Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Kollegen Seiters vorhin gehört habe, dachte ich: Bin ich eigentlich im Niedersächsischen Landtag oder im Deutschen Bundestag?
Herr Kollege Seiters, Sie haben sich so liebevoll um dieses Land im Norden bemüht und generell sozialdemokratisch regierte Länder vorgeführt, indem Sie gesagt haben, Sie hätten jetzt auch Sparhaushalte eingebracht. Ich möchte Sie daran erinnern, wo denn
die gesamtstaatliche Verantwortung für Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik und Finanzpolitik liegt: Sie liegt bei dieser Bundesregierung.
Wie chaotisch die Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß gelaufen sind, kann jeder Redner eigentlich nur bei seinem Einzelplan wiederholen. Ich will das noch einmal deutlich machen: Während wir vor fünf Monaten zu dem Titel „Ausstattungshilfe" des Auswärtigen Amtes immerhin ein 53-Seiten-Papier bekommen haben, in dem über vier Jahre ganze 166 Millionen DM etatisiert und erläutert worden sind,
sollten wir in 24 Stunden über 20 Milliarden DM Umschichtung im Haushalt auf der Grundlage eines einzigen Wisches sachkundig und solide entscheiden. Dies ist ein unmögliches Verfahren. Wir bleiben dabei, daß es dieser Haushalt an Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit fehlen läßt.
Der Haushalt des Auswärtigen Amtes, zu dem ich heute sprechen möchte, gehört mit rund 3,8 Milliarden DM zu den kleineren Etats. 40 Prozent machen die Betriebskosten des Auswärtigen Dienstes aus, etwas mehr als 30 Prozent werden für auswärtige Kulturpolitik, etwas weniger als 30 Prozent für sogenannte politische Ausgaben aufgewendet. Diese Summen markieren bescheidene Größenordnungen, mißt man sie etwa am Verteidigungshaushalt oder auch an dem längst nicht ausreichend dotierten Haushalt für wirtschaftliche Zusammenarbeit, bei dem wir ja immer noch - mit anderen gemeinsam - auf die Friedensdividende warten.
Wenn der Haushalt des Auswärtigen Amtes gegenüber 1995 geringfügig aufgestockt wurde, hat das im wesentlichen zwei Ursachen, nämlich die Pflichtbeiträge zu den Vereinten Nationen und die erste Rate für den Zuschuß zu den der Türkei versprochenen MEKO-Fregatten. Die politischen Ausgaben im übrigen - dazu gehören eine Reihe von Instrumenten für friedliche Konfliktvermeidung und zivile Konfliktmoderation - stagnieren. Während wir Stunden um Stunden um kleinere Millionenbeträge für diese Aufgaben gefeilscht haben, werden im Verteidigungshaushalt zügig die hundertfachen Summen bewegt.
Ich will auf diese Schlagseite des Bundeshaushalts nur aufmerksam machen. Es wäre dringend an der Zeit, die gewachsene deutsche Verantwortung in der Welt nicht mehr in erster Linie militärisch zu definieren.
Wir werden das allerdings auch nicht zulassen, Herr Kollege Seiters. Die Frage, die wir bei allen Konflikten in der Welt beantworten müssen, ist doch nicht in erster Linie die, ob und inwieweit die Bundeswehr dort tätig wird. Die Frage ist doch zunächst, ob und inwieweit man mit zivilen Mitteln sehr viel wirksa-
Eckart Kuhlwein
mer dem vorbeugen kann, daß sich Konflikte blutig zuspitzen.
Ich will nicht verschweigen, daß die Koalition den Haushalt für auswärtige Kulturpolitik gegenüber dem Regierungsansatz um 15 Millionen DM aufgestockt hat, nachdem dort in den Vorjahren kräftig abgebaut worden ist. Das ist immerhin etwas mehr als gar nichts, aber noch lange nicht der vom Außenminister angekündigte „neue Schwerpunkt". Sie haben dafür ausdrücklich unsere Zustimmung, auch wenn ich mir etwas mehr Kooperation zwischen den Berichterstattern gewünscht hätte. Ich hoffe, daß wir rechtzeitig für 1997 das Konzept entwickelt haben, die Mittel für das Goethe-Institut zu plafondieren, damit dieser wichtige Träger deutscher Kulturarbeit im Ausland endlich selbständiger planen kann.
