Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Frau Jaffke, Sie haben der Koalition mit der Rede, die Sie gerade gehalten haben, keinen sehr großen Gefallen getan. Bei aller Kollegialität, die im Haushaltsausschuß herrscht, denke ich: Wir sind nun einmal Opposition.
- Noch! Vielleicht ändert sich das einmal.
Herr Waigel, Sie haben in Ihrer Rede die positive wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern als Grundlage für die Entscheidung angeführt, daß die Förderkulisse zurückgefahren werden kann. Wenn man sich einmal das Herbstgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute ansieht, dann stellt man fest: Sie warnen davor, daß allein aus der Tatsache, daß die wirtschaftliche Entwicklung auf die Schiene gesetzt ist, der Trugschluß abgeleitet
werden könne: Nun kann man die Förderkulisse massiv zurückfahren.
Wenn wir uns die Zahlen von 1993, 1994 und 1995 ansehen, dann erweist sich: Das sind erschreckende Zahlen. Die Transferleistungen von 1993 zu 1994 sind um 200 Millionen DM zurückgegangen. Die Transferleistungen von 1994 zu 1995 sind schon um 3,2 Milliarden DM zurückgegangen, und die Transferleistungen von 1995 zu 1996 - da gibt es unterschiedliche Berechnungen, aber ich stütze mich auf eine Berechnung des Kollegen Kolbe - um 21,7 Milliarden DM.
Das sind erschreckende Zahlen. Denn letztlich wird eine Stabilisierung des wirtschaftlichen Aufbauprozesses mit solchen Rückführungsraten mit Sicherheit nicht erreicht werden.
Wir haben 1990 schon einmal Illusionen geweckt. Ich glaube, es ist nicht redlich, zum jetzigen Zeitpunkt, 1995, schon wieder von illusionären Vorstellungen auszugehen, die letztlich nicht haltbar sind. Ich möchte einen Absatz aus einem Papier zitieren:
Osten trägt Konsolidierungslast des Bundeshaushalts 1996. Die östlichen Bundesländer tragen die Hauptlast der Konsolidierung des Haushaltes 1996. 12 Milliarden DM Steuerentlastung beim Bund, 8 Milliarden DM Aufwand für die Steinkohlenverstromung nach dem Wegfall des Kohlepfennigs und 6 Milliarden DM für die zweite Stufe der Bahnreform werden im wesentlichen durch Einsparungen in den östlichen Bundesländern in Höhe von 21,7 Milliarden DM finanziert. Nachdem Bundesfinanzminister Theo Waigel jahrelang die Transferleistungen des Bundes übertrieben dargestellt hat, wäre es ein Gebot der Redlichkeit, jetzt auch einmal diesen Konsolidierungsbeitrag des Ostens wenigstens zu erwähnen.
Damit könnten auch einige Gräben wieder zugeschüttet werden, die die bösartige Verschwendungskampagne zu Jahresanfang 1995 in Deutschland aufgerissen hat.
Das war keine sozialdemokratische Presseerklärung, sondern ein Papier vom Kollegen Kolbe.
Wenn man sich einmal diese Zahlen und dann die Bemühungen der Al geordneten aus dem Osten in der Regierungskoalition ansieht, dann stellt man fest: Fernwärmesanierung - ausgelaufén. Bei der Innovationsförderung sind wenigstens noch mal 60 Millionen DM draufgelegt worden, aber zu Lasten der GA Ost. Also, was die eine Hand gegeben hat, hat die andere genommen. 500 Millionen DM - jetzt 550 Millionen DM - beträgt die Rückführung der GA Ost.
All diese am Anfang des Bundeshaushalts eingebrachten Positionen konnten Sie nicht durchsetzen.
Manfred Hampel
Wenn die Interessen des Ostens in diesem Maße negiert und nicht beachtet werden, dann sollten Sie so viel Mut haben, diesem Bundeshaushalt einfach nicht zuzustimmen. Beweisen Sie doch einmal Ihren Wählern vor Ort, daß Sie für ihre Interessen eintreten, aber nicht nur dadurch, daß Sie in Wahlkampfveranstaltungen oder in Versammlungen zu Hause im Wahlkreis reden, sondern dadurch daß Sie die Erklärungen, die Sie dort abgeben, hier im Bundestag durchsetzen und umsetzen.
