Herr Kollege Lambsdorff, ich kann mir richtig vorstellen, wie Sie den Spruch des Propheten Jesaja nach jedem Wahlabend im Präsidium zum Besten geben
und die Nachfolger vor Enttäuschung und Wut in den Tisch beißen.
Herr Gerhardt, Sie sollten sich diesen Satz wirklich merken: Seht, ihr seid nichts.
Ich werde in Zukunft wieder verstärkt die Bibel lesen. Das verdanke ich einem Liberalen.
- Sehen Sie, es gibt Beifall von der CSU.
Herr Kollege Lambsdorff, ich freue mich, daß es mir gelungen ist, Sie hier wieder zum Reden zu bringen. Ich denke, das war sehr, sehr wichtig. Denn Sie haben ja, seitdem Sie Ihre öffentlichen Äußerungen gemacht haben, verbissen beredt geschwiegen. Insofern war das sehr gut.
Aber nun zur Sache, Herr Kollege Lambsdorff.
Punkt 1. Ich habe nicht die deutsche Währungsunion mit der Europäischen Währungsunion gleichgesetzt
- nein -, sondern ich habe folgendes gesagt: Der Bundeskanzler wird die Europäische Währungsunion nicht in der Weise, wie die deutsche Währungsunion gemacht wurde, nämlich durch einsamen politischen Entscheid, hinbekommen. Das weiß er auch. Er argumentiert in der Öffentlichkeit anders.
Ich fordere von der Bundesregierung - Graf Lambsdorff, vermutlich sind wir an diesem Punkt gar nicht soweit auseinander -: Je näher wir an den Termin kommen, desto mehr müssen die nächsten Schritte definiert und präzisiert werden, und zwar durch die Bundesregierung. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Ich möchte meine Befürchtung ausdrücken: Ich fürchte, ansonsten wird es eine Angstreaktion geben - ich betone es nochmals -, weniger im demokratisch-linken Spektrum als im konservativ-liberalen Spektrum. Wenn Sie in die Union hineinhören und wenn Sie sich den Beschluß des CDU-Parteitages anschauen, der noch verschärft wurde und zu dem Herr Kohl hoffentlich heute noch etwas sagen wird, dann wissen Sie, daß ich mit meiner Aufforderung, meiner Befürchtung und meiner Beschreibung der Situation gar nicht so falsch liege.
Punkt 2. Sie haben gesagt, die Grünen seien Arbeitsplatzvernichter. Herr Lambsdorff, solange es uns gibt, wird uns dies vorgeworfen. Sie sehen, dem Erfolg tat es keinen Abbruch. Das liegt entscheidend daran, daß dies nicht stimmt. Schauen Sie sich einmal die Umweltbewegung und auch den Wahlerfolg der grünen Partei an. Wir kennen das doch beide. 1985 verkündete Zimmermann, deutsche Urlauber müßten, wenn wir den Katalysator einführten, am Brenner ihre Autos stehenlassen und zu Fuß weiter nach Rimini oder sonstwohin gehen. Das war damals die Diskussion.
Der ökologische Umbau hat mehr Arbeitsplätze mit Zukunft geschaffen, er hat mehr Gewinne gebracht, als er gekostet hat.
Ich kann Ihnen, Graf Lambsdorff, zur Chemieindustrie nur sagen: Ich hatte im Jahre 1993 die Verantwortung für ein Unternehmen. Ich habe erlebt, was es bedeutet, für die Gefährdung von Arbeitsplätzen verantwortlich zu sein, wenn der ökologische Strukturwandel in einem solch bedeutenden Unternehmen verschlafen wurde. Sie werden dort von niemandem hören, daß eine grüne oder eine rot-grüne Regierung für die Verdrängung von Arbeitsplätzen verantwortlich war, sondern das, was dieses Unterneh-
Joseph Fischer
men als Programm dann vorgestellt hat, ist von uns entwickelt worden. Soviel zu Ihrer Propaganda, verehrter Herr Kollege.
Ich sage Ihnen nochmals: Der ökologische Umbau wird Arbeitsplätze bringen. Er ist die entscheidende Herausforderung. Was ich demgegenüber mit Sorge sehe, ist, daß Herr Henseler verkündet, daß 25 Prozent der deutschen Exportanteile in Zukunft im Ausland produziert werden müssen.