Meine Damen und Herren, es ist der gemeinsame Wille des Bundestages, daß sich Deutschland stärker als bisher an Minenräumaktivitäten beteiligt. In einem Sonderfonds der Ausstattungshilfe sind dafür, auf drei Jahre verteilt, 10 Millionen DM vorgesehen. Es ist nicht zuletzt dem Einsatz und dem Engagement unseres ehemaligen Kollegen Horst Jungmann zu verdanken, daß die Koalition für 1996 jetzt noch einmal 10 Millionen DM dazulegen will, damit die erfolgversprechenden Einsätze der Vereinten Nationen, zum Beispiel in Mosambik, fortgesetzt werden können.
Der Kollege Horst Jungmann hat dort an Ort und Stelle als Experte für die Vereinten Nationen mitgearbeitet. Das ist auch ein Beispiel dafür, daß Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuß nach ihrer Abgeordnetenzeit nicht unbedingt Lobbyisten für die Rüstungsindustrie werden müssen, wie das ja manchmal der Fall ist.
Trotz solcher Fortschritte in Erkenntnis und Handeln auf der Seite der Koalition: Die Negativposten überwiegen. Bei der humanitären Hilfe, bei UNICEF, beim Internationalen Roten Kreuz mauern CDU/CSU und F.D.P. noch immer. Dabei ließe sich dort mit verhältnismäßig geringen Beträgen große politische Wirkung erzielen. 80 Millionen DM im Haushalt für humanitäre Hilfe für die ganze Welt - dazu gehören Flüchtlingshilfe, Sofort- und Katastrophenhilfe -, aber 65 Millionen DM als erste Rate für türkische Fregatten. Das macht deutlich, wo diese Bundesregierung ihre falschen Prioritäten setzt.
Das Internationale Rote Kreuz hat im September einen Hilferuf gestartet und an die vergessenen Konflikte erinnert - an Afghanistan, an Liberia, an Sri Lanka, an den Kaukasus. Es hat bedauert, daß sich die Geberländer vor allem dort engagieren, wo sie sich eine große Medienwirkung versprechen. Bei den Beiträgen zu UNICEF und dem Weltkinderhilfswerk liegen wir in der Rangskala weit hinten und müssen uns von unseren Nachbarn Niederlande,
Norwegen, Schweden und Dänemark beschämen lassen.
Sie reden immer davon, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Humanitäre Hilfe, Flüchtlingshilfe, Menschenrechtsarbeit sind sehr viel wirksamer im Sinne einer globalen Friedenspolitik als die Beschaffung neuer Flugzeuge.
Oder ist es etwa falsch, daß ein einziges Exemplar des Eurofighters doppelt soviel kosten würde, wie der Haushaltsansatz für die humanitäre Hilfe umfaßt? Es muß erlaubt sein, solche Zahlen zu vergleichen, gerade wenn wir ernsthaft über neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten deutscher Außenpolitik nachdenken.
Im übrigen, meine Damen und Herren auf der Rechten des Hauses, halten wir den Eurofighter nach wie vor für sicherheitspolitisch überflüssig und für unbezahlbar. Und Sie werden, wenn Sie uns nicht nachweisen, daß das Flugzeug wirklich gebraucht wird, und aufzeigen, wie Sie es bezahlen, von uns keine positive Entscheidung bekommen.
Die Abrüstungshilfe für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist von der Bundesregierung um 5 Millionen DM aufgestockt worden. Das ist ein Fortschritt. Gemessen an den Bemühungen anderer westlicher Länder ist es immer noch viel zuwenig.
Ich möchte in dem Zusammenhang auf ein besonderes Problem eingehen: Wir warnen davor, die Lösung für die Beseitigung von waffenfähigem Plutonium in der Umwandlung zu Mischoxidbrennstäben zu suchen. In Deutschland - genauer gesagt: in Hanau - wird so etwas nie genehmigungsfähig und von der Bevölkerung niemals akzeptiert werden. Eine Pilotanlage in Rußland würde langfristig zusätzliches ziviles Plutonium mit immer noch hohem Proliferationsrisiko erzeugen. Gerade wegen dieses Risikos ist einst eine amerikanische Regierung aus der Mischoxidtechnologie ausgestiegen.
Deutschland sollte sich deshalb am Bau eines Sicherheitslagers in Rußland beteiligen. Dann sollte gemeinsam an der Vitrifikation, das heißt an der Einschmelzung in Glas, gearbeitet werden. Der Weg, der heute mit deutscher Unterstützung verfolgt wird, ist abrüstungspolitisch und energiepolitisch eine Sackgasse.
Ich habe die MEKO-Fregatten bereits erwähnt. Der Bundestag hatte zum Haushalt 1995 die Verpflichtungsermächtigungen gesperrt. Der Haushaltsausschuß hat die Mittel jetzt gegen unsere Stimmen freigegeben. Aber die Gründe für eine Sperre gelten nach wie vor: Keine Rüstungshilfe für die Türkei, solange es Spannungen im östlichen Mittelmeer gibt und die Lage der Menschenrechte noch immer nicht den Standards entspricht, die in der Nato auch als Wertegemeinschaft vereinbart worden sind.
