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ID1306706900

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    Vokabeln: 6
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    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/67 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 67. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. November 1995 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 5727 A Absetzung des Punktes III j von der Tagesordnung 5727 B Nachträgliche Ausschußüberweisung . 5727 B Begrüßung des Außenministers von Costa Rica, Herrn Dr. Fernando Naranjo, und einer Delegation 5796 D Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksachen 13/2000, 13/2593) 5727 C Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/2604, 13/2626) . . . 5727 C in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/2605, 13/2626) 5727 D in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/2614, 13/2626) . . . 5727 D Günter Verheugen SPD 5728A, 5751 B Rudolf Seiters CDU/CSU 5732 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5736 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5737 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 5739 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 5741 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 5743 D Eckart Kuhlwein SPD 5744 B, 5751 C Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . . 5746 D, 5751B, 5751 D Eckart Kuhlwein SPD 5747 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 5749 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5752B, 5757 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 5756 D Dr. Helmut Haussmann F.D.P 5758 B Gerhard Zwerenz PDS 5759 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5761 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5769 D Rudolf Scharping SPD 5770 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 5778B Günter Verheugen SPD 5779 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5781 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5784 A Ina Albowitz F.D.P. 5785 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5785 C Dr. Gregor Gysi PDS 5786 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5790B Ernst Kastning SPD 5792A, 5799 B Paul Breuer CDU/CSU 5792 D Jürgen Koppelin F.D.P 5793 C Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 5796 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5798D Stephan Hilsberg SPD 5799 C Eckart Kuhlwein (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5800C Dr. Peter Struck (Erklärung nach § 31 GO) 5801 A Namentliche Abstimmungen . . 5800B, 5801 C Ergebnisse 5802A, 5807 A Tagesordnungspunkt III: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes (Drucksache 13/2687) . . . 5804 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß sowie über den Bau und den Umbau einer Grenzbrücke im Raum Forst und Erlenholz (Olszyna) (Drucksache 13/2688) 5804 B c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Erhaltung der Grenzbrücken im Zuge der deutschen Bundesfernstraßen und der polnischen Landesstraßen an der deutsch-polnischen Grenze (Drucksache 13/2689) 5804 C d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Zusammenschluß der deutschen Bundesstraße B 97 und der polnischen Landesstraße 274 sowie über den Bau einer Grenzbrücke im Raum Guben und Gubinek (Drucksache 13/2690) . . . . . . . . . . . 5804 C e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes (Drucksache 13/2713) . . . 5804 D f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlagerung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig (Drucksache 13/2714) 5804 D g) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes (Drucksache 13/2904) 5804 D h) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der von den britischen Streitkräften freigegebenen bundeseigenen Wohnsiedlung in Werl (Drucksache 13/2650) 5805 A i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Leipzig, Essener Straße 1-3, an den Freistaat Sachsen (Drucksache 13/2678) . . . . . . . . 5805 A Zusatztagesordnungspunkt i: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (Drucksache 13/2838) 5805A b) Antrag der Gruppe der PDS: Grundrechte für die in der Europäischen Union lebenden Menschen (Drucksache 13/2457) 5805B Tagesordnungspunkt IV: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (Drucksachen 13/192, 13/1583) 5805C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994 (Drucksachen 13/1667, 13/2648) 5805 C e) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Filmförderungsgesetz (Drucksachen 13/1666, 13/1899 Nr. 2, 13/2647) . . . 