Rede von
Dr.
Wolfgang
Schäuble
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, danke sehr, der Kollege Catenhusen war vorher unfreundlich.
Jetzt will ich Ihnen auch noch folgenden Punkt nennen: Wir beschäftigen uns alle zu Recht mit dem Vorstoß des Vorsitzenden der IG Metall. Ich finde, für den Vorsitzenden der größten Einzelgewerkschaft in Deutschland war das ein bemerkenswerter Vorstoß. Ich glaube, wir alle, die Arbeitgeber und auch die Politik, sollten positiv darauf reagieren, so wie es auch der Bundeskanzler gesagt hat.
Nur, wenn die Sozialdemokraten in ihrem Papier schreiben: „Die konservative Strategie des Lohndrucks ignoriert den Zusammenhang von Angebot und Nachfrage",
dann sind sie weit hinter Herrn Zwickel zurück, der in seinem Vorstoß genau den Zusammenhang zwischen Zurückhaltung in der Lohnpolitik und mehr Arbeitsplätzen erkannt hat.
Sie haben das immer noch nicht erkannt.
- Herr Scharping, Ihre etwas getragene Art, an den realen Zusammenhängen vorbeizureden, tut in der Tat manchmal weh, insbesondere wenn man es eine ganze Stunde lang ertragen muß. Das ist wahr.
Mich stört, daß man nicht mehr Argumente austauschen kann. Ich argumentiere. Ich sage: Wenn wir nicht auf die Modernisierung unserer Wirtschaft setzen, wenn wir nicht darauf setzen, mit modernsten Produkten bei unseren höheren Kosten auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, haben wir keine Chance, unseren Wohlstand und die Grundlagen unserer sozialen Sicherheit zu erhalten, und werden wir weniger anstatt mehr Arbeitsplätze haben.
Wenn wir nicht billiger oder wenigstens nicht teurer im Abstand zu anderen werden, insbesondere in den Lohn- und Lohnzusatzkosten - genau deswegen ist das Wort „Lohndruck" so töricht -, dann werden noch mehr Arbeitsplätze abwandern. Wenn wir durch nationale Alleingänge die Energie im Vergleich zu unseren Mitbewerbern weiter verteuern, dann werden wir noch mehr Arbeitsplätze verlieren. Das alles dürfen wir nicht machen. Wir müssen vielmehr darauf setzen, daß wir konkurrenzfähig bleiben
und daß wir dort, wo wir zu teuer sind, wieder billiger werden. Wir müssen auch flexibler und schlanker werden. Wir müssen ferner bereit sein, ein Stück weit unsere bürokratischen Prozesse abzubauen, die zu kompliziert gewesen sind.
- Entschuldigung, wir sind ein Bundesstaat, und nach dem Grundgesetz ist die Ausführung der Bundesgesetze Sache der Bundesländer.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an die Bundesländer zu appellieren,
von dem Prinzip des ausstiegsorientierten Vollzuges der Bundesgesetze endlich Abstand zu nehmen, weil das vielleicht die größte Gefahr und der größte Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist.
Unsere Gesetze sind weiß Gott schon kompliziert genug. Was aber in den Verwaltungen der Länder daraus gemacht wird, ist noch viel schlimmer.
Deswegen sollten wir wirklich eine gemeinsame Anstrengung dagegen unternehmen, und das vor allem in einer Zeit, in der bei den Gewerkschaften viel Bewegung, jedenfalls in Ansätzen, zu erkennen ist. Ich nenne nur die Baugewerkschaft und ihre Haltung beim Schlechtwettergeld gegen Ihre Diffamierung, die IG Metall und die IG Chemie. Reden Sie doch einmal mit der Chemiegewerkschaft, was sie von Ihren energiepolitischen Vorschlägen hält: überhaupt nichts. Sie sind gegen die Arbeitsplätze und gegen die Zukunftschancen der Menschen, die in der chemischen Industrie Arbeit und Brot finden, und gegen die Zukunftschancen unseres Landes.
Wir müssen diese Chancen und die Bereitschaft nutzen, auch überlieferte und überkommene Besitzstände zu überprüfen. Das wird in jedem Einzelfall auf Widerstände stoßen. Wer macht sich denn lustig über die Debatte zum Ladenschluß? Daß das für die betroffenen Menschen keine einfache Entscheidung ist, ist doch in Ordnung. Deswegen muß man mit ihnen darüber reden. Am Schluß muß man auch zu Entscheidungen kommen. Wir werden zu den Entscheidungen kommen; nur von Herrn Scharping habe ich kein Wort gehört. Ist er nun dafür oder dagegen? Er kritisiert es immer nur.
- Nein, überhaupt nicht. Das ist doch nicht wahr. Wir haben in der Koalition eine klare Absprache. Wir diskutieren in meiner Fraktion. Das zeigt, daß wir die Sorgen und Befürchtungen der betroffenen Menschen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ernst nehmen. Wir werden zu den notwendigen Entscheidungen kommen. Nur, wir tun uns schwer in einer
Dr. Wolfgang Schäuble
Zeit, in der uns der Bundesrat mit seiner SPD-Mehrheit bei jedem konkreten Einsparvorschlag, der seiner Zustimmung bedarf, die Sache schwermacht.