Eine weitere Bemerkung zu dem Kapitel 0820, Treuhandnachfolge. Es ist richtig: Wir haben uns sehr intensiv für die Aufstockung der Maßnahmen nach § 249h MG eingesetzt, leider erfolglos. Denn die jetzt zugesagten 100 Millionen DM von der BVS sind lediglich ein Vorziehen aus dem Jahr 1997 in das Jahr 1996. Das wird den Arbeitsmarkt zwar kurzfristig entlasten, aber nicht in dem Maß, in dem es notwendig wäre. Maßnahmen nach § 249h AfG wurden im vergangenen Jahr, also in diesem Jahr, in einer Größenordnung von über 30 000 in den neuen Bundesländern durchgeführt. Durch die Rückführung der Mittel bleiben, wenn es hoch kommt, noch 11 000 bis 14 000 übrig. Das ist eine dramatische Entwicklung, vor allem eine dramatische Entwicklung in einem Land wie Sachsen-Anhalt, das in einem besonders hohem Maße von Arbeitslosigkeit gebeutelt ist.
Ein anderer Punkt im Zusammenhang mit den Beratungen des Haushaltes, Kapitel 0820: Es gibt eine Beschlußvorlage, die in der Arbeitsgruppe Aufbau Ost im Zusammenhang mit der BVS erarbeitet worden ist und der wir auch zugestimmt haben. In dieser Beschlußvorlage wird davon gesprochen, daß die BVS im Bereich der Restchemie keine neuen Privatisierungsbemühungen bzw. -projekte durchführt. So weit, so gut, auf die BVS bezogen; denn nicht die BVS, sondern die BMGB ist der eigentliche Nachfolger für den industriellen Bereich. Wenn es Privatisierungsbemühungen gibt, dann müssen sie im Geschäftsbereich dieser Einrichtung durchgeführt werden.
Was mich erschreckt hat, war, daß ich auf Anfrage zu dieser Position vom Bundesministerium der Finanzen die Antwort bekommen habe, daß Privatisierungen, auch wenn sie wirtschaftlich tragfähig sind, nicht mehr begonnen werden, weil die Verlustzuweisungen dann länger getragen werden müssen. Meine Damen und Herren, das ist doch ein unerträglicher Zustand,
bei der jetzigen industriellen Grundlage, die wir im Osten haben, auch noch bewußt Betriebe kaputtgehen zu lassen, die eine reale Chance zur Privatisierung haben und die dann auch wirtschaftlich tragfähig wären. Herr Waigel, ich fordere Sie auf, diese Position in Ihrem Hause zu korrigieren!
Ein Wort zur Treuhandnachfolge: Wir waren uns in der letzten Legislaturperiode über alle Fraktionen hinweg einig, daß die Treuhandnachfolge einer parlamentarischen Begleitung in der 13. Legislaturperiode bedarf. Wir waren uns einig, daß das im Rahmen eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses geschehen sollte. Nach der Wahl stand die Koalition nicht mehr dazu, sondern hat uns die Hilfskonstruktion einer Arbeitsgruppe im Haushaltsausschuß aufgenötigt, so möchte ich sagen, weil wir als Minderheit nicht das Recht haben, einen Ausschuß durchzusetzen. Aber seitdem ist so viel Entwicklung ins Land gegangen, daß man diese Position noch einmal überdenken muß.
Ich weise beispielsweise nur darauf hin, daß die Treuhandnachfolge BVS an ihrem Konzept, das ursprünglich vorgelegt wurde, deutliche Abstriche gemacht hat, daß sie den Zeitrahmen erheblich ausweiten und den Personalbestand zumindest nicht in dem Maße abbauen möchte, in dem wir alle das damals für notwendig gehalten haben. - Ich sehe ein und halte es auch für richtig, daß der zügigen Aufgabenerledigung Vorrang vor einem schnellen Personalabbau eingeräumt werden muß; denn auch wir wollen, daß die Arbeit sehr schnell beendet wird. - Als Begründung dafür hat die BVS angeführt, die Komplexität der Aufgaben sei gestiegen, das Vertragsvolumen habe deutlich zugenommen; man habe nicht damit gerechnet, daß so viele neue Verträge abgeschlossen werden müßten. Ursprünglich sollten die hoheitlichen Aufgaben der BVS 1996 auslaufen und dann einer anderen Bundesbehörde - OFD oder Vermögensverwaltung, das sei dahingestellt - übertragen werden.
Es gibt, wie uns dargelegt wurde, erhebliche Informationsverluste.