Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte steht im Prinzip unter dem Motto: Kürzen, sparen, Löcher stopfen und kaschieren.
Nun ist dieser Haushalt für Familien, Senioren, Frauen und die Jugend wahrhaftig nicht üppig. - Den Rest vom Kabinett interessiert das offenbar auch nicht besonders. - Aber gleichzeitig ist es doch so, daß die betroffenen Gruppen unterstützender Hilfe immer notwendiger bedürfen. Denn dieses „Haus der Generationen", Frau Nolte, gerät doch zunehmend aus den Fugen. Warum? Das Fundament gerät ins Wanken, weil die bezahlte Erwerbsarbeit immer weniger wird. Das heißt, die daraus abgeleiteten sozialen Absicherungen geraten ins Wanken. Die Frauen wollen auch nicht mehr nahezu unbezahlt die gesamte Erziehungs- und Pflegearbeit alleine schultern. Sie können es auch nicht mehr, wenn nicht dieses soziale Netz, das Hilfsnetz, ausgebaut wird. Zum anderen müssen doch diese Arbeiten, die sie tun, Perspektiven eröffnen und dürfen nicht länger in Sackgassen und Einbahnstraßen enden. Wenn da nichts geändert wird, wird die soziale Bereitschaft für diese Arbeit immer mehr abnehmen.
Was tun angesichts der Schuldenberge? Ich denke, in diesen Zeiten knapper Kassen haben wir, Frau Ministerin, mit dem Frauenministerium einen kleinen Vorteil: Wir Frauen sind an Mangel gewöhnt und müssen alles andere als überzogene Ansprüche abspecken. Das kann man hier einmal feststellen. Aber daß Sie ausgerechnet bei den Mitteln für Maßnahmen zur Gleichberechtigung, die sowieso nur einen ganz verschwindend kleinen Teil Ihres Haushalts ausmachen, noch einmal über eine Million DM kürzen, grenzt an Provokation.
Knappe Mittel sind ein Problem, aber sie bedeuten doch nicht zwangsläufig politische Handlungsunfähigkeit. In diesen Zeiten kommt es darauf an, Prioritäten zu setzen, Phantasie zu investieren und die Mittel, wo sie vorhanden sind, nicht zu blockieren. Da sage ich nur noch einmal: viertes mittelfristiges Aktionsprogramm der Europäischen Union zur Verwirklichung der Chancengleichheit für Männer und Frauen - blockieren Sie es nicht länger, sondern stimmen Sie zu!
Nach wie vor gibt es natürlich Dinge, die einfach Geld kosten. Aber da muß man auch wieder fragen, wie man mit bescheidenen Mitteln spätere teure Reparaturen vermeiden kann. Wenn Sie nur an diese bedrückenden Aussagen bei der Anhörung zum Neunten Jugendbericht denken, meine Damen und Herren, Aussagen über die Situation in den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern, dann weiß man doch, wie notwendig Investitionen des Bundes gerade im Jugendbereich sind. Verabschieden Sie sich von dem Ziel, die Sonderprogramme Jugend Ost auf Null zu streichen!
Ich wurde in meiner Schulzeit sehr stark von den Möglichkeiten geprägt, die der deutsch-französische Jugendaustausch geboten hat. Ich denke, auf dieser Basis haben inzwischen Generationen die Idee des westlich geeinten Europas ganz real erfahren. Lassen Sie uns doch diese Idee verstärkt auch mit unseren osteuropäischen Nachbarn fördern! Sie haben ja Ihren Beitrag zum Deutsch-Polnischen Jugendwerk erhöht,
aber ein Blick auf das deutsch-tschechische Verhältnis zeigt doch, wir sollten in Zukunft auch an die anderen osteuropäischen Nachbarn denken, sie nicht außen vor lassen, und die beiden Präsidenten Havel und Herzog haben hier richtige Zeichen gesetzt und zu Jugendtreffen aufgerufen. Stellen Sie die Mittel dafür bereit!
