Nein, wir sind mit der Zeit schon im Rückstand. Ich möchte gerne weitermachen. Herzlichen Dank.
Die Finanzpolitik unseres Landes ist auf allen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - dadurch gekennzeichnet, daß die Finanzierungsdefizite der öffentlichen Haushalte immer noch steigen. Waren es im Jahre 1990 94,4 Milliarden DM, so sind es für das Jahr 1996 115,5 Milliarden DM. Diese Beträge werden durch eine hohe - von vielen als zu hoch empfundene - Steuerquote erbracht, und die Steuereinnahmen reichen nicht aus, um alle getätigten Ausgaben zu decken. Die Haushalte auf allen Ebenen müssen Schulden aufnehmen, um die Ausgaben zu dekken.
Eine Erhöhung von Steuern würde die Wirtschaftskraft unseres Landes deutlich schwächen. Die sehr hohe Verschuldung der öffentlichen Hände weiter voranzutreiben hätte Rückwirkungen auf die Zinsen. Es bleibt nur der Weg, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und die Staatsausgaben einzuschränken. Dieser Einsicht kann sich auch in den nächsten Jahren niemand entziehen. Alles Gejammere hilft nicht.
Die Finanzpolitik des Bundes trägt den Erfordernissen der aktuellen politischen Problemlagen Rechnung. Unser Haushalt für 1996 ist erstmals niedriger als sein Vorgänger. Zwar ist das Volumen „nur" um 1,4 Prozent abgesenkt, aber immerhin abgesenkt. Es ist deutlich gespart worden, und das soll auch herausgestellt werden.
Aber - und das bleibt anzumerken - viel schlimmer ist die Tatsache, daß sich nahezu alle Länder und viele Gemeinden dieser Konsolidierungspolitik kaum oder überhaupt nicht unterwerfen. Was hilft es, wenn die Sparanstrengungen des Bundes dazu führen, daß wir den geänderten Verhältnissen Rechnung tragen, wenn gleichzeitig die Länder und Gemeinden so tun, als ob die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sie nichts angehe und sich, aus welchen Gründen auch immer, vor notwendigen Konsolidierungen drücken?
Insgesamt ist aber die gesamte finanzpolitische Situation unseres Landes so, daß Bund und Länder zusammen soeben die Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllen. Die Aussichten für das nächste Jahr lassen das Erreichen dieser Zielmarke aber schon als problematisch erscheinen. Insofern ist es zu begrüßen, Herr Finanzminister, daß Sie Länder und Gemeinden zu Gesprächen und Vereinbarungen über einen Stabilitätspakt aufgerufen haben.
Nun ist es allerdings erstaunlich, daß gerade diejenigen Länder, die sich den Konsolidierungsnotwendigkeiten in ihrer Haushalts- und Finanzpolitik am wenigsten stellen, mit erstaunlichen Forderungen an die Öffentlichkeit treten. Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder und sein Kollege Lafontaine haben in den letzten Wochen deutlich gemacht, daß sie die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion mit den Stabilitätskriterien, die bekannt sind, nicht wollen, weil sie Nachteile für Deutschland fürchten.
Wilfried Seibel
Sie präsentieren sich nun als Wahrer und Hüter der Stabilität. Da kommt wahrhaft Freude auf!
Dem Vergessen soll entrissen werden, daß der Bund das Saarland mit 11 Milliarden DM vor dem Konkurs bewahrt hat. Es soll der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden, daß der Länderanteil an der Kokskohleförderung vom Saarland nicht aufgebracht werden kann. Den Eigenanteil haben die Saar-Bergwerke erbracht, die bekanntlich zu 75 Prozent dem Bund gehören. Also, auf versteckten Wegen ist es dem Saarland erneut gelungen, eine große Bundeshilfe zu kassieren. Was den Herrn Ministerpräsidenten Lafontaine angeht, so ist sein Verhalten, öffentlich etwas einzufordern, was er selbst nicht leisten kann, ja schon notorisch.
Ganz besonders pikant wird es, wenn sich Ministerpräsident Schröder, der wirtschaftspolitische Shooting-Star der SPD, - mit wechselnden Abberufungen und Neuberufungen durch seinen Parteivorsitzenden Scharping - plötzlich zum Hüter der Stabilität aufschwingt. Das, was Niedersachsen finanzpolitisch vorführt, ist in der Tat schlimm. Die Neuverschuldung des Landes hat eine Größenordnung erreicht, die die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts von Niedersachsen vor dem Staatsgerichtshof in Bükkeburg überprüfen lassen muß.
