Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute die Waigel-Methode in Perfektion erlebt. Herr Bundesfinanzminister, für alles, was gut ist, sind Sie verantwortlich; für alles, was schlecht läuft, sind es die anderen. Selbst die Verbesserung beim Kindergeld, selbst die Umstellung bei der steuerlichen Wohneigentumsförderung ziehen Sie sich sozusagen auf Ihren Hut. Dabei haben Sie konzeptionell mit diesen Verbesserungen überhaupt nichts zu tun.
Hemmungslos sind Sie auch im Selbstlob. Der Vergleich mit Fritz Schäffer spottet nun wirklich jeder Beschreibung, mit Ausnahme der Tatsache, daß Sie landsmannschaftlich verbunden sind. Herr Schäffer konnte den Juliusturm schaffen. Sie schaffen Billionen Schulden.
- Billionen, Herr Kollege, habe ich gesagt. Eine Billion hat er bisher in seiner Amtszeit gemacht. Sich da mit dem Kollegen Schäffer zu vergleichen, zeigt doch, wie realitätsfremd dieser Herr Waigel inzwischen geworden ist, wie er sich die eigene Welt schönmalt, um seinem Amt besser nachgehen zu können.
Ich glaube also, Herr Dr. Waigel, Sie müssen sich doch einmal stärker mit den Fakten auseinandersetzen. Zu den Fakten zählt, daß Sie mit Ihren Gesetzentwürfen in diesem Jahr ein Desaster wie noch nie erlebt haben, daß Ihre Finanzpolitik eine Mischung aus Fehlern, Chaos und Unvermögen ist. Sie ist das genaue Gegenteil von solide, berechenbar und klar. Zwei Anläufe haben Sie beim Jahressteuergesetz 1996 unternommen, um einen Einkommensteuertarif vorzulegen. Beide Male sind Sie zu kurz gesprungen und im Wassergraben gelandet. Der von Ihnen vorgelegte Buckeltarif war ein Stück aus dem steuerpolitischen Gruselkabinett. Erst im Rahmen der steuerpolitischen Beratungen wurde dann ein Tarif entwickelt, der letztlich akzeptabel war. Nun haben wir dieses Chaos mit dem Haushalt 1996 und mit dem Finanzplan bis 1999.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium hat es am 25. Oktober 1995 in der Fragestunde im Bundestag selbst eingestanden. Antwort von Frau Karwatzki auf die Frage, ob es ein solches Hauruck-Verfahren schon einmal gegeben habe: Ich glaube, das ist erstmalig. - Das war kurz und treffend.
Uns liegt ein Finanzplan vor, der nach der neuesten Steuerschätzung das Papier, auf dem er gedruckt wurde, nicht mehr wert ist.
Gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai 1995 fehlen dem Bund im Jahr 1995 über 10 Milliarden DM Steuereinnahmen, 1996 fast 12 Milliarden DM, in zwei Jahren also rund 22 Milliarden DM. Aber damit noch nicht genug. Diese Steuerausfälle haben Basiseffekte für die Jahre 1997 bis 1999. In welcher Größenordnung wirkt sich dieser Basiseffekt aus? Es kann sein, daß sich der Effekt abschwächt. Es kann aber auch sein, daß die Steuerausfälle mittelfristig noch deutlich höher liegen als 1995 und 1996.
Nun komme ich zum Ifo-Institut, das Sie zitiert haben. Sie haben gesagt, Ifo spreche von Reserven von 25 Milliarden DM. Sie müssen genau lesen, Herr Bundesfinanzminister. Ifo schreibt, daher enthielten die jetzt geschätzten Steuerausfälle für das Jahr 1996 von 29,5 Milliarden DM eher Reserven in Richtung von 25 Milliarden DM. Ifo schreibt also nicht, daß Reserven von 25 Milliarden DM vorhanden sind, sondern daß es eine Tendenz beim Steuerausfall von gesamtstaatlich 29,5 Milliarden DM auf 25 Milliarden DM geben sollte.