5806 C f) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Erfahrungen mit der befristeten umsatzsteuer- lichen Übergangsregelung und den Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Warenverkehr sowie über den Stand der Bemühungen, zu einer endgültigen Umsatzsteuer-Regelung im europäischen Binnenmarkt zu kommen zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Funktionieren der MwSt-Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr (Drucksachen 12/8221, 13/725 Nr. 62, 13/1097, 13/ 1096 Nr. 2.1, 13/2673) 5806C g) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 11 - Erstattung des Sozialzuschlags für Rentenempfänger in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Drucksachen 13/2096, 13/2275 Nr. 1.6, 13/2762) . . 5806 C h) bis i) Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 73 und 74 zu Petitionen (Drucksachen 13/2765, 13/2766) 5806D Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/2620, 13/2626) . . . 5809B Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . . 5809 C Michael von Schmude CDU/CSU . 5812A, 5817B Dr. R. Werner Schuster SPD 5814 B Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5814 D Armin Laschet CDU/CSU 5816 C Roland Kohn F.D.P. 5817D Dr. Willibald Jacob PDS 5819C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 5820B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 5820D Dr. R. Werner Schuster SPD 5822 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/2606, 13/2626) 5823D in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/2624, 13/ 2626) 5823 D Uta Titze-Stecher SPD 5824 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . 5826 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 5828 B Uta Titze-Stecher SPD 5831 A, 5831 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F D.P. . 5832A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5832 B Dr. Burkhard Hirsch F D P. 5834 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5836 C Dieter Wiefelspütz SPD 5836 D Ulla Jelpke PDS 5837 C Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 5839A Günter Graf (Friesoythe) SPD 5839 D Erwin Marschewski CDU/CSU 5842 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 5843 B Peter Dreßen SPD 5845 A Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 5845 D Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/2617, 13/2626) 5846 C Siegrun Klemmer SPD 5846 D Peter Jacoby CDU/CSU 5850 D Margot von Renesse SPD 5852 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5853 A Heinz Lanfermann F.D.P. . . . . 5854B, 5857 B Heidemarie Lüth PDS 5855 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5856 D Maria Eichhorn CDU/CSU 5858 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 5859A Nächste Sitzung 5861 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5862* A 67. Sitzung Bonn, Mittwoch den 8. November 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 08. 11. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 08. 11. 95 * Dr. Dobberthien, SPD 08. 11.95 Marliese Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 08. 11. 95 * Hafner, Gerald BÜNDNIS 08. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Hauchler, Ingomar SPD 08. 11. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 08. 11. 95 Meißner, Herbert SPD 08. 11. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 08. 11.95 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nickels, Christa BÜNDNIS 08. 11.95 90/DIE GRÜNEN Odendahl, Doris SPD 08. 11.95 Dr. Scheer, Hermann SPD 08. 11.95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 08. 11.95 90/DIE GRÜNEN Steindor, Marina BÜNDNIS 08. 11. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 08. 11.95 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 08. 11. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Zwerenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht gewußt, ich habe nicht ahnen können - da ich erst seit einem Jahr in diesem Parlament bin und vorher diese Verhandlungen nur vom Fernsehen her kannte -, wie unterhaltsam es bei Ihnen vormittags und mittags sein kann. Besonders unterhaltsam scheint es zu sein, wenn man bestimmte Biersorten erwähnt. Ich nehme an, daß es dafür Prämien gibt. Ich will deswegen keine Biersorte erwähnen, bitte aber diejenigen, die etwas bekommen, das an eine gemeinnützige Institution, vielleicht an den Tierschutzverein, weiterzugeben.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich bin etwas traurig: Ich wollte nach dem Verteidigungsminister sprechen; jetzt aber ist es so, daß der Verteidigungsminister nach mir spricht. Das ist eine seltsame Dramaturgie. Ich werde mich dennoch auf den Verteidigungshaushalt konzentrieren.