Es ist ein Glück, daß Europas Staats- und Machtstrukturen das Mittelalter überwunden haben. Würden diese Machtstrukturen noch gelten und säße Kaiser Karl in Brüssel und hätte als Regierungsmaßstab die Stabilitätskriterien von Maastricht verkündet, so würde er das Land Niedersachsen und auch das Saarland aus dem Staatenverbund seines Kaiserreichs Europa entfernen lassen, und der Papst würde noch obendrein den Bann für Herrn Schröder aussprechen.
Derjenige macht glaubwürdig Politik, der zuerst zu Hause beginnt, seine Verhältnisse in Ordnung zu bringen, und sich nicht zum nationalen Retter für Stabilität der Geldwährung anbietet, wenn er dafür nicht einmal im eigenen Land die Voraussetzungen schaffen kann.
Die Aktionen der beiden Herren Schröder und Lafontaine und auch der nacheilende Gehorsam des Herrn Kollegen Scharping haben nichts anderes zum Inhalt, als mit einer großangelegten Heuchelei Ängste und Unsicherheiten bei der Bevölkerung zu schüren, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.
Man stelle sich einmal vor, an einem trüben Novembertag wie dem heutigen trifft Gerhard Schröder Theo Waigel und bittet ihn, mit ihm gemeinsam in ein Sonnenstudio zu gehen. Dann müßte der Theo Waigel dem Herrn Schröder 10 DM leihen, damit er sich turbobräunen lassen kann. Nachdem dies erfolgt ist und Gerhard Schröder im schönsten Sonnenbraun
vor die Öffentlichkeit tritt, erklärt er dann, diese seine Bräune, die er auf Pump erworben hat, sei Ausdruck der gesunden Lebensweise, die er praktiziere und die er nunmehr zum Regierungsmaßstab machen wolle.
Meine Damen und Herren, die europäische Diskussion verlangt Ernsthaftigkeit und Seriosität. Wir haben vor wenigen Wochen erlebt, daß eine Bemerkung aus unserem Land erhebliche Auswirkungen auf den Wert der italienischen Lira gehabt hat. Das, was die Herren Lafontaine, Schröder und auch Scharping im Moment an Währungs- und Wirtschaftsdiskussion anzetteln, ist geeignet, die Währungsverhältnisse im restlichen Europa in erhebliche Unordnung zu bringen und Aggressionen auf Deutschland zu lenken.
Hier machen sich Politiker auf, um ihres eigenen - vermeintlichen, nicht einmal sicheren - Vorteils willen mit anderen Völkern und deren Währungen Schicksal zu spielen. Ich denke, es ist an der Zeit, daß sich die SPD aufrafft, um diesem Irrsinn ein schnelles Ende zu bereiten.
Auch dazu sollte unsere Haushaltsdebatte dienen, und ich hoffe, daß diese Aufforderung, der sich sicherlich viele Kollegen hier im Hause, auch in den Reihen der SPD, anschließen können, nicht ungehört verstreicht.
Ich erinnere daran, daß der Kollege Norbert Wieczorek in einer Sondersitzung des Finanz- und des Europaausschusses vor wenigen Wochen angeboten hat, für die Folgekonferenz des Jahres 1996 - wie auch schon bei der Wirtschafts- und Währungsunion im Maastricht-I-Vertrag - eine gemeinsame Entschließung aller Parteien im Bundestag zu erarbeiten. Ich hoffe, die Vernunft des Norbert Wieczorek und anderer Kolleginnen und Kollegen in der SPD setzt sich durch, um auch dem unverantwortlichen Gerede des sonnenbankgebräunten Gerhard Schröder ein Ende zu bereiten.
Zusammengefaßt läßt sich folgendes sagen: Der Bundeshaushalt marschiert in die richtige Richtung. Er wird den Notwendigkeiten der aktuellen Situation gerecht. Aber - das bleibt ebenso deutlich anzumerken - es ist nur das Beschreiten des richtigen Weges. Wir werden in den nächsten Jahren viel deutlicher, als es der Bundeshaushalt 1996 tut, über aktuelle Probleme der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik Beschlüsse fassen müssen, die zu deutlicheren Konsolidierungen und zu deutlicheren Einsparungen im Haushalt führen. Die Förderung der Wirtschaft muß geändert werden, der Umbau des Sozialstaats muß vorangehen, und alledem muß Finanzpolitik in den nächsten Jahren durch verstärkte Konsolidierungsanstrengungen Rechnung tragen.