Ich rate Ihnen dringend, Herr Finanzminister: Korrigieren Sie das Protokoll! Sonst ist das ein weiterer Beleg für Ihre Unfähigkeit, mit Zahlen umzugehen.
Für 1996 wollen Sie diese Löcher im übrigen notdürftig durch den Verkauf des Tafelsilbers decken. Dies ist aber keine dauerhafte Lösung. Sie bringt für 1997 keine müde Mark mehr.
Herr Waigel, mit Ihren Haushaltslöchern gefährden Sie die Erfüllung der Konvergenzkriterien von Maastricht.
Wir sind uns einig, daß diese Kriterien auf alle Staaten strikt angewandt werden müssen, also auch auf uns. Deshalb, Herr Waigel: Wenn Deutschland die Konvergenzkriterien nicht einhalten kann, dann müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Sie tragen nicht nur Verantwortung für den Bundeshaushalt. Der Bundesfinanzminister trägt auch gesamtstaatliche Verantwortung. Dieser gesamtstaatlichen Verantwortung werden Sie auch beim Thema Europäische Wirtschafts- und Währungsunion nach Ihren vorherigen Ausführungen nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, das Verhalten der Regierungskoalition in der aktuellen Diskussion zur Wirtschafts- und Währungsunion ist heuchlerisch. Gerade von einem Vertreter der CSU, bei der es nur
Joachim Poß
so stoibert und gauweilert, brauchen wir Sozialdemokraten uns hier im Bundestag nichts erzählen zu lassen.
Wir Sozialdemokraten bejahen die Wirtschafts- und Währungsunion. Dabei ist die Einhaltung der Konvergenzkriterien aber wichtiger als die Einhaltung eines starren Zeitplans. Hier fordern wir das gleiche wie Sie.
- Ihr eigener Bundeskanzler hat das erklärt.
Wir fordern zweitens ein zusätzliches Stabilitätsabkommen, um für die Zeit nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion dauerhaft Stabilität zu erreichen. Auch hier fordern Sie das gleiche wie wir. Sie brüsten sich geradezu mit diesem Vorhaben. Also wozu die ganze Aufregung?
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Ihnen und uns, Herr Waigel: Wir fragen, welche Konsequenzen mit diesen Forderungen verbunden sind. Sie dagegen drücken sich um eine Aussage. Was heißt es denn, wenn die Einhaltung der Konvergenzkriterien wichtiger ist als der Zeitplan? Was heißt das für Sie? Was heißt es für Sie, wenn 1997 nur ein oder zwei Länder die Konvergenzkriterien erfüllen? Wollen Sie dann von den Kriterien Abstand nehmen, nur um den Zeitplan einzuhalten, oder wird dann nur ein Land in die Währungsunion eintreten? Wenn es in der Bevölkerung noch große Vorbehalte gegen eine einheitliche Währung gibt, dann ist das doch Ihr Versagen. Sie reden um den heißen Brei herum, statt klare Antworten zu geben.
In diesem Zusammenhang muß ich ganz deutlich sagen: Wir von der SPD haben dafür gesorgt, daß sich der Deutsche Bundestag noch einmal mit der Entscheidung über den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion befaßt. Das muß im Bundestag von den Volksvertretern erörtert und entschieden werden. Das darf nicht allein der Regierung überlassen bleiben. Das muß in der Öffentlichkeit entschieden werden.
Die jetzt aufgetretenen Haushaltslöcher bringen nicht nur mit Blick auf Europa Probleme mit sich, also sozusagen in der Darstellung nach außen. Auch hier bei uns werden die Mißstände auf Grund Ihrer falschen Politik mehr und mehr sichtbar. Die globale Betrachtung der Steuereinnahmen verdeckt, daß innerhalb des Steueraufkommens enorme Strukturverschiebungen eingetreten sind. 80 Prozent des gesamten Zuwachses beim Steueraufkommen zwischen 1983 und 1994 entfallen auf Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Mineralölsteuer. Während sich das Aufkommen bei der Lohnsteuer zwischen 1983 und 1994 mehr als verdoppelt hat, sind die Einnahmen des Staates aus der Körperschaftsteuer um 17 Prozent zurückgegangen. Bei der veranlagten Einkommensteuer ist das Aufkommen um knapp 10 Prozent gesunken.