    Gerhard Zwerenz
    Es ist kein Geheimnis, daß wir von Freunden und Partnern umgeben sind, daß ein Angriff auf unser Territorium nicht bevorsteht und von niemandem erwartet wird. Vor fünf Jahren, als diese Friedensperiode begonnen hat, wurde uns deshalb eine Friedensdividende in Aussicht gestellt. Aber seltsamerweise steigen seitdem die Rüstungsanstrengungen. Neuerdings sollen auch die Ausgaben wieder steigen, nach NATO-Kriterien auf etwas mehr als 60 Milliarden DM. Weitere Steigerungen sind eingeplant. Der Verteidigungsminister spricht von der bevorstehenden notwendigen Totalerneuerung des Großgerätes der Bundeswehr.
    Mit der Aufstellung der Krisenreaktionsstreitkräfte ist natürlich eine neue Beschaffungsplanung verbunden. Allein die Beschaffung des umbenannten Jägers 90 wird voraussichtlich zwischen 20 und 30 Milliarden DM kosten. Vorsichtshalber sind andere Großprojekte wie Spionagesatelliten oder neue Raketenabwehrsysteme in die mittelfristige Finanzplanung gar nicht erst eingestellt.
    Ich frage mich - dies werden wir auch von den Menschen im Lande gefragt -: Was rechtfertigt diese großen Ausgaben, wenn wir doch von Freunden und Partnern umgeben sind? Diese Frage ist angesichts der Zahlen im Haushalt offensichtlich nicht zu beantworten. Aber sie ist zu beantworten; denn zum Glück haben wir ja einen obersten Soldaten der Republik, nämlich den Generalinspekteur Naumann, der uns Aufschluß darüber gibt, was mit dieser Aufrüstung eigentlich geplant und beabsichtigt ist.
    Ich lese im „Spiegel" Nr. 44 vom 30. Oktober 1995, daß der deutsche Soldat auch fern der Heimat versuchen müsse, Krisen von seinem Land fernzuhalten, das während seiner Abwesenheit in Frieden lebt. - Das ist ja ein ganz vernünftiger Wunsch. Er sagt aber dazu, deutsche Militärs hätten ähnliches in diesem Jahrhundert nur zweimal, vor 1945 und in den Einsätzen seit 1992, fertiggebracht. Das ist eine seltsame Geschichtsrechnung, die da aufgemacht wird. Naumann nämlich gibt zu, daß Kriegszüge der kaiserlichdeutschen Armee in den Jahren von 1900 bis 1904 von ihm gemeint sind.
    Ich stelle fest, daß der oberste Bundeswehrsoldat die Niederschlagung des Boxer-Aufstands und den Völkermord an den Hereros auf eine ganz erstaunliche Weise qualifiziert, jedenfalls so, wie man es nicht zu erwarten gehabt hätte.
    Der Generalinspekteur ist, wie ich bezeugen kann, persönlich ein äußerst freundlicher Mann. Meine früheren Vorstellungen vom preußischen Militär sind durch Leute wie diesen Generalinspekteur durchaus korrigiert worden. Es ist also nicht so, daß wir an veralteten Konstruktionen festhalten.
    Aber gerade hier werde ich doch mißtrauisch. Ich frage mich: Was bringt ihn dazu, sich so zu einem Zwillingsbruder Kaiser Wilhelms II. auszustaffieren? Da finde ich eine weitergehende Antwort. In Heft 1/1995 von „Soldat und Technik" schreibt er:
    Zum ersten mal seit 300 Jahren erleben wir die Gunst, nicht mehr Gegenstand externen Drucks zu sein, sondern wir haben die Chance, politischer Akteur zu sein.
    Genau dies bestätigt den Verdacht derer, die mißtrauisch sind. Ich meine, daß hier geplant ist, auf eine Art und Weise aktiv zu sein, wie es uns von der Linken als höchst bedenklich erscheint. Es heißt in „Soldat und Technik" weiter, militärische Mittel seien dabei immer als Ultima ratio, also als äußerstes Mittel, zu verstehen, was man akzeptieren kann. Aber es heißt weiter:
    was allerdings nicht heißen darf, daß man sie immer nur als letztes Mittel anwendet.
    Dies ist die Frage, die ich stelle: Was geschieht mit diesen Geldern, was geschieht mit dieser Rüstung, wozu brauchen wir eine solche militärische Aufrüstung?
    Minister und Generäle sollten uns und der Öffentlichkeit erklären, wie sie sich das vorstellen. Wie wollen wir in den Staaten dieser ganzen Welt verhindern, daß es zu einer weiteren Aufrüstung kommt? Wie wollen wir die Massenvernichtungsmittel abschaffen, wenn wir sehen, daß es fortwährend Bestrebungen gibt, weiterhin aufzurüsten?
    In der Einleitung zur Hegelschen Rechtsphilosophie konstatiert kein anderer als Karl Marx nach einem allgemeinen großen Lob der Kritik folgendes:
    Aber die Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffen nicht ersetzen.
    Wenn ich mir diesen Satz genau überlege, muß ich feststellen, daß in diesem Hause, insbesondere auf der Regierungsseite, offenbar recht viele Marxisten vorhanden sind, denn das Militär, eben die Kritik der Waffen, bekommt einen neuen Stellenwert zugewiesen.
    Ich glaube nun, daß diese Aufrüstung, daß diese Kritik durch Waffen wie in der Dritten Welt das gänzlich falsche Mittel ist. Hier wird ständig von Bedrohung geredet, von antiwestlichen fundamentalistischen Kräften, doch diesen Strömungen ist durch Aufrüstung nicht zu begegnen. Man muß ihnen anders das Wasser abgraben.
    Ich weiß, daß hier ein äußerer Konfrontationskurs eingeschlagen worden ist. Ich befürchte, daß diesem äußeren Konfrontationskurs, der ganz nüchterne Realpolitik sein soll, ein innerer Konfrontationskurs entspricht. Jetzt wird für mich auch eindeutig, jetzt wird auch erklärlich, weshalb es zu solchen erstaunlichen Erscheinungen kommt wie dem Großen Zapfenstreich in Bonn. Der Herr Bundeskanzler hat sich da vielleicht einen ganz besonderen Wunsch erfüllt. Das muß man akzeptieren können. Er gehört zu einer Generation, der das Kriegspielen, das Spiel mit Zinnsoldaten 1945 gewissermaßen von der Geschichte untersagt worden ist. Das kapiere ich vollkommen.
    Ich kann aber als ein etwas älterer Herr dem etwas jüngeren Herrn Bundeskanzler sagen: Es gibt dabei ganz bestimmte Gefahren. Wenn man sich schon dazu versteht, einen Großen Zapfenstreich in einer solchen Konfrontationssituation zu veranstalten, an einem Ort, wo sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Friedensbewegung gezeigt hat, und wenn man vier bemantelte Herren sozusagen als Stelen vor diesen Zapfenstreich stellt, dann muß man

