Rede von
Ilse
Janz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten scheint in diesem Hause, jedenfalls auf seiten der Regierungskoalition, kein besonders großes Interesse zu finden.
- Sie verlassen ja alle den Saal.
Der Etat für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sinkt 1996 um 433 Millionen DM auf 12,13 Milliarden DM. Das macht ein erneutes Minus von 3,4 Prozent aus und stellt die deutsche Landwirtschaft vor weitere Probleme. Daß diese Probleme nicht nur von uns so gesehen werden, macht der Brief des Deutschen Bauernverbandes an den Bundeskanzler im Vorfeld der Haushaltsberatungen deutlich.
Ich will auch in dieser Haushaltsrede noch einmal auf eine Reform der EU-Agrarpolitik eingehen. Denn für uns Sozialdemokraten ist dies der Dreh- und Angelpunkt für jede zukünftige Landwirtschaftspolitik in der Gemeinschaft.
Es gab im August dieses Jahres eine kurze Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und dem Deutschen Bauernverband über die Auswirkungen der Reform von 1992. Ich bin zwar der Ansicht, daß es verfrüht ist, vor Ablauf der dritten Phase bereits über die dann vorliegenden Ergebnisse zu diskutieren. Doch einige Bemerkungen des DIW sind für uns Sozialdemokraten nicht von der Hand zu weisen.
Ziel der Politik muß es doch sein, auf absehbare Zeit eine Kostensenkung im gemeinsamen Agrarbereich zu bekommen.
Davon sind wir allerdings weit entfernt. Zwar wird immer wieder über den hohen Subventionsbedarf in der Landwirtschaft diskutiert. Aber Lamentieren allein nützt nichts. Es müssen hier auch Änderungen in der EU-Konzeption her.
Darüber hinaus ist es nach Auffassung der Sozialdemokraten richtig, wenn das DIW bedauert, daß nicht auch gleichzeitig ein Konzept realisiert worden ist, das die Agrarpolitik noch mehr mit Umwelt- und Naturschutz verbindet.
Diese Punkte, Herr Minister Borchert, müßten doch eigentlich auch Ihr Ziel sein. Jedenfalls erklärten Sie es zu Ihrem Amtsantritt ähnlich. Da dies aber nun schon 1993 gewesen ist und Sie es vielleicht vergessen haben, wollen wir Sie noch einmal darauf hinweisen. Denn vergeßlich sind wir nicht.
Wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, daß diese Vorstellungen in Brüssel endlich umgesetzt werden.
Leider gibt es Themen, die wir immer, auch in diesem Herbst, wiederholen müssen. Ich nenne das Stichwort Währungsausgleich. Was ist Ihnen da nicht alles an erstaunlichen Bemerkungen zu den Vorhaltungen von unserer Seite eingefallen! Fakt bleibt: Wir hatten recht. Jetzt gibt es die Währungsänderung. Sicher, wir haben nun wieder verläßliche Planungsunterlagen, und zwar bis zur Installierung fester Wechselkurse. Die DM-Auszahlung ist auch als Erfolg für Sie zu werten, Herr Minister. Sie wissen, in jeder meiner Reden muß ich Sie an irgendeiner Stelle einmal loben.
Aber Sie müssen in Brüssel weiter über den Ausgleich verhandeln. Die Summen, die gezahlt werden müssen, liegen jetzt fest. 820 Millionen DM können insgesamt an die betroffenen Landwirte ausgezahlt werden. Dieser Betrag ist zu halbieren. Denn die EU trägt lediglich eine Summe von 410 Millionen DM. Die andere Hälfte kann oder muß national ausgeglichen werden. Das sind für 1995 207 Millionen DM, ein Betrag, Herr Minister, den Sie den Landwirten ja auch bereits auf ihrem Bauerntag im Juli dieses Jahres versprochen haben. Dazu kommt noch ein Ausgleich für 1996 in Höhe von zirka 135 Millionen DM, also insgesamt 342 Millionen DM, für die Sie bisher keine Finanzierungsmöglichkeit aus dem Haushalt haben. Woher wollen Sie diese Mittel nehmen, Herr Minister? Der so abgespeckte Einzelplan 10 gibt nach Auffassung der Sozialdemokraten nichts mehr her.