Der Anteil der Körperschaftsteuer und der veranlagten Einkommensteuer am Gesamtsteueraufkommen ist stark zurückgegangen. Der Anteil der Körperschaftsteuer betrug 1983 noch 6 Prozent, 1994 aber nur noch 2,5 Prozent. Das muß man sich doch einmal vor Augen führen, meine Damen und Herren, daß die deutschen Aktiengesellschaften und GmbHs nur noch mit 2,5 Prozent zu den Steuereinnahmen von knapp 790 Milliarden DM beitragen! Der öffentliche Eindruck ist doch ein ganz anderer, und Sie erwecken hier doch auch einen ganz anderen Eindruck.
Der Anteil der veranlagten Einkommensteuer betrug 1983 noch 7,1 Prozent, 1994 mit 3,2 Prozent weniger als die Hälfte davon. Auch dies ist ein Sachverhalt, Herr Kollege Waigel, zu dem Sie bisher hier noch keine wertende Erklärung abgegeben haben.
Seit 1983 hat es eine gewaltige Umschichtung in der steuerlichen Belastung gegeben. Unternehmen wurden entlastet, Arbeitnehmer und Verbraucher massiv zusätzlich belastet. Auch die nach der neuesten Steuerschätzung festgestellten Steuerausfälle zeigen wiederum fast ausschließlich eine Verminderung bei der veranlagten Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Was heißt das? Das heißt: Die Arbeitnehmer, denen die Lohnsteuer direkt vom Arbeitslohn einbehalten wird, und die Verbraucher, die bei jedem Einkauf Umsatzsteuer zahlen müssen, sind immer mehr zum Hauptfinanzier des Staates geworden. Wenn unter Ihrer Verantwortung, Herr Waigel, die Steuer- und Abgabenlast ein Rekordniveau erreicht hat, dann sind es insbesondere die Arbeitnehmer und die Verbraucher, die darunter zu leiden haben.
Dagegen geht der Beitrag der Unternehmer, der Selbständigen und der Vermögensbesitzer immer weiter zurück. Und das hat nichts damit zu tun, daß wir beide alles tun wollen - das ist auch Ziel des neuen Antrags der SPD, der so neu gar nicht ist, sondern das fortschreibt, was wir in den letzten Jahren dazu aufgeschrieben haben -, damit mehr Arbeitsplätze entstehen. Aber wir dürfen nicht den falschen Eindruck aufkommen lassen, als wäre die zu hohe Steuerbelastung der Unternehmen der Schlüsselfaktor für unterbliebene Investitionen und für die unterbliebene Schaffung von Arbeitsplätzen.
Die Zahlen, die ich vorgetragen habe, zeigen eines: Es wird eklatant gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit und der Leistungsfähigkeit verstoßen. Die Zahl dieser Verstöße hat unter Ihrer Verantwortung ständig zugenommen. Sie stellen eine schwere Belastung für den gesellschaftlichen Zusammenhang dar. Ich spreche - und das ist kein Schlagwort - von der Umverteilung von unten nach oben. Seit Jahren weisen wir darauf hin. Herr Waigel, Ihr Haus mußte uns das jetzt auf unsere parlamentarischen Anfragen mit den Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, be-
Joachim Poß
stätigen. Also von wegen Propagandaformel oder Propagandafloskel! Ihr Haus hat uns das bestätigt.