    Gerhard Zwerenz
    sich nicht wundern, wenn man sich erkältet. Ich war bei der Gegenkundgebung und habe mich auch erkältet. Ältere Herren sollten also diese Mythologie bitte lassen.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich will Ihnen noch eins sagen. Über das ,,Soldaten-sind-Mörder"-Urteil regen sich alle auf. Das wundert mich schon lange. Das ist doch juristisch eine vollkommen klare Sache. Wollen Sie denn die deutsche Geschichte auch da noch verändern? 1932 hat das Reichsgericht Ossietzky und Tucholsky freigesprochen, mit genau der gleichen Begründung, die heute mehrfach von unserem Bundesverfassungsgericht wieder vorgetragen worden ist, daß es nämlich keine Beleidigung ist, wenn man einen philosophischen, einen gesellschaftskritischen Satz sagt. Der Satz „Soldaten sind Mörder" könnte genausogut in der Bibel stehen. Er könnte überall stehen. Wir müssen zugeben, daß wir nicht damit einverstanden sein können, daß damit Soldaten oder andere beleidigt werden. Dazu gibt es Rechtsschutz. Es gibt aber keinen Grund, eine Meinungsdiktatur durchzusetzen und Sätze zu verbieten, die im Dritten Reich verboten waren, die natürlich in der DDR verboten waren. Wenn solche philosophischen, gesellschaftskritischen Sätze auch in der Bundesrepublik verboten werden, wird das dieses Land verändern. Darum geht es und um nichts anderes.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich zu Beginn meiner Ausführungen auch namens der Bundesregierung noch ein kurzes Wort zur Ermordung von Premierminister Rabin sage.
    Wir alle in Deutschland sind tief erschüttert über den Tod, die Ermordung von Yitzhak Rabin. Ich will die Gelegenheit nutzen - wie ich das auch in Jerusalem tun durfte -, vor allem seiner Frau, seinen Kindern, seinen Enkeln, seiner ganzen Familie unser herzliches Beileid zu übermitteln.

