Rede von
Bartholomäus
Kalb
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sie bestätigen damit, daß wir sehr korrekt gearbeitet haben, weil überall dort, wo Rechtsansprüche bestehen, diese auch bedient werden müssen. Insofern war Ihr Beitrag nicht sehr behilflich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Mehrbedarf im wesentlichen auf die Mehranforderungen der neuen Länder zurückzuführen ist. Ich möchte das jetzt nicht nach dem alten Schema abhandeln. Ich denke, wir sollten uns überhaupt und egal, in welcher Region unseres Landes wir beheimatet sind, darum bemühen, daß Vorbehalte, Vorurteile und geistige Hindernisse abgebaut und daß das Neid, Mißgunst und Habgier entspringende unselige Schielen auf die Leistungen für den jeweils anderen Teil unseres Vaterlandes zurückgedrängt werden.
Auch im soeben erwähnten Sinne wird die Landwirtschaft noch einen äußerst schwierigen Diskussionsprozeß durchzumachen haben, der. durchaus noch zu größeren Spannungen innerhalb des Berufsstandes führen kann. Zu groß sind die Unterschiede in den natürlichen Voraussetzungen und strukturellen Gegebenheiten.
Einige wenige Zahlen mögen das verdeutlichen: Die durchschnittliche Größe eines Haupterwerbsbetriebes im Westen beträgt 32,7 Hektar, die durchschnittliche Größe eines von natürlichen Personen bewirtschafteten Betriebes in den neuen Ländern betrug 1994 88 Hektar und die eines von juristischen Personen bewirtschafteten Betriebes 1 138 Hektar. Oder anders ausgedrückt: Betriebe mit 100 Hektar und mehr bewirtschaften im Westen 14 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche, in den neuen Ländern dagegen 94 Prozent.
Aber auch die strukturelle Entwicklung der Landwirtschaft in den alten Ländern verläuft höchst unterschiedlich. Zum einen haben wir es in der Landwirtschaft mit den sogenannten benachteiligten Agrarzonen zu tun, für die es zur standortgebundenen Milch- und Fleischproduktion kaum Alternativen gibt.
Zum anderen beobachten wir sehr wohl die Entwicklung hin zu einer gewerblich orientierten Landwirtschaft, für die auch ein Engagement im benachbarten östlichen Ausland durchaus nichts Ungewöhnliches mehr ist.
Aus all dem können sich Spannungen und Konfliktpotentiale ergeben, die es in Zukunft unabhängig von der EU-Agrarpolitik und der Einflüsse des
Bartholomäus Kalb
GATT bzw. der WTO nicht erleichtern werden, eine gesamtstaatliche Agrarpolitik zu betreiben. Das Leitbild des bäuerlich geführten Familienbetriebs und damit auch ein wesentlicher Orientierungspunkt bisheriger Agrarförderung scheint in Gefahr zu geraten.
Nun ließe es sich leichter zur Tagesordnung übergehen, wenn es sich bei der Landwirtschaft nur um einen Wirtschaftszweig wie jeden anderen handeln würde. Unsere gesamte Gesellschaft muß aber Interesse daran haben, daß die Landwirtschaft auch in Zukunft ihre vielfältigen Leistungen zum Wohle und im Interesse aller bringen kann.
Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung hochwertiger Nahrungsmitttel. Nachwachsende Rohstoffe - ich bin erstaunt darüber, daß jetzt auch die SPD dieses Thema entdeckt - und Energien und vor allem die Erhaltung einer intakten Kulturlandschaft gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung auch und insbesondere in ertragsschwächeren und agrarstrukturell benachteiligten Gebieten wird in Zukunft eine besondere Herausforderung für alle Ebenen der Agrarpolitik darstellen.
Meine Damen und Herren, in der vorigen Woche wurde an der Warenterminbörse in Chicago Weizen mit umgerechnet 25,40 DM je Dezitonne notiert. Diese Notierung liegt erheblich höher als der Interventionspreis für Getreide in der Europäischen Union.
In Großbritannien wird eiweißreicher amerikanischer Weizen derzeit mit Preisen bis zu 37,50 DM je Dezitonne gekauft.
Weltweit gestiegene Nachfrage und weiter steigender Bedarf, schlechtere Ernten und Mißwirtschaft in verschiedenen Regionen der Erde sowie nicht zuletzt die Politik des Überschußabbaus in der Europäischen Union sind ganz offensichtlich die Gründe für die Preisentwicklung auf dem sogenannten Weltmarkt. Aus der Sicht der Land- und Agrarwirtschaft insgesamt handelt es sich hier sicherlich um eine sehr begrüßenswerte Tendenz. Ob diese allerdings anhalten wird, ist natürlich sehr fraglich.
Diese Entwicklung zeigt aber auch etwas völlig anderes. Seit vielen Jahren hat sich in unserer Gesellschaft bei unseren Verbrauchern der Glaube verfestigt, Nahrungsmittel würden stets in ausreichendem Maße, ja sogar im Überfluß zu immer weiter sinkenden Preisen zur Verfügung stehen. Eine Trendumkehr ist und war für viele völlig unvorstellbar.