Die zunehmende Schieflage bei der Verteilung der Steuerlasten hat mehrere Ursachen. Zum einen ist sie Folge der Unternehmensteuersenkungen. Die Körperschaftsteuer hatte 1989 ein Aufkommen von 34 Milliarden DM. Dann wurden die Steuersätze gesenkt. Ergebnis: 1994 betrug das Aufkommen noch 20 Milliarden DM und lag damit um 14 Milliarden DM unter dem Aufkommen des Jahres 1989.
Offensichtlich nutzen auch immer mehr Unternehmen die bestehenden Möglichkeiten zur Verlagerung von Gewinnen; außerdem nutzen Sie Steuerschlupflöcher aus. Erst kürzlich wurden bei einem großen Unternehmen Gestaltungen bekannt, durch die in einem Einzelfall Verlustvorträge bei Tochtergesellschaften in Höhe von 3 Milliarden DM ausgenutzt werden sollen.
Das zeigt, daß eine hohe Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland allenfalls noch auf dem Papier steht. Die Praxis sieht längst anders aus.
Daß Sie angesichts dieser Tatsachen immer noch über eine zu hohe Unternehmensteuerbelastung klagen, zeigt, daß Sie die Realität offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Zu der Schieflage der Steuerlastverteilung trägt auch bei, daß das Aufkommen aus der Zinsabschlagsteuer weit zurückbleibt. Sie, Herr Waigel, haben 1989 eine gleichmäßige Besteuerung der Kapitaleinkünfte in Europa verhindert. Das rächt sich nun auch bei den Einnahmen.
Auf der einen Seite stehen hohe Defizite im Bundeshaushalt und in der Finanzplanung, die durch die Steuerausfälle jetzt sogar noch brisanter werden. Auf der anderen Seite ziehen Vertreter dieser Regierungskoalition, auch der Bundesfinanzminister, durch die Lande und versprechen weitere Steuersenkungen. Die daraus resultierenden Steuerausfälle sind aber nicht auf den Bundeshaushalt beschränkt. Sie wollen Länder und Kommunen mit in Ihr Finanzchaos reißen, um von Ihren eigenen Fehlern abzulenken, Herr Waigel.
Wie soll das denn angesichts der Haushaltslöcher eigentlich alles finanziert werden: der Ausfall von 3,4 Milliarden DM durch den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer, der Ausfall von 2,5 Milliarden DM durch die Absenkung der Gewerbeertragsteuer? Wollen Sie etwa daran festhalten, die Abschreibungsbedingungen zu verschlechtern? Das kann angesichts der konjunkturellen Lage und der hohen Arbeitslosigkeit doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Wie sollen die Länder den Ausfall von 9 Milliarden DM durch den von Ihnen vorgesehenen Wegfall der Vermögensteuer verkraften? Sie gehen verantwortungslos mit den Steuern der Länder um. Sie machen
es sich zu einfach, wenn Sie sagen, die Länder sollten auf diese 9 Milliarden DM verzichten - ich möchte es nach gestern abend etwas vorsichtiger formulieren: oder wenn Sie es ihnen zumindest nahelegen - und damit einen wichtigen Beitrag zur Steuersenkung leisten.
Nein, Herr Waigel, Sie sind gefordert. Sie müssen über die Konsequenzen für die Länderhaushalte nachdenken. Statt dessen fordern Sie zusätzlich eine Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 53 Prozent auf 50 Prozent, so im „Focus "-Interview vom 11. September. Das bedeutete einen Steuerausfall von 5 Milliarden DM im Jahr für Bund, Länder und Kommunen. Darüber hinaus soll der Solidaritätszuschlag in Schritten abgebaut werden; das haben Sie gerade noch bekräftigt. Sosehr wir auch eine Rückführung des Solidaritätszuschlages begrüßen würden: Sie müssen aber schon sagen, wie Sie dies finanzieren wollen, Herr Waigel.
