind energiepolitische Gründe.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auf diesem Energiegipfel wurde tatsächlich gefordert, daß die Industrieländer mehr Kernenergie und andere technisch anspruchsvolle Energien nutzen und die Entwicklungsländer im wesentlichen mit dem 01 zurechtkommen sollten. Ich mache Ihnen dazu eine volkswirtschaftlich interessante Gegenrechnung auf, die Sie indirekt in der Haushaltsberatung bereits bestätigt haben.
    Wir hätten uns viel stärker auf das Problem der Photovoltaik, auf die Entwicklung von billigen und gut nutzbaren Solarzellen verlegen müssen. Heute leben 50 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, die von Energieimporten abhängen, und in vier Jahren werden bereits 80 Prozent der Bevölkerung in energieimportierenden Ländern leben. Es stellt sich daher die Frage: Wer wird die Energie exportieren, und wer wird die Technik für Energieerzeugung exportieren? Da könnten wir mit erneuerbaren Energien, mit Solarzellen einen wirklichen Beitrag in diesem „globalen Dorf" leisten. Aber die Koalitionsfraktionen haben den Titel für die Photovoltaik nur von 5 Millionen auf 18 Millionen DM erhöht, um somit ihr Programm der 1 000 Dächer abzusichern.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Immerhin!)

    - Immerhin. Es wäre wirklich mehr möglich gewesen.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Was heißt da „nur"?)

    Ich komme zum Schluß. Diese Gesellschaft kann sich die Animositäten beim Anerkennen der Veränderungen in der Welt nicht mehr leisten. Vielleicht können wir Ostdeutsche einen gesamtdeutschen Beitrag leisten, indem wir eine Erfahrung zur Verfügung stellen: Es war in den letzten sechs Jahren nicht immer einfach - auf den Tag genau vor sechs Jahren ist die Mauer gefallen -, und wir sind zum Teil über das zweierlei Maß zornig, das in Deutschland existiert. Aber wir wissen, daß man nicht stirbt, wenn um einen herum die alten Dinge zusammenbrechen und vage neue Zeiten beginnen.
    Wir haben uns gefürchtet, aber wir sind nicht zugrunde gegangen. Wir wissen, wie schmerzhaft es wird, wenn man bis zum bitteren Ende in der Hoffnung immer weiterwurschtelt, irgendwann wird ein Deus ex machina die Sache in letzter Sekunde retten. Diese irrige Hoffnung muß ich Ihnen leider nehmen: Man muß handeln.
    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)