Die Bauerndemonstration in der letzten Woche hier in Bonn muß doch auch Ihnen klargemacht haben, wie ernst es diesen Betroffenen ist. Denn die Landwirte und ihr Verband beklagen ja nicht nur diese Beträge, sie haben Verluste in Höhe von 1,8 Milliarden DM errechnet. Ich bin sicher: In dieser Frage wird Ihnen und den Koalitionsfraktionen noch, wie wir an der Küste sagen, ein scharfer Wind ins Gesicht wehen.
Ilse Janz
Die Forderung, die Beihilfen über die unbürokratische Vorsteuerpauschale zu regeln, wurde abgelehnt. Sie, Herr Minister Borchert, haben angekündigt, weitere Versuche in Brüssel zu unternehmen. Ich rate: Sichern Sie erst einmal eine Möglichkeit für die Zahlung an die betroffenen Landwirte jetzt! Die Möglichkeit, daß eine Vorsteuerlösung in Brüssel weiterhin abgelehnt wird, ist doch sehr groß.
Natürlich haben Sie die Pflicht, weiter zu verhandeln. Wir erwarten auch von Ihnen, daß Sie sich durchsetzen. Aber um den Landwirten schnelle Hilfen gewährleisten zu können, sind im Ablehnungsfall auch Alternativen nötig, die Sie jetzt erarbeiten müssen. Wir wollen von Ihnen wissen, woher Sie dann das Geld nehmen.
Es erstaunt uns Sozialdemokraten auch immer wieder, daß Punkte, die in erkennbarer Weise anders geregelt werden könnten, von Ihnen bzw. Ihrem Ministerium oder der Regierungskoalition abgelehnt werden. Es hat den Anschein, daß Sie später auf diese Ideen kommen. Aber wenn wir diese schon vorher haben, scheint allein diese Tatsache ein Grund für die Ablehnung zu sein. Ich empfinde das wirklich nicht als eine politische Ablehnung. Auch da sollten Sie langsam einmal umdenken.
Ich will ein Stichwort nennen, bei dem Sie schon längst hätten umdenken müssen: FELEG, Gesetz zur Förderung der Einstellung landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit. Für uns ist es schon fast ein Stück aus dem Tollhaus, wie das Ministerium hier geschätzt hat. Erst hieß es, für 1995 seien zirka 2 000 Fälle zu erwarten. Daß diese Zahl wesentlich zu niedrig angenommen war, ließ sich sofort erkennen.
Auf meinen Einwand im Berichterstattergespräch für den Haushalt 1995, daß das Jahr schließlich noch nicht zu Ende sei und Anträge noch gestellt werden könnten und würden, erhielt ich - um es einmal so auszudrücken - ein mildes Lächeln. Die Koalitionsfraktionen lehnten natürlich auch unseren Antrag im Haushaltsausschuß ab. Im Berichterstattergespräch für den Haushalt 1996 wurde dieser Punkt erneut von mir angesprochen, da inzwischen bekannt war, daß mehr als 7 000 Anträge vorlagen. Allerdings war das Ergebnis wiederum ein mildes Lächeln.
Nur, meine Damen und Herren aus der Regierungskoalition, dieses Lächeln ist Ihnen dann irgendwann vergangen. Denn vor der Bereinigungssitzung fiel jemandem im Ministerium, der Regierungskoalition oder wem auch immer ein, daß das mit den Zahlen im Haushaltsentwurf nicht ganz stimmen kann.
Ergebnis: Es wurde schnell ein Antrag vorgelegt. Statt der im Entwurf vorgesehenen 221 Millionen DM waren es nun auf einmal 120 Millionen DM mehr; das ist eine Aufstockung von mehr als 50 Prozent.
Nun wollen wir aber auch feststellen, daß die Anmeldefrist erst zum 31. Dezember 1996 ausläuft. Da sind wir doch alle sehr gespannt, was uns wohl der Haushalt 1997 bescheren wird. Ordnungsgemäße Haushaltsaufstellung kann ich dies nicht nennen. Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit - wo denn?
