Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers des Innern steht erneut im Widerspruch zur allgemeinen Haushaltsentwicklung. Während die Bundesregierung bei den sozial schwächsten Gruppen, bei Arbeitslosen und bei Sozialhilfeempfängern und Sozialhilfeempfängerinnen und vor allen Dingen bei Flüchtlingen, drastische Kürzungen vorsieht, steigt der Haushalt des Innenministeriums um 2,4 Prozent. An Einzelposten läßt sich diese Haushaltspolitik deutlich machen. Die Gelder, die für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und auch für den BGS ausgegeben wurden, stiegen seit 1989 rasant an, allein für den BGS sage und schreibe um 122,47 Prozent. Für das kommende Haushaltsjahr sind noch einmal Steigerungen von 7,5 Prozent vorgesehen.
In der Haushaltsentwicklung der Grenzpolizei spiegelt sich der Ausbau der Festung Europa wider. Mit der Anschaffung von weiteren sogenannten Wärmebildkameras wird die quasi-militärische Sicherung der deutschen Ostgrenze weiter vorangetrieben. Allein für die Rückführung von Flüchtlingen sind nicht weniger als 15,5 Millionen DM veranschlagt. Die Bundesregierung versucht derzeit systematisch, mit Hilfe sogenannter Rückführungsabkommen das ramponierte Asylrecht endgültig ad absurdum zu führen. Mit Folterregimen wie der Türkei, Algerien, Kroatien, Rest-Jugoslawien und nicht zuletzt dem Sudan verhandelt Innenminister Kanther offensichtlich besonders gern, wenn es um Abschiebung geht. Sie machen so Staatsterroristen wie die Regierung des Sudan zu Kronzeugen der bundesdeutschen Asylpolitik und zu Helfershelfern Ihrer Abschiebepolitik. Diese Herren werden sich freuen und die Hände reiben, wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland formal als verfolgungsfreie Herkunftsländer eingestuft werden.
Für Maßnahmen zur Flüchtlingsabschiebung bzw. Abschottung, zum Ausbau von Abschiebehaftanstalten und zur Rückführung von Flüchtlingen werden die Behörden nicht auf Di it gesetzt, sondern finanziell gemästet. Gekürzt werden im Gegenzug die medizinischen und die Sozialhilfeleistungen für Asylantragstellerinnen und -antragsteller sowie insbeson-
Ulla Jelpke
dere für Bürgerkriegsflüchtlinge. Vertreter der evangelischen Kirche kritisierten am Dienstag auf ihrer Synode in Friedrichshafen die herrschende Abschiebepolitik und stellten fest, daß es nicht gut um das deutsche Asylrecht steht. Gerügt wurde vor allem auch die sogenannte Drittstaatenregelung. Bischof Kohlwage meinte - ich zitiere -:
Das Asylrecht ist ein zentraler Punkt unseres Gemeinwesens, ein Vermächtnis aus bitteren Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Solche Überlegungen haben offensichtlich die Richter des Bundesverwaltungsgerichtes nicht geleitet. Mit ihrem jüngsten Urteil zur Drittstaatenregelung hat Innenminister Kanther für seine Politik „Ausländer raus" neue Rückendeckung bekommen. Die Richter haben eindeutig festgelegt, daß nicht der Asylgrund, sondern der Reiseweg entscheidend ist, ob politisch Verfolgte hier in diesem Land Zuflucht finden oder nicht.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wir hören hier immer wieder, daß Sie zum Beispiel die doppelte Staatsangehörigkeit, die erleichterte Erlangung der Staatsangehörigkeit einklagen. Das ist richtig, aber ich möchte Sie auch daran erinnern, daß Sie mit für diese verheerende Asylpolitik verantwortlich sind. Damals, als Sie dieser Politik zugestimmt haben, haben Sie darauf verzichtet, das Paket, das Sie immer schnüren wollten, um Erleichterungen einzuführen - dazu gehörte übrigens auch die Erleichterung der Einbürgerung -, zu schnüren. Deswegen müssen Sie heute kläglich hinterherlaufen, damit überhaupt irgend etwas Positives in Sachen Asylpolitik herauskommt.