Die aktuelle Entwicklung auf dem Weltmarkt zeigt aber auch, daß es durchaus keine so absolute Selbstverständlichkeit ist, stets ausreichend mit hochwertigen und preisgünstigen Nahrungsmitteln versorgt zu werden. Und es zeigt einmal mehr: Weder unsere
Landwirtschaft noch unsere Verbraucher können und dürfen den Wirrnissen und Turbulenzen des Weltmarktes schutzlos ausgesetzt werden.
Das würde auch volkswirtschaftlich ein unkalkulierbares Risiko darstellen. Im übrigen sind die meisten und größten Teile der Agrarmärkte nach wie vor reguliert, so daß im wesentlichen nur die Überschüsse auf den sogenannten Weltmarkt gelangen, der aber in Wirklichkeit eher einem Spotmarkt gleicht. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir und auch unsere Verbraucher und Steuerzahler diesen Aspekt bei der Beurteilung der nationalen und europäischen Aufwendungen für die Agrarpolitik berücksichtigen.
So wie Agrarpolitik eine Politik nicht nur zugunsten der Landwirtschaft, sondern eine Politik für die ländlichen Räume insgesamt ist, so wirken auch andere Politikbereiche unmittelbar oder zumindest mittelbar auf die Landwirtschaft. Umweltpolitik und Baurecht zum Beispiel haben meines Erachtens eine mindestens ebenso starke Wirkung auf die Landwirtschaft wie Agrarpolitik im engeren Sinne. Eine sehr positive Auswirkung auf die Landwirtschaft ergibt sich aus der Steuerpolitik, was nicht, unbedingt so üblich ist.
Das Jahressteuergesetz sieht eine Erhöhung des Freibetrages bei der Veräußerung oder Aufgabe kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe von 90 000 auf 150 000 DM vor. Die Freibeträge bei Grundstücksverkäufen zur Abfindung weichender Erben in Höhe von 120 000 DM und zur Tilgung von Altschulden in Höhe von 90 000 DM bleiben weiter erhalten. Zudem wurden die Einkommensgrenzen für die Inanspruchnahme dieser Freibeträge erheblich erhöht bzw. verdoppelt.
Diese Regelungen nehmen, wie ich meine, in besonderer Weise Rücksicht auf die vom Strukturwandel unausweichlich und besonders hart getroffenen kleineren landwirtschaftlichen Betriebe und auf die besonders schwierige soziale Lage dieser Familien. Es ist oft der größte Wunsch der Eltern, nach einem entbehrungsreichen Berufs- und Arbeitsleben den Kindern etwas geben zu können und nicht Schulden hinterlassen zu müssen.
Ich danke hier den Verhandlungsführern der Koalition und insbesondere Bundesfinanzminister Dr. Waigel und Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser, der uns leider in wenigen Tagen verlassen wird, daß dieser Punkt sicher über alle Verhandlungsrunden zum Jahressteuergesetz gebracht werden konnte. Ebenso Dank an Hansgeorg Hauser, dem ich zu seiner neuen Aufgabe herzlich gratuliere. Ich bin sicher, daß wir mit ihm auch in dieser neuen Aufgabe eine ausgezeichnete Zusammenarbeit haben werden.
Einen Punkt, der sich nicht im Zahlenwerk des Agraretats wiederfindet, will ich noch kurz ansprechen, nämlich den Währungsausgleich. Zunächst ist Agrarminister Jochen Borchert besonders dafür zu
Bartholomäus Kalb
danken, daß es ihm gelungen ist, entgegen den ursprünglichen Brüsseler Plänen die Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichsbeträge zu sichern und die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen durchzusetzen.
Dabei geht es nicht, wie fälschlicherweise oftmals behauptet wird, um den Ausgleich von Folgen allgemeiner Währungsverschiebungen, obwohl die Landwirtschaft in den süddeutschen Regionen, insbesondere Milch- und Rindfleischerzeuger, besonders hart getroffen wurde, sondern um den Ausgleich der Veränderungen im agrarmonetären System. Im übrigen kann man es der Landwirtschaft nicht übelnehmen, einen Ausgleich für wechselkursbedingte Nachteile zu fordern, wenn dies zeitweise hochgebildete Nationalökonomen auf den Chefsesseln nicht unbedeutender deutscher Unternehmen ebenso getan haben.
Es besteht für mich kein Zweifel, daß die Gewährung des Ausgleichs mittels Erhöhung der Vorsteuerpauschale die vernünftigste Lösung wäre. Es gibt kaum ein anderes Instrument, das geeignet wäre, mit vertretbarem Aufwand die Ausgleichsbeträge zielgerichtet einzusetzen.
Ich weiß, daß die Bundesminister Borchert und Waigel bei den europäischen Kollegen mit allem Nachdruck um eine Zustimmung zur Vorsteuerregelung werben, wobei hier der Finanzminister ganz offensichtlich den schwierigsten Part zu spielen hat. Es ist sicher nicht zu verkennen, daß schwierige Sitzungen und Beratungen bevorstehen und noch nicht endgültig entschieden ist.
Für diesen außerordentlichen Einsatz möchte ich jedenfalls Theo Waigel und Jochen Borchert im Namen unserer Fraktion sehr herzlich danken.
- Ja, lieber Kollege Weng, nachdem sogar Frau Kollegin Janz festgestellt hat, daß sie den Minister zumindest einmal in ihrer Rede loben müßte, muß ich das zumindest zwei- bis dreimal tun; denn sonst würden hier ja Fragen zu meiner Regierungstreue laut.