Rede von
Kristin
Heyne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer das Dilemma, daß wir als kleine Fraktion viel kürzer reden. Drogenpolitik und Sozialhilfe, ich lasse dies alles heute einmal beiseite und beschränke mich auf den Haushalt,
Der Grundtenor dieser Haushaltsdebatte ist zu Recht das Sparen. Eine weitere Verschuldung ist nicht mehr verantwortbar. Aber Sparen erfordert natürlich eine um so präzisere Schwerpunktsetzung. Einer der Schwerpunkte, über den wir uns noch in den letzten Haushaltsberatungen parteiübergreifend einig waren, ist die Aidshilfe, ist die Aufklärung über die Aidsgefahren.
Kristin Heyne
Sie sind bei diesem Schwerpunkt nicht geblieben. Sie haben die Mittel entgegen Ihren Ankündigungen weiter heruntergefahren und damit die Möglichkeiten geschmälert.
Eine erwiesenermaßen erfolgreiche Maßnahme wird auf niedrigerem Niveau gefahren. Gleichzeitig geben Sie in die Gentechnologie ein Vielfaches der Beträge für die leeren und weitgehend nicht erfüllten Versprechungen.
Die PDS hat noch einmal einen Antrag zur Aufstokkung der Mittel für die Aidshilfe gestellt. Dies ist ein inhaltlich richtiger Antrag. Leider haben Sie sich nicht die Mühe gemacht, eine Gegendeckung zu geben, die im Einzelplan 15 im Bereich der Gentechnikforschung leicht zu machen gewesen wäre. Wir halten das für unsolide. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag enthalten, auch wenn wir ihn inhaltlich unterstützen.
Ein zweiter sensibler Bereich dieses Haushaltes, bei dem meiner Meinung nach nicht mit Augenmaß gespart worden ist, ist eben schon angesprochen worden. Es ist die Überwachung der Blutprodukte. Herr Kollege Sauer, Sie haben das eben so stolz angesprochen. Der Haushaltsplanentwurf sah in diesem Bereich keinerlei Aufstockung des Personals vor. Es hat extra eine Anhörung des Gesundheitsausschusses und eine lange Diskussion unter den Berichterstattern gegeben, in der deutlich geworden ist, daß eine zeitnahe und sichere Überwachung bei den Blutprodukten absolut noch nicht gewährleistet ist.
Dann hat es in den Haushaltsberatungen für die Haushälter eine Änderung gegeben. Gerade als Haushälter der Opposition hat man ja nicht so sehr viel Handlungsspielraum und auch nicht so sehr viele Erfolge. Es hat in dem Sinne eine Änderung gegeben, daß mehr Personal eingestellt werden darf in der Höhe, in der auch höhere Einnahmen zu erwarten sind.
- Na ja, man mußte Sie ein bißchen zum Jagen tragen, wenn man das einmal so sagen darf.
Ich denke aber, daß dies ein wichtiger Erfolg ist, weil hier die Einnahmeseite mit der Ausgabenseite verknüpft worden ist. Das allerdings halte ich für einen wichtigen Schritt heraus aus einer engen Haushaltslogik hin zu einer bezahlten Dienstleistung.
Eigentlich hätte diese Konstruktion von Ihnen, Herr Minister Seehofer, kommen können; denn Sie sind doch eigentlich der Zaubermeister für rationales Wirtschaften im Gesundheitswesen. Der Haushalt Ihres Ministeriums ist durchaus ein lohnendes Feld für
finanzpolitische Reformen. Das ist Ihnen möglicherweise bisher entgangen.
Den 800 Millionen Ausgaben stehen über 70 Millionen Einnahmen gegenüber. Das ist, im Verhältnis gesehen, ein relativ hoher Anteil. Insofern macht es durchaus Sinn, in Teilbereichen eine Soll- und Haben-Rechnung durchzuführen. Ich hoffe, daß die Ausschußentscheidung zum Paul-Ehrlich-Institut ein erster Schritt in die richtige Richtung war.
Zur Soll-und-Haben-Rechnung im Bereich der Gesundheitsreform möchte ich auch noch eine Anmerkung machen. Seit der Wadenbisse des gesundheitspolitischen Sprechers der kleinen Koalitionspartei, der heute wieder nicht hier sein darf, profilieren Sie sich, Herr Minister Seehofer, mit dem Anspruch auf ein solidarisches Gesundheitswesen, das aber gleichzeitig bezahlbar sein soll. Kostendämpfung mit Hilfe einer Positivliste und strukturelle Veränderungen sind das eine; sie sind auch nötig. Die Wurzel des Übels aber scheint mir darin zu liegen, daß wir eine solidarische Gesundheitsversorgung überhaupt noch nicht haben.
Unser Kassensystem sieht vor, daß sich Menschen mit mittlerem Einkommen gegenüber Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen solidarisch verhalten müssen. Die Menschen mit dem höheren Einkommen und die beamteten Staatsdiener aber werden merkwürdigerweise bei der Pflicht zur Solidarität ausgenommen.
Nun haben wir die Situation, daß die Arbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren erheblich gestiegen ist und daß auch die Zahl der Menschen ohne Einkommen oder mit sehr geringem Einkommen immer weiter zunimmt. Damit gelangt die Solidarität der Menschen mit mittlerem Einkommen allmählich an den Rand des Tragbaren. Was liegt jetzt eigentlich näher, als zu sagen: Die Menschen mit höherem Einkommen und der Staat als Arbeitgeber samt seiner Beamten werden endlich in diese Solidaritätspflicht einbezogen?
Herr Minister Seehofer, ich erkenne an, daß Sie sich in den letzten Jahren mit gewichtigen Gruppen auseinandergesetzt haben, auch mit einem gewissen Erfolg. Daß Sie bezüglich der Positivliste eingeknickt sind, ist sehr bedauerlich,
läßt sich aber vielleicht noch korrigieren.
Wenn Sie aber die Trennung zwischen Privatversicherung und Beihilfe auf der einen Seite und gesetzlicher Versicherung auf der anderen Seite nicht angehen, dann wird es zu einer Lösung der jetzt anstehenden Probleme nicht kommen können.
Es ist klar, daß man nicht von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen kann. Als einen ersten möglichen Schritt aber sehen wir die Anhebung der
Kristin Heyne
Pflichtversicherungsgrenze und mittel- bis langfristig eine Angleichung der Privatversicherung an die gesetzliche Versicherung.
Eine Forderung nach Solidarleistungen, die Gutverdienende, den Staat und seine Beamten außen vor läßt, kann auf Dauer nicht glaubwürdig sein. Sie wird ein verläßliches Gesundheitswesen, das wirklich alle absichert, nicht gewährleisten können.