Eckart Kuhlwein
Die Bundesregierung, der Bundesaußenminister hat uns immer noch nicht die Frage beantwortet, warum ausgerechnet diese Werfthilfe, die es sein soll, im Haushalt des Auswärtigen Amtes veranschlagt ist. Diese Frage ist immer noch offengeblieben. Sie wird hin- und hergeschoben. Ich bin gespannt darauf, ob bei dieser Werfthilfe die Brüsseler Kommission eines Tages interveniert und sagt, daß sie eigentlich mit dem europäischen Recht nicht vereinbar sei.
Der Vizeweltmeister beim Rüstungsexport hat keinen Grund, durch die Ausfuhr von weiteren Kriegswaffen nach dem Weltmeistertitel zu streben.
Dazu kommt, daß die Türkei jetzt zugeben mußte, daß deutsche Waffen aus der Rüstungshilfe entgegen den Verabredungen auch gegen Kurden im türkischen Inland eingesetzt worden sind. Wahrscheinlich gilt dies auch für die anhaltende völkerrechtswidrige Besetzung des nördlichen Teils von Zypern. Wir würden gern vom Außenminister hören, wie er mit den Brüskierungen umgehen will, nachdem er uns früher erklärt hat, er sei sicher, die Türkei habe die Wahrheit gesagt, als sie behauptete, deutsche Waffen seien nicht gegen Kurden eingesetzt worden. Wir würden gerne hören, ob Sie da etwas zu korrigieren haben.
- Ich habe einen Bericht gelesen, wonach Abgeordneten dieses Hauses, des Verteidigungsausschusses - -
Sie werden das gleich ergänzen können.
Im übrigen habe ich an anderer Stelle auch Informationen, was den Einsatz von deutschen Waffen in Zypern angeht, erhalten.
Meine Damen und Herren, leider kennzeichnen Haushaltstitel wie die MEKO-Subventionen die Einstellung der Koalition zu den Gewichten in der Außenpolitik mehr als die folgenlosen Bemühungen um die Verbesserung der zivilen Instrumente. Bezeichnend dafür ist auch, wie die Koalition mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages umgeht, in Guernica als Geste des Friedens ein Berufsbildungsprojekt zu fördern. Seit 1991 gibt es dazu einen Vertrag zwischen Guernica und seiner Partnerstadt Pforzheim. Gebraucht würden insgesamt 12 Millionen DM, aber die Koalition will nicht. Der Kollege Riedl bezweifelt sogar, ob die Geschichtsschreibung über Guernica 1937 neueren Erkenntnissen standhalten würde. Wer so mit der Geschichte und ihrer Aufarbeitung umgeht, setzt mühsam erworbenes Vertrauen aufs Spiel.
Ich bedaure auch, daß unsere Bemühungen um einen ersten Schritt zu einer deutsch-tschechischen Stiftung für die Opfer des Nationalsozialismus am Widerstand der Koalition gescheitert sind. Das paßt in dieselbe Generallinie, leichtfertig mit der deutschen Geschichte umzugehen.
Zum Schluß möchte ich die Bundesregierung darum bitten, neue Instrumente ziviler Konfliktbewältigung zu entwickeln und zu erproben, wie sie zum Beispiel von der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg angeregt worden sind, die als Mittel einer neuen Politik friedlicher Streitbeilegung einen zivilen Friedensdienst schaffen möchte. Das Forum Ziviler Friedensdienst, das aus dieser Initiative entstanden ist, hat dazu erste Vorschläge vorgelegt, die ich den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung ans Herz legen möchte.
Gerade jetzt, am Beginn des Friedensprozesses im ehemaligen Jugoslawien, brauchen wir viele engagierte und qualifizierte Menschen, die dabei helfen, vor Ort die verfeindeten Gruppen wieder zusammenzuführen. Es stünde unserem Land mit seiner Geschichte gut an, auch solche Wege zu suchen und zu gehen.
Ganz zum Schluß danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für ihre Unterstützung bei der Beratung des Haushalts.
Ich bitte die Kollegen Berichterstatter von der Koalition um bessere Terminabstimmung und mehr Information.
Es gibt für meine Fraktion keine ausreichenden Gründe, dem Haushalt des Auswärtigen Amtes und damit der Politik des Bundesaußenministers, auch wenn wir in manchen Fragen mit ihm übereinstimmen, zuzustimmen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.