    (Beifall im ganzen Hause)

    In diesen Tagen - es wird vielen so ergangen sein wie mir - hielten wir inne und überlegten, was es bedeutet, daß ein solches Leben - gelebter Patriotismus seit Kindertagen - durch diese barbarische Tat ausgelöscht wurde. Er war ein Mann, der ein ganzes Leben seinem Land in vielen Funktionen - als ganz junger Soldat, als Chef der israelischen Armee, als ein wichtiger diplomatischer Vertreter seines Landes wie auch als aktives Mitglied seiner Regierung, zum Schluß als Regierungschef - immer und zu jeder Zeit gedient hat. Ein solches Leben ist beispielhaft auch weit über Israel hinaus. Er war ein Mann, der dienen konnte, der Maßstäbe setzte und der in diesen Tagen zu Recht - ungeachtet der Tatsache, ob man mit jeder seiner politischen Entscheidungen einverstanden war oder nicht - zu den ganz großen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts gezählt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ich will ihm auch von dieser Stelle aus noch einmal danken: für freundschaftliche, kameradschaftliche Begegnungen, für die Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten schwierigste Fragen ganz offen miteinander zu besprechen, für ein weites Herz gegenüber unserem Volk, gegenüber den Deutschen, die seinem Volk so viel angetan haben. Er kannte die Geschichte und vergaß nicht, war aber fähig, aus der Geschichte heraus Zukunft zu entwickeln. Manche, die hier im Saal sind, waren dabei, als wir im Sommer am letzten Abend unseres Besuches im Garten seines Hauses nicht nur gemeinsam Lieder sangen, sondern ins 21. Jahrhundert zu schauen versuchten.
    Ich empfand - das wird Ihnen ähnlich gegangen sein -, daß die Trauerfeier am vergangenen Montag nicht nur die Sympathie und die Anteilnahme der ganzen Welt auf sich zog, sondern daß sie auch eine innere Kraft des jüdischen Volkes, des israelischen Volkes zeigte, die bewundernswert ist. Wir wünschen uns, daß diese Kraft erhalten bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Meine Damen und Herren, auch das will ich sagen: Wir wünschen uns vor allem, daß die israelische Regierung, das israelische Parlament und, wie ich hoffe, die große Mehrheit des israelischen Volkes auch nach diesem feigen Mord den Weg des Friedens weitergeht. Yitzhak Rabin hatte recht: Es gibt keine Alternative zu diesem Weg. Wir, die Bundesrepublik Deutschland - ich denke, darin sind wir uns alle einig - werden auch als Teil der Europäischen Union und in allen internationalen Organisationen unseren Beitrag leisten.
    Ich erinnere mich an ein Gespräch in diesem Sommer im Jordantal mit dem jetzigen israelischen Ministerpräsidenten, mit Yitzhak Rabin und dem König von Jordanien, bei dem wir uns einig waren, daß es eigentlich eine Schande wäre, wenn es den Menschen guten Willens nicht gelänge, in einer Region, in der drei Weltreligionen ihren Ursprung haben - der Islam, das Judentum und das Christentum -, zu einem Werk des Friedens zu kommen, jetzt und für künftige Generationen.
    Ich will noch einmal namens der Bundesregierung sagen: Wir, die Deutschen, wollen dabei helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Meine Damen und Herren, ich habe gezögert, ans Pult zu gehen; denn in meinen jetzt 36 Jahren parlamentarischer Erfahrung habe ich gelernt, daß - so war es im Landtag in Mainz, und so war es in den über 40 Jahren auch hier immer - die Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzlers, in Mainz

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    des Ministerpräsidenten, die Stunde der Opposition und der großen Abrechnung ist.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist traurig gewesen! Dr. Peter Struck [SPD]: Immer ruhig bleiben!)

    Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob ich, wenn ich mich erst jetzt melde, nicht in den Verdacht komme, auch noch den Anspruch zu erheben, die Führung der Opposition zu übernehmen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da Sie mir ja viel zutrauen, will ich vorsorglich sagen: Diese Absicht habe ich nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Da der Oppositionsführer nicht gesprochen hat - den Vorsitzenden der grünen Fraktion kann ich als solchen nicht anerkennen; da wären die Maßstäbe völlig verrutscht, zwar nicht bei Ihnen, aber bei den anderen -, will ich zu den Themen, die mir wichtig sind, sprechen.
    Ich möchte mich ausdrücklich beim Kollegen Verheugen bedanken, der für mich einen neuen Begriff eingeführt hat - andere haben ihn aufgenommen -; er hat mich als Buddha bezeichnet. Ich bin mir nicht klar, ob Herr Verheugen wirklich weiß, was er damit getan hat. Ich habe meine Erinnerungen extra telefonisch aufgefrischt. Im Staatslexikon heißt es unter dem Stichwort Buddha, Herr Verheugen: Als Persönlichkeit zeichnete sich Buddha aus durch seinen Lebensernst, seine durchdachte und gelassene Lebensmeisterung, seinen Sinn für das Wirkliche und Mögliche, seine Mäßigung und Ausdauer.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin bereit, alles zu akzeptieren. Mit der Mäßigung habe ich allerdings gewisse Probleme. Diese teile ich mit dem Vorsitzenden der grünen Fraktion. Das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Daß Sie mich aber nach 13 Jahren in diesem Amt so ansprechen, tut mir wohl.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    Ich sage Ihnen, Herr Verheugen, ganz offen: Ich bin seit 23 Jahren Parteivorsitzender der CDU. Aber so hat mich meine Partei noch nie verwöhnt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was wäret ihr ohne die Grünen!)

    Die gehen ganz anders mit mir um. Aber ich bin für dieses Lob dankbar, und es stimmt ja auch.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will jetzt ein, wie ich hoffe, für uns gemeinsam wichtiges Thema ansprechen. Vielleicht kann auch diese Debatte dazu beitragen, daß wir zu einer Klärung darüber kommen, daß die Themen Bau des
    Hauses Europa, Wirtschafts- und Währungsunion, Maastricht-II-Vertrag - also Abschluß der Regierungskonferenz - Themen sein sollten, die jedenfalls Demokraten in Deutschland nicht entzweien sollten.
    Ich verstehe das, was sich hier in der SPD vollzogen hat, überhaupt nicht. Wenn es einen Grund gibt, daß Sie das alles vor Ihrem Parteitag gebraucht haben, um irgendwelche Stimmungen zu reflektieren - auch ich habe vor Parteitagen schon manchmal Fehler gemacht und Stimmungen reflektiert -, dann wollen wir das als läßliche Sünde einstufen. Die Grundfrage - ich behaupte, die Frage der Fragen - der deutschen Politik lautet: Werden wir Teil des neuen Europas im 21. Jahrhundert? In dieser Frage sollten sich - ich sage das sehr ernsthaft - die großen tradierten politischen Kräfte einig sein; sie haben in dieser Frage eine alte Tradition. Die SPD hat hier eine längere Tradition als alle anderen, weil sie eine sehr viel ältere Partei ist. Diese Frage wurde schon auf den internationalen Sozialistenkongressen vor 1914 von Ihrer Seite ganz klar angesprochen. Denken Sie an die große Rede von Jean Jaurès damals vor seiner Ermordung.
    Dies alles ist ein Beispiel dafür, daß es sich um ein sehr kostbares Thema handelt - ich verwende bewußt diese Sprache - und daß es sich weder zur Legendenbildung noch zu einem billigen Populismus eignet. Ich will jetzt gar nicht zynisch sagen, Herr Vorsitzender Scharping, was Sie so oder so zu tun hätten. Ich habe als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ganz einfach die Bitte: Tragen Sie dazu bei, daß diese ungute Diskussion durch die SPD so schnell wie möglich beendet wird!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

    Sagen Sie auch Ihren politischen Freunden, die dabei ganz anderes im Schilde führen - ich nenne jetzt Herrn Schröder aus Hannover -, daß es diesem Thema natürlich nicht angemessen ist, zu sagen, es eigne sich, um die Spiele des Herrn Kohl zu stören. Es geht nicht um die Spiele des Herrn Kohl. Es geht um eine Säule deutscher Politik. Dies haben alle meine Amtsvorgänger ohne Wenn und Aber vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist gut, daß wir uns bei allem dringenden Diskussionsbedarf zu innenpolitischen Fragen - Europapolitik ist im übrigen längst zu einem Teil deutscher Innenpolitik geworden - darüber im klaren sind, daß wir in den nächsten zwei Jahren - bis zum Ende der Amtszeit des Kollegen Wim Kok als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union bis Sommer 1997 - in einem ungewöhnlich schwierigen innenpolitischen und außenpolitischen Umfeld vorangehen müssen.
    Europa ist und bleibt Kern unserer Außenpolitik. Das heißt, wir wissen, daß von uns erwartet wird, daß wir mehr internationale Verantwortung übernehmen. Das heißt aber gleichzeitig - das ist die eigentliche Problematik -, daß uns alle unsere Nachbarn mit sehr viel intensiveren Blicken betrachten als noch vor ein paar Jahren zur Zeit des kalten Krieges, als man