Auch das Bundeskriminalamt konnte seit 1989 eine Etatsteigerung um nicht weniger als 80,25 Prozent verzeichnen. Für das kommende Haushaltsjahr kann das BKA mit einer Erhöhung um 10 Prozent rechnen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des BKA-Gesetzes die fortschreitende Zentralisierung und Politisierung einer deutschen Bundespolizei geplant ist.
Die entsprechende Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln auch zum technischen Ausbau des BKA soll den Bundesapparat stärken und wird die Einschränkung länderpolizeilicher Kompetenzen zur Folge haben.
Diese Absichten haben die sozialdemokratischen Bundesländer zu Recht kritisiert. Von dieser Kritik ausgespart bleibt jedoch - im Unterschied zu Warnungen der Datenschutzbeauftragten - die Möglichkeit eines Lauschangriffes durch das BKA. Hier zeigt sich meines Erachtens, daß im Bereich der sogenannten inneren Sicherheit Grund- und Menschenrechte bei der Sozialdemokratie nicht weniger gut auf gehoben sind als bei der Regierung.
Letzte Woche hat die SPD - wie Herr Dr. Burkhard Hirsch hier bereits sagte - in Baden-Württemberg, wo sie sich mit der CDU in einer großen Koalition befindet, den großen Lauschangriff durchgesetzt. Hier soll ganz offensichtlich demonstriert werden, daß die F.D.P. mit ihrem Mitgliedervotum überflüssig ist, aber auch ansonsten. Notfalls wird dieses Repressionsmittel auch in diesem Haus mit einer großen Koalition durchgesetzt.
Über den Haushalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz darf die Öffentlichkeit wieder einmal nichts wissen: kein Stellenplan, keine Übersicht über die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und keine Nachweise über die Ausgaben für Sachmittel.
Allerdings läßt sich nachrechnen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus seinen Etat nicht senkte. Im Gegenteil: Die Schlapphüte haben seither 11 Prozent mehr bekommen.
Die Jahresberichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die Gefahren des Rechtsextremismus sind ein Eingeständnis tatsächlicher oder zur Schau gestellter Unwissenheit. Das Bundesamt übersieht seit Jahrzehnten eine wesentliche Strömung des bundesdeutschen Neofaschismus, nämlich die Neue Rechte. Bei der Neuen Rechten handelt es sich um eine überaus gefährliche und erfolgreiche Strömung des Rechtsextremismus. Ganze neun Zeilen werden ihr im letzten Jahresbericht gewidmet.
Auch zu theoretischen Fragen will sich dieser Bericht nicht äußern, zum Beispiel zur konservativen Revolution. Das ist meiner Meinung nach gezielt politisch gewollt.
Meine Damen und Herren, ähnliches könnte man zu dem vorgelegten Bericht über rassistische und faschistische Gewalt sagen. Auch hier gibt es eine erhebliche Steigerung. Dennoch will das Bundesamt für Verfassungsschutz dort nach wie vor keinen organisierten Charakter sehen, auch nicht, daß es in Hamburg und NRW bereits rechtsterroristische Ansätze gibt.
Wenn es dagegen um Linke und Antifaschisten geht, ist dieses Amt besonders aktiv. Wie wir wissen, werden antifaschistische Organisationen und Einzelpersonen von diesem Amt besonders diskreditiert.
Zu einem Haushalt, der den Ausbau staatlicher Machtkonzentration, die Einschränkung von Freiheits- und Bürgerrechten sowie eine menschenverachtende Asylpolitik weiter vorantreibt, sagen wir logischerweise nein.
Zum Abschluß möchte ich noch einen Satz zu unserem Antrag zur parteinahen Stiftung sagen, den wir heute erneut - ich glaube, das fünfte Mal zu einem Haushalt - vorgelegt haben. Ich bitte Sie ganz besonders, diesem Antrag endlich zuzustimmen.
Danke.