Nun zu einem anderen Punkt, der auch die neuen Bundesländer betrifft, den Altschulden in der Landwirtschaft. Hierzu hat es eine Anhörung im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegeben. Bereits im Juni dieses Jahres haben wir als Sozialdemokraten festgestellt, daß eine Verlängerung des Veräußerungstermins von nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten dringend erforderlich ist.
Nur durch eine Verlängerung des Termins, der zum 31. Dezember 1995 ausläuft, ist eine Verschleuderung des noch vorhandenen betrieblichen Vermögens zu verhindern. Sie, die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung, haben dazu allerdings bei der Beratung im Haushaltsausschuß festgestellt: Die Altschuldenregelung ist äußerst günstig und hat ihr Ziel erreicht.
- Wir waren da. Du mußt nicht immer zwischendurch schlafen.
Agrarpolitisch ist die bestehende Altschuldenregelung zur Stabilisierung der finanzwirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen ausreichend. Eine Verbesserung würde eine Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der Landwirte bedeuten, die Zins- und Kapitaldienst laufend aus ihren Einnahmen leisten.
Was hat denn aber diese Expertenanhörung, die es gegeben hat, dazu erbracht? Altschulden aus DDRZeiten sind nie vergleichbar mit denen in einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Wohl wahr!
Die Experten appellierten an die Bundesregierung und an das Parlament, eine Überprüfung der Altschulden in der Landwirtschaft der neuen Länder vorzunehmen. Und sie stellten fest, daß viele Betriebe bei der jetzigen Altschuldenregelung nicht in der Lage seien, die Schuldenlast zu tilgen. Denn gleichzeitig wachsen die Schulden durch die Verzinsung mit dem Fibor-Satz immer weiter.
Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und F.D.P., nicht endlich in die richtige Richtung bewegen, werden erneut Arbeitsplätze in
Ilse Janz
der Landwirtschaft gefährdet, ist der Abbau von Tierbeständen vorprogrammiert.
Also verlängern Sie zum Beispiel die bisherige Frist für den Termin der Veräußerung der nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerte! Denn die Beibehaltung der Verpflichtung zum Verkauf bis zum Ende des Jahres und im übrigen die Sanktionsregelungen ab 1996 würden sich für viele Betriebe verhängnisvoll auswirken. Experten und Bauernverband teilen diese Auffassung. Sie folgen doch sonst immer dem Bauernverband. Tun Sie das auch in dieser Frage!
Außerdem sollten Sie auch unserem Antrag auf eine weitergehende Regelung bezüglich nicht rentierlicher Altschulden folgen. Ich finde, es kann einfach nicht angehen, daß Sie, wie das Kaninchen auf die Schlange, auf das Bundesverfassungsgericht starren und abwarten, wie die dort anhängigen Verfahren ausgehen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dann ist da noch das Rahmenkonzept für die Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des BML,
erstaunlicherweise vorab den Berichterstattern zur Haushaltsberatung 1996 zugestellt, obgleich dies doch ein Entwurf sein sollte. Oder etwa nicht?
Weshalb bekamen denn zuerst die Haushälter dieses Papier mit dem Hinweis auf die Haushaltsberatungen 1996?
Die Mitglieder des zuständigen Ausschusses erhielten dieses Papier jedenfalls erst einige Zeit später.
Dieser Entwurf sieht einen erheblichen Stellenabbau vor. Aber der Personalrat wurde nicht beteiligt - für uns Sozialdemokraten eine unmögliche Vorgehensweise.
Es ist mir immer noch unverständlich, wie so gearbeitet werden konnte.
Es ist uns Sozialdemokraten schon klar, daß es bei der Überprüfung der Ausgaben aller Bereiche des Bundes keine Tabus geben darf. Auch die Ressortforschung des BML darf davon nicht ausgenommen werden. Aber gerade die Forschung trägt doch zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Landwirtschaft bei. Deshalb muß in diesem Bericht besonders sorgfältig und sensibel geprüft werden. Es ist mir zu schlicht, lediglich festzustellen: Von 55 Instituten bleiben 23 übrig; die anderen werden geschlossen, und zirka 1 100 Stellen müssen abgebaut werden.