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    glauben konnte, die Balance im Westen Europas sei ungefähr erreicht. Wir müssen sehen, daß das Mißtrauen nicht wegen der aktuellen Politik, sondern wegen der objektiven Daten gewachsen ist. In der Zeit des Jahres 1985/86 war es für den Beobachter in Paris, in London, in Rom und Den Haag sehr viel einfacher, die Deutschen entsprechend einzuordnen, weil wir ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl hatten, zwar eine stärkere Wirtschaftskraft, aber sich bestimmte militärische und andere Komponenten eben zugunsten der anderen entwickelt hatten. Das ist anders geworden. Die Bundesrepublik Deutschland ist heute ein Land mit knapp 80 Millionen Einwohnern und mit weitem Abstand trotz all unserer Probleme die stärkste Wirtschaftskraft Europas.
    Mir sind jene Sätze mitten im Prozeß der deutschen Einigung unvergessen, die François Mitterrand damals in einer Rede sagte: „Es ist wahr, die Deutschen haben jetzt Probleme. Aber sie werden ihre Probleme lösen, sonst wären sie nicht mehr die Deutschen. Danach werden sie stärker sein als je zuvor." Der Satz „Danach werden sie stärker sein als je zuvor" geht durch Europa. Deswegen ist es wichtig, daß wir nicht vergessen, woher wir kommen.
    1982 sprach man noch von „Eurosklerose". Wenn Sie einmal nachlesen, meine Damen und Herren von der SPD, was Sie von diesem Pult - -

    (Dr. Peter Struck [SPD] geht durch die Reihen der SPD Unruhe bei der SPD Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Der fordert die Leute zur Unruhe auf! Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Unglaublich! Michael Glos [CDU/CSU]: Das Mieseste vom Miesen! Herr Präsident, greifen Sie ein!)

    - Meine Damen und Herren, das entspricht dem Bild, das ich in diesen Jahren von Ihnen hier gewonnen habe. Sie sind mit Blumen in dieses Haus gezogen und haben mehr Zwietracht hereingebracht als viele andere.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir doch nicht! Ich bin immer für alles schuld! Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die SPD ist gemeint!)

    - Lassen Sie den Abgeordneten operieren, wie er will.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Herr Scharping, schämen Sie sich!)

