Rede von
Peter
Jacoby
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst einmal sagen, daß es mir in der Tat schwerfällt, nach einem sachlichen Berichterstattergespräch und nach einer einigermaßen sachlichen Diskussion im Ausschuß jetzt zu dieser Stunde im Plenum des Deutschen Bundestages unvermittelt auf Polemik umzuschalten, und das in der Form, wie wir es eben gehört haben. Ich muß sagen, das fällt mir einigermaßen schwer.
Ich möchte deshalb gleich zu Beginn folgendes sagen.
Peter Jacoby
Erstens. Was hat das Stimmverhalten von Frau Minister Nolte in der Angelegenheit der Neuregelung des § 218 mit dem Haushalt des Jahres 1996 zu tun?
Ihre Bemerkung zu diesem Thema möchte ich zum Anlaß nehmen, zu sagen: Wer selbst in einer solchen Frage nicht den Respekt vor der persönlichen Gewissensentscheidung eines Abgeordnetenkollegen oder einer Ministerin oder eines Ministers zum Ausdruck bringt,
der geht mit Maßgaben und Vorgaben an die Haushaltsdiskussion heran, die nicht zu dem Ziel führen können, um das es uns geht, nämlich die unterschiedlichen Gruppen, die unter die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen,
die Jugendlichen, die Frauen, die Familien, die Senioren, zusammenzuführen und eben nicht auszugrenzen und auseinanderzudividieren. Das ist für meine Begriffe ein entscheidender Unterschied.
Eine zweite Vorbemerkung möchte ich auch noch machen. Sprache kann schon verräterisch sein.
Es gibt, Frau Kollegin, in der Tat Hilferufe junger Menschen. Aber von dieser Stelle aus davon zu sprechen, es gebe gewalttätige Hilferufe junger Menschen, das, finde ich, geht ebenfalls zu weit, und das geht über das Maß des Verständnisses hinaus, das wir von einer Stelle wie dem Rednerpult des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen sollten. Jawohl, wir kümmern uns um Randgruppen, und wir kümmern uns um Probleme. Wir kümmern uns darum, wenn Hilferufe zu uns gelangen. Aber Verständnis für Gewalttätigkeit haben wir in keiner Weise und in keinem Zusammenhang. Auch das, glaube ich, muß gesagt werden.
Eine dritte Vorbemerkung zu den Ausführungen von Frau Kollegin Klemmer. Sie haben in der Tat recht: Der Haushalt des Ministeriums in der Größenordnung von rund 12,5 Milliarden DM enthält zu etwa 93 Prozent gesetzliche Leistungen.
Lediglich 7 Prozent sind freiwillige Ausgaben. Nur, was soll es, sich hierherzustellen und diese beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen, wenn wir auf der anderen Seite immer wieder von Planungssicherheit und Verläßlichkeit reden und wenn wir darauf drängen, daß sozialpolitische Anliegen in Gesetze umgegossen werden, diese also unsere Antworten auf soziale Herausforderungen in unserem Land sind? Insofern ist es völliger Unsinn, darüber zu reflektieren, wieviel freiwillige und wieviel gesetzliche Leistungen es in diesem Haushalt gibt. Es gibt jedenfalls eine Steigerung auch in diesem Etat gegenüber dem Vorjahr. Das ist der entscheidende Punkt. Das hängt mit unserer Prioritätensetzung zusammen.
Würde dieser Einzelplan 17 unsere Regelungen zum Familienleistungsausgleich beinhalten, wie wir sie zum nächsten Jahr beschlossen haben - -
- Er beinhaltet das deshalb nicht, weil wir die Familienleistungen von einer Sozialleistung hin zu einer Steuervergünstigung umgestellt haben. Das heißt, dieser Posten erscheint an anderer Stelle des Gesamtetats. Aber das soziale Anliegen, das dahintersteht, hat doch in unsere gesetzliche Regelung Eingang gefunden. Darüber kann doch nicht diskutiert werden.
Würde dies genauso geregelt wie in den zurückliegenden 20, 25 oder 30 Jahren, dann würde der Etat des Einzelplans 17 gegenüber dem Vorjahr um sage und schreibe 20 Prozent ansteigen - 20 Prozent wegen unserer Prioritätensetzung in der Familienpolitik!
Deshalb ist es doch unsinnig, die Mathematik so anzuwenden, wie das eben gemacht worden ist. Das wird nicht dem gerecht, was wir sozialpolitisch, familienpolitisch im Blick auf Familien mit Kindern auf den Weg gebracht haben. Es wird auch nicht der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit in unserem Land gerecht. - Das, glaube ich, muß zu dem gesagt werden, was eben Diskussionsthema gewesen ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf folgendes hinweisen: Wir haben eine Prioritätenentscheidung, und wir haben nicht zuletzt durch Ihr Mitwirken im Vermittlungsausschuß - deshalb diskreditieren Sie sich jetzt doch selbst - dieser gemeinsamen Prioritätensetzung zum Durchbruch verholfen.
Das Kennzeichen, das Markenzeichen des Ministeriums und der Schwerpunktsetzungen hier sind die Erhöhung des Kindergeldes, die Anhebung des Freibetrages, das Heraufsetzen der Altersgrenze auf 18 Jahre, die Perspektive der weiteren Anhebung über 1997 hinaus
und schließlich die erklärte politische Absicht einer Dynamisierung der familienpolitischen Leistungen über 1998 hinaus.
Peter Jacoby
Das sind die Fakten, meine Damen und Herren, zu diesen Fakten bekennen wir uns, und zu diesen Fakten stehen wir.
Das sind keine isolierten Maßnahmen - auch das muß zu Ihren Überlegungen zu den gesetzlichen Leistungen und den freiwilligen Leistungen gesagt werden -, sondern es bildet sich aus vielen Mosaiksteinen ein Bild gesellschaftspolitischen Engagements dieser Bundesregierung, und das über Jahre hinweg. Denn der Erziehungsurlaub, das Erziehungsgeld und die Anerkennung nicht nur der Erziehungsleistungen, sondern auch der Pflegeleistungen für die Rente sind ebenfalls gesetzlich verbrieft.
Sie finden auch ihren Ausdruck in den Ansätzen des Haushaltes. Deshalb sollten wir die Dinge nicht kleinreden, nicht herabwürdigen, sondern wir sollten sie so darstellen, wie sie sind.
Im übrigen möchte ich sagen, meine Damen und Herren - auch dieser Gedanke ist mir bei Ihrem Hinweis auf das Stimmverhalten von Frau Minister Nolte im Zusammenhang mit der Regelung des § 218 gekommen -: Sie haben im Berichterstattergespräch und im Ausschuß selber begrüßt, daß der Aufwuchs um 3 Millionen auf jetzt 10 Millionen für die Umsetzung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes von uns gemeinsam beantragt worden ist. Das ist letztendlich allerdings alleine durchgesetzt worden. Sie haben das selber begrüßt.
Ich finde, das ist Konsequenz, auch im Zusammenhang mit der Umsetzung dessen, was vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben worden ist. Diese Konsequenz drücken wir auch in den anderen Bereichen aus: in der Jugendpolitik, in der Seniorenpolitik und in anderer Hinsicht.