Ein weiterer Bereich, in den Sie mehr Geld investieren, in dem aber auch, denke ich, mehr Phantasie gefragt ist, ist dieses traurige Kapitel vom Unterhaltsvorschuß.
Frau Nolte, Sie haben gesagt, wer Politik für Kinder aus der Sicht von Kindern definiert, darf sie nicht schlechterstellen, nur weil ihre Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Das sollte aber auch bei Unterhaltsregelungen gelten. Es paßt doch nicht mehr in unsere Zeit, wenn Kinder Alleinerziehender beim Unterhalt schlechtergestellt sind als eheliche Kinder nach einer Scheidung. Sie haben diesen Haushaltstitel um 70 Millionen DM erhöht, ich weiß, wegen der Anhebung der Altersgrenze und der steigenden Zahl der Fälle. Aber es gilt doch auch mal nachzuforschen, warum denn einerseits die Zahlungsmoral der Väter ständig abnimmt und andererseits Kinder in dieser Gesellschaft für immer mehr Menschen anscheinend unbezahlbar werden. Da muß man mal nachforschen, was die Ursachen sind und welche familienpolitischen Konsequenzen das hat.
Aber vielleicht müssen Sie ja auch Strukturen ändern; denn die Jugendämter, die das Geld von Bund und Land ausbezahlen, haben überhaupt keinen finanziellen Anreiz, dieses Geld auch wieder einzutreiben. Ob jetzt dabei so drastische Maßnahmen wie in den USA - Führerscheinentzug - hilfreich wären, ist eine andere Diskussion. Aber dieses strukturelle Problem angehen, ich denke, das müssen wir tun.
Dann gibt es, was die Strukturen angeht, sehr viele andere Dinge. Bauen Sie doch den sogenannten Erziehungsurlaub zu einem flexibel zu gestaltenden Zeitkonto für die Eltern aus!
Dann ist auch die Frauenquote ein strukturelles Instrument, wo Sie parteimäßig in die Gänge kommen
Rita Grießhaber
müssen, wo man aber auch sagen kann: Die Frauenquote ist ein wichtiger Mosaikstein, doch wenn andere notwendige Bedingungen nicht da sind, wie eine bedarfsgerechte verläßliche Kinderbetreuung, dann läuft sie auch ins Leere. Das muß man hier einmal ganz klar sagen.
In Ihrem eigenen Hause sollten Sie, denke ich, endlich auch einmal Ihr begrenzt wirkendes Gleichberechtigungsgesetz dadurch stärken, daß Sie endlich die entsprechenden Arbeitszeitregelungen in dem eigenen Ministerium einführen. Die fehlen nämlich auch.
Zum Schluß möchte ich noch einen Punkt nennen, bei dem es um ideologische Unterstützung geht, was überhaupt kein Geld kostet. Das ist, meine Damen und Herren, die Frage der Vergewaltigung in der Ehe. Menschenrechte sind unteilbar, auch in der Ehe, denn es wäre willkürlich, wenn der Staat die Eheschließung als Grund für eine Relativierung von Persönlichkeitsrechten ansähe.
Widerspruchs- und Versöhnungsklauseln schaffen bewußt eine unklare Rechtslage, die Tat wird vom Verbrechen zum Konflikt. Lehnen Sie diese Klauseln ab!
Frau Nolte, der soziale Kitt in Ihrem Generationenhaus bröckelt. In Ihren Kassen ist nicht viel Spielraum. Um so nötiger sind strukturelle Änderungen. Sie kosten vor allem Mut. Sie haben auf der fünften Gleichberechtigungskonferenz gesagt: Frauen- und Gleichberechtigungspolitik dürfen kein Luxus sein, den man sich nur in guten Zeiten leistet, sondern sie sind eine gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns jetzt und in Zukunft stellen müssen. Tun Sie es! Wir unterstützen Sie gerne. Aber dem Einzelplan stimmen wir nicht zu.
Vielen Dank.