    - Er hat Angst wegen seiner Wiederwahl, und das ist ja verständlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich bitte wieder zu diesem für mich wirklich wichtigen Punkt zurückkommen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren aus einer Politik des Stillstands heraus eine neue europäische Dynamik entwickelt. Wir haben in diesen zehn Jahren gemeinsam mit unseren französischen Freunden - rühmen will ich den Präsidenten der Europäischen Kommission in dieser Zeit, Jacques Delors; das möchte ich ausdrücklich hinzufügen - Europa auf das richtige Gleis gebracht.
    Entgegen allen Unkenrufen haben wir 1985 das Binnenmarktprogramm und 1986 die Einheitliche Europäische Akte durchgesetzt. Wir haben erreicht - das war nicht selbstverständlich -, daß am Ende alle unsere europäischen Nachbarn der deutschen Einheit zugestimmt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, in dieser neumodischen Form der Indiskretion hat der langjährige Berater von François Mitterrand, Jacques Attali, vor einigen Tagen erneut ein Buch veröffentlicht und darin geschildert, daß auf dem Straßburger Gipfel im Dezember 1989 keine Mehrheit der Anwesenden in dieser Stunde für die deutsche Einheit war. Ich halte es für eine der ganz großen Leistungen deutscher Politik und dieser Bundesregierung, daß wir diese Stimmung verändert und mit dem Aufbruch nach Europa die Besorgnisse abgebaut haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die in dieser Zeit meistgestellte Frage war, ob sich die Deutschen, wenn sie die Einheit gewinnen, wieder isolieren, neutralisieren lassen, ob sie abdriften oder ob sie die Bindung in die NATO und die Europäische Union beibehalten und gleichzeitig offen für zukünftige Entwicklungen in Mittelost- und Südosteuropa sind.
    Herr Abgeordneter Fischer, Sie haben mich nach der Erweiterung gefragt. Ich habe in Polen nicht gesagt: Im Jahr 2000 tritt Polen bei. Das ist falsch zitiert. Ich habe gesagt, daß ich fest davon ausgehe, daß wir im Jahr 2000 mitten in den Verhandlungen über den Beitritt von Polen stehen. Da ein solcher Vertrag von allen ratifiziert werden muß, das heißt von allen 16, erkennt doch jeder, daß ein Zeitplan, der auf dieses Datum zielt, abwegig ist.
    Aber ich bleibe dabei, für uns als Deutsche kann die Gleichung nur heißen: Wir sind für die Vertiefung der Europäischen Union, und wir sind für die Erweiterung der Europäischen Union. Die Ostgrenze Deutschlands, die Oder-Neiße-Linie, darf nicht die Ostgrenze der Europäischen Union sein. Das ist für mich eine entscheidende Voraussetzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann haben wir, François Mitterrand und ich, im April 1990 die gemeinsame Initiative zur Politischen Union ergriffen. Deswegen stellt sich doch die Frage gar nicht, Herr Fischer, ob man sich vorstellen kann, daß die Währungsunion ohne Frankreich beginnt. Das ist eine völlig abwegige Vorstellung. Das habe ich oft genug gesagt. Warum stellen Sie dann diese Frage? Sie können doch nicht die Momentaufnahme des heutigen Tages nehmen, nach der die Kriterien von Maastricht derzeit nur von Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland erfüllt werden. Sie wissen doch so gut wie ich, daß das kein Neubeginn wäre. Selbstverständlich müssen wir mit unseren Freunden darüber reden, aber nicht über das Absenken der Voraussetzungen; dazu will ich gleich noch etwas sagen.
    Wir haben dann die Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag auf den Weg gebracht. Natürlich,

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    meine Damen und Herren, können Sie sich hinsetzen und sagen, dieses oder jenes sei schlampig ausgearbeitet.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    - Das können Sie sagen, weil Sie keine Ahnung haben! Jeder, der dabei war, auch die Mitglieder der Sozialistischen Internationale, die als Regierungschefs dabei waren, halten diesen Vertrag für einen ersten Schritt zu einem großen Wurf. Daß er nicht alle unsere Wünsche erfüllt, daß es nicht ein Vertrag ist, den wir hier zusammen erdacht und diktiert haben, sondern daß wir dazu die Zustimmung von anderen brauchen, ist doch auch ganz klar.
    Meine Damen und Herren, was für eine Arroganz vor der Geschichte! Daß wir als Deutsche 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diesen Vertrag mit erreicht haben, zeigt doch, daß wir aus der Geschichte gelernt haben und daß wir etwas erreicht haben, von dem ich vor 20 Jahren nicht geglaubt hätte, daß es erreichbar sei.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Sympathien und die Lebenserfahrungen der Völker haben sich in diesen paar Jahren doch nicht völlig verändert. Natürlich stimmen solche Sätze - die sind in der Sache nicht richtig -, die ich aus dem englischen Unterhaus gehört habe, nachdenklich: Wir haben sie zweimal geschlagen, jetzt sind sie wieder da! - Das ist doch die Realität, mit der wir uns in Europa auseinandersetzen müssen!
    Deswegen müssen wir viele kleine Schritte tun. Deswegen müssen wir sehr viel Sympathie erwerben. Deswegen müssen wir sehr sensibel sein, auch gegenüber Einwänden und Vorwürfen, die wir selbst auf Grund unserer Geschichte als abwegig erkennen. Dennoch: Wir brauchen diesen Einigungsprozeß. Wir brauchen dieses Haus Europa. Europa muß unumkehrbar gemacht werden. Das ist entscheidend für die nächsten Jahre.