Rede von
Heidemarie
Lüth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jacoby, Herr Lanfermann, wenn die verfassungsrechtliche Freistellung des Existenzminimums für Kinder das Markenzeichen des
Heidemarie Lüth
Ministeriums, um das es hier geht, ist, dann ist das wohl eine Markenware, die reduziert aus dem Winterschlußverkauf kommt.
Im Einzelplan 17 wird wohl das „Haus der Generationen" aus Haushaltssicht betrachtet; die Messen werden allerdings in anderen Ressorts gesungen, und dort werden auch die Noten geschrieben. Die Auftraggeber des Werkes und der Dirigent sitzen auf der Regierungsbank.
Alles, was in diesem Haushalt an Sozialabbau, Deregulierung, Diskriminierung von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, Kranken, Pflegebedürftigen und Behinderten in neuer Qualität fortgeschrieben wird, wirkt negativ auf die Lebensqualität zahlloser Familien, Frauen, Kinder, Jugendlicher und der Alten in der Gesellschaft.
Offensichtlich müßte eigentlich der normale Menschenverstand ausreichen, um die Wirkungen auf diesen Kreis unserer Gesellschaft zu erfassen.
Und dennoch wird in diesem Haushalt festgeschrieben: Der Bund wird den öffentlichen Verkehrsunternehmen das Fahrgeld für Schwerbehinderte künftig nicht mehr erstatten. Die originäre Arbeitslosenhilfe soll wegfallen; weitere Kürzungen im Bereich der Arbeitslosenhilfe sind vorgesehen. Die Auffüllbeträge für Seniorinnen und Senioren in den neuen Bundesländern sollen ab dem 1. Januar 1996 wegfallen.
Es ist eindeutig, wohin diese Reise gehen soll: hinein in eine Gesellschaft, die dem Ideal der Koalition nahekommt, koste es, was es wolle. Natürlich kostet es vor allem den Normalbürger etwas. Verluste sind eingeplant.
Länder und Kommunen geben diese Kürzungen in der Tat gleich weiter. Sie wirken sich in dem Bereich aus, für den der Haushalt für das „Haus der Generationen" Forschungsaufträge und Modellprojekte eingestellt hat. Diese sollen dann, zum Teil für viel Geld, erkunden, was diese vorgeschriebene und betriebene Politik angerichtet hat.
Frau Ministerin Nolte hat am 31. Oktober in Bonn auf dem Kongreß „Kinder in Deutschland - wie sie leben, was sie brauchen" wieder einmal die Ziele ihrer Politik verkündet und die Aufgaben verteilt. Es ist bemerkenswert, in welcher Reihenfolge die Aufgaben verteilt wurden: Zuerst kamen die Länder, die Kommunen, die Kirchen, und auch die großen gesellschaftlichen Gruppierungen wurden sehr wohl mit Aufgaben bedacht. Am Ende schließlich stand der Bund.
Haushaltspolitisch bedeutet das: Im Einzelplan 17 sind diejenigen Posten die fettesten, die die parteipolitischen Ziele der Koalition transportieren. Ich erinnere nur an Maßnahmen zur Durchführung der zentralen familienpolitischen Tagungen und die Institutionalisierung der Familienkonferenz, an die Herstellung und den Vertrieb von Erfolgsbroschüren für Frauen, Familien und die ältere Generation sowie an Projekte, die den konservativen Familienbegriff weiter zementieren. Selbst ein Versuch im Ausschuß, hier umzuverteilen, wurde abgelehnt, wie zum Beispiel der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, mehr Mittel für den Schutz der Frauen vor Gewalt einzustellen.
Dann schlug noch einmal der Dirigent des Haushaltes zu, und mit großer Ergebenheit wurde den Wünschen des Ministers stattgegeben. Es wurde noch einmal gespart, auch diesmal wieder nicht an Glanzbroschüren, sondern vor allem bei Hilfen für behinderte Menschen, bei Zuschüssen für überregionale Modelleinrichtungen für Behinderte, bei Zuschüssen und Leistungen für laufende Zwecke an Länder und Träger für Aufgaben der freien Jugendhilfe.
Der gesamte Einzelhaushalt 17 atmet die Arroganz des Umgangs mit den Vorschlägen und Protesten von Verbänden, Organisationen und Gewerkschaften durch diese Koalition. Dies hat zur Folge, daß Kommunen gezwungen werden, auf Grund dieser Haushaltslage den Vereinen Briefe zu schreiben, in denen sie verkünden müssen: Weil aus genannten Gründen die Mittel nicht mehr antragsgemäß zur Verfügung stehen, kann eine gesonderte Ausweisung der Kofinanzierung für Maßnahmen nach § 249h AFG nicht mehr erfolgen.
Das ist natürlich ein Schlag gegen Seniorenverbände und Selbsthilfegruppen. Aus einem Bericht des Vereins „Graue Löwen" aus Leipzig geht zum Beispiel hervor: Wenn die drei ABM-Kräfte, die dieser Verein hat, auf Grund der Haushaltslage nicht mehr beschäftigt werden können, werden die über 38 ehrenamtlichen Helfer die 468 Seniorinnen und Senioren nicht mehr betreuen können.
Es ist sicherlich eindeutig, daß die Abgeordnetengruppe der PDS diesem Haushalt nicht zustimmen wird.
Danke.