Allein diese Zahlen machen doch deutlich, wie massiv der Einschnitt sein soll. Deshalb kann es nur dann zu vernünftigen Ergebnissen, die in die Zukunft gerichtet sind und keinen Scherbenhaufen hinterlassen, kommen, wenn die einzelnen Institute genau durchleuchtet werden und wenn die Bundesregierung bzw. das Ministerium für sich feststellt, auf welche Forschungsbereiche es verzichten will und wo Prioritäten gesetzt werden. Dazu bedarf es dann genauer Begründungen. Ich bin zur Zeit dabei, diese Einrichtungen zu besuchen, um mir vor Ort ein konkretes Bild zu machen. Nur so, scheint mir, ist eine Entscheidung zu verantworten.
Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie in ihre Beratungen auch die veränderten agrar- und ernährungspolitischen Rahmenbedingungen und die Umweltschutzanforderungen einbezieht. Es müssen die sich wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen an die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft beachtet werden. Ich nenne da als Stichwort den Verbraucherschutz.
Natürlich muß ein solches Konzept auch unseren ländlichen Raum als Lebens-, Arbeits-, Erholungs- und Naturraum beinhalten. Sie müssen die Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern betrachten. Die Zukunftschancen der jungen Menschen müssen beachtet werden.
Ich kann mir im übrigen kein Konzept vorstellen, nach dem an einem Standort alles plattgemacht wird und dafür an einem anderen Standort mit hohen Kosten neu aufgebaut wird.
Aber das ist in dem Papier schon enthalten. Eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsberechnung gehört ebenso dazu wie eine personalwirtschaftliche Konzeption.
Warum lassen Sie nicht einmal neue Ideen erforschen, zum Beispiel Rapsdiesel für die Binnenschifffahrt? Das wäre ein Weg in die Zukunft.
Ich denke, Herr Minister, ich habe Ihnen jetzt gute Vorschläge von unserer Seite gemacht. Ich bin gespannt, ob Sie diese beherzigen. Allerdings habe ich nicht die Hoffnung, daß Sie vernünftige Vorschläge mit in Ihre Planungen aufnehmen. Aber ich sage Ihnen jetzt schon: Wenn Sie kein vernünftiges Konzept vorlegen, wird es keine Zustimmung von seiten der SPD geben.
Ilse Janz
- Es irritiert mich nicht, wenn Sie dauernd dazwischenreden. Machen Sie ruhig weiter!
Zum Schluß ein Thema, das die F.D.P. mit Vehemenz betreibt: die private Bereederung des Fischereiforschungsschiffes Walther Herwig. Ein alter Zopf. Angeblich - so der F.D.P.-Sprecher im Haushaltsausschuß - sind sich die Regierungskoalitionen nun einig.
Das werden wir noch feststellen.
Wie ist der Fakt? Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, daß das BML bei der Bewertung der im Jahr 1994 durchgeführten Ausschreibung korrekt vorgegangen ist. Aus dieser Ausschreibung war kein Kostenvorteil bei einer privaten Bereederung erkennbar. Ich kann nach genauer Durchsicht der Unterlagen auch keinen Vorteil feststellen.
Statt Lobbyismus zu betreiben, liebe F.D.P., gehören Fakten auf den Tisch. Die nationale Aufgabe der Forschung und der Kostenvorteil für das BML lassen für uns einen anderen Weg nicht erkennen. Wir werden jedenfalls der F.D.P. in diesem Punkt nicht folgen. Wenn Privatisierung unsinnig ist, bleibt sie unsinnig. Sie wird auch durch politische Rechthaberei der F.D.P. nicht besser.
Einige Punkte sind von mir nicht angesprochen worden, zum Beispiel das Problem der Milchquote oder die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz", bei der erneut um 40 Millionen DM gekürzt wurde. Dafür ist, meine ich, die Beratungszeit im Plenum auch viel zu kurz. Wir haben aber in den Ausschüssen ausführlich beraten.
Die Schlußfolgerung, die wir aus einem Haushalt ziehen, der so viele Unwägbarkeiten enthält wie dieser, ist natürlich völlig klar: Ihm ist nicht zuzustimmen. Das wird Sie hoffentlich nicht wundern. Wir lehnen den Einzelplan 10 ab.
- Zum Fisch habt ihr einen Experten. Der ist ja Ausschußvorsitzender.