Mir ist das Lachen längst vergangen, wenn ich den Herrn Scharping reden höre, die Bundesregierung müsse den Mittelstand mit genügend Eigenkapital ausstatten. Im übrigen ist mein Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft nicht, daß die Regierung verteilt. Nicht einmal der Finanzminister kann die Betriebe mit Eigenkapital ausstatten.
Aber daß Sie noch immer die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer blockieren, ist wirklich ein Schaden für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in unserem Lande.
Daß Sie noch immer den Gemeinden einen Zugang zu der langfristig stetigen, ständig wachsenden Finanzquelle der Mehrwertsteuer verschließen, indem Sie die Grundgesetzänderung verweigern, ist auch für die kommunale Selbstverwaltung der schlechtere Weg.
Daß Sie im übrigen den Gemeinden die dringend notwendigen Einsparungen durch die Reform der Sozialhilfe und durch die Veränderungen im Asylbewerberleistungsgesetz verweigern wollen, ist wiederum ein Beitrag dafür, daß Sie die kommunale Selbstverwaltung schwächen und nicht stärken. Das alles schadet unserem Land.
Wir sind in unserem Land - was der Haushalt 1996 ausdrückt - in einer guten Lage. Ich sage noch einmal: Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum von real 2,5 Prozent bei vollständiger Preisstabilität; auf dem Weg zur europäischen Einigung mit Chancen, wie wir sie vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht für denkbar gehalten hätten; eine Bundesregierung und einen Bundeskanzler, einen Finanz- und einen Außenminister, die in Europa und weltweit als Hort und Anker von Stabilität und Vertrauen angesehen werden, das alles sind hervorragende Zukunftschancen für unser Land, ein Land, das in Europa und weltweit an der Spitze in den Bemühungen zur Erhaltung der Umwelt steht, ein Land, das noch immer an der Spitze auch des technischen Fortschritts steht.
Wir haben keinen Grund zur Resignation. Wir haben nur Grund, unsere Kräfte und unseren Mut zusammenzunehmen, um angesichts vieler Widerstände gegen notwendige Veränderungen die erforderlichen Anpassungen an die Zukunft durchzusetzen. Das, Herr Kollege Fischer, ist der Weg in das 21. Jahrhundert, nicht Steuererhöhungen, bei denen Sie immer gleich landen, oder McDonalds. Wenn es um den Weg in das 21. Jahrhundert geht, meine Damen und Herren, dann ist die entscheidende Frage, ob wir die Kraft, den Mut und die Fähigkeit bewahren, die notwendigen Veränderungen rechtzeitig durchzusetzen.
- Herr Kollege Fischer, Sie waren gerade einen Moment draußen, das ist in Ordnung. Ich habe es gerade gesagt: In einer Zeit, in der wir teurer sind als andere - ich muß es wiederholen -, können wir nicht durch nationale Alleingänge den Standort Deutschland weiter belasten.
Wenn wir den Umweltschutz in einen Gegensatz zu Arbeitsplätzen bringen, dienen wir der Umwelt nicht und den Arbeitsplätzen auch nicht.
: Aufkommensneutral!)
- Nein, aufkommensneutral funktioniert auch nicht. Herr Präsident, ich muß noch zwei Minuten länger reden, um das auch noch zu erklären. Frau MatthäusMaier, aufkommensneutral ist theoretisch, aber praktisch funktioniert es nicht. Denn die Menschen empfinden heute eine Steuererhöhung, sagen wir: um 1 DM als zehnmal so stark wie eine Steuersenkung um 1 DM.
- Jetzt lassen Sie mich das doch einmal erklären! Herr Kollege Scharping, ich wollte meine Position bezüglich des Einwands von Frau Matthäus-Maier und ebenfalls bezüglich des Einwands von Herrn Fischer erläutern. Wir können auch übereinander herschreien.
Ich sage noch einmal: Ein aufkommensneutraler Umbau des Steuersystems wird in der psychologischen Wahrnehmung der Menschen nicht aufkommensneutral sein, weil Steuererhöhungen bei der derzeit zu hohen Belastung mit Steuern und Abgaben stärker wahrgenommen werden als Steuersenkungen. Deswegen funktioniert das theoretisch denkbare Modell des aufkommensneutralen Umbaus praktisch nicht. Das wird dazu führen, daß die Investitionsbereitschaft weiter abnimmt und die Abwanderungsbereitschaft weiter zunimmt. Deswegen können wir nicht aufkommensneutral umbauen, und deswegen können wir nicht die Energie durch nationale Alleingänge verteuern.
Wir müssen statt dessen die Belastungen senken. Das ist der Weg, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Deswegen, Herr Kollege Scharping, können wir im Umweltschutz wie in der sozialen Sicherung weitere substantielle Fortschritte nur in europaweiter Harmonisierung erreichen. Auch aus diesem Grunde sind weitere Fortschritte in der europäischen Politik
Dr. Wolfgang Schäuble
so existentiell notwendig für unser Land und unsere wirtschaftlichen Zukunftschancen. Weil es dagegen so viele Widerstände gibt, ist es unverantwortlich, hier Ängste zu schüren. Wer Ängste schürt, stärkt die notwendige Veränderungsbereitschaft nicht. Wir setzen auf Zukunft, und wir haben den Mut, die notwendigen Entscheidungen auch durchzusetzen.