Allein die von Ihnen versprochenen Steuersenkungen bei der Gewerbesteuer, der Vermögensteuer und der Einkommensteuer machen rund 20 Milliarden DM pro Jahr aus. Wie soll das verkraftet werden? Zudem sollte man sich dann noch vor Augen führen, wie der Kreis derjenigen aussieht, die von diesen 20 Milliarden DM profitieren. Wer zahlt denn den Spitzensteuersatz von 53 Prozent bei der Einkommensteuer? Wer zahlt denn Vermögensteuer? Wer zahlt denn Gewerbekapitalsteuer? - Wie weit wollen Sie Ihre Umverteilungspolitik eigentlich noch treiben, Herr Waigel?
Es paßt einfach nicht zusammen: Riesige Haushaltslöcher auf der einen Seite, Steuergeschenke für einen ganz bestimmten Kreis auf der anderen Seite. Das ist sozial unerträglich. Das ist keine gerechte, keine solide Finanzpolitik.
Auch deswegen wäre es gut gewesen, Sie hätten Ihren Haushaltsentwurf und Ihren Finanzplan zurückgezogen.
Wir haben in diesem Jahr im Bundestag schon wichtige Reformen beschlossen: Steuerfreistellung des Existenzminimums, Neuregelung des Familienleistungsausgleichs, Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung. Wir haben diese Reformen mit großen Mehrheiten beschließen können, weil Sie von der Regierungskoalition endlich langjährige SPD-Forderungen übernommen und sie nicht mehr, wie es bis dahin der Fall war, nur abgelehnt haben.
Sowohl beim Familienleistungsausgleich als auch bei der Wohneigentumsförderung konnte die Besteuerung durch Übernahme unserer Positionen gerechter und einfacher gemacht werden, und vor allem für jene Bevölkerungsgruppen, die auf staatliche Hilfe besonders angewiesen sind, konnte die steuerliche Förderung verbessert werden.
Joachim Poß
Ab Herbst dieses Jahres stehen weitere wichtige Neuregelungen bei der Vermögensbesteuerung und der Erbschaftsbesteuerung an. Wir fordern Sie auf: Legen Sie Ihre Eckpunkte dafür vor! Unsere Position ist, daß sich aus den Neuregelungen insgesamt keine Erhöhung des Steueraufkommens ergeben darf. Allerdings lehnen wir Ihren Vorschlag ab, die Vermögensteuer ersatzlos abzuschaffen. Wir müssen aus verteilungspolitischen Gründen an einer Besteuerung der hohen Vermögen festhalten. Wir müssen auch die Finanzsituation der Länder im Auge behalten.
Das zweite wichtige Thema ist die ökologische Steuerreform. Ich weiß, daß es auch in Kreisen der Regierungskoalition Unterstützung für dieses Anliegen gibt. Leider konnte dort bisher keine Einigung erzielt werden. Eine solche Reform ist gerade auch im Interesse der Unternehmen und der Arbeitnehmer richtig; denn sie bringt durch eine Senkung der Lohnnebenkosten eine Entlastung bei den Arbeitskosten. Das ist viel interessanter als die von Ihnen vorgeschlagene Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer,
die ohnehin eine spürbare Entlastung nur für Großbetriebe bringt.
Da ich schon einmal beim Thema „Gewerbesteuer" bin: Sagen Sie den Gemeinden endlich, was Sie wirklich wollen. In der Koalitionsvereinbarung steht, daß Sie die Gewerbesteuer ganz abschaffen wollen. Auf der anderen Seite haben Sie sich in einem Schreiben an die Kommunalen Spitzenverbände bereit erklärt, die Gewerbeertragsteuer verfassungsrechtlich abzusichern.
Was wollen Sie wirklich? Machen Sie Schluß mit dem Verwirrspiel! Schenken Sie den Kommunen endlich reinen Wein ein!
In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, daß Sie die Fragen der Gewerbesteuer im Einvernehmen mit den Ländern und Kommunen regeln wollen. Wir begrüßen dies ausdrücklich. Nur, warum handeln Sie nicht danach? Lesen Sie einmal, was heute der Deutsche Städtetag in Freiburg als Voraussetzung beschließen wird, um zum Beispiel über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zu reden. Offenbar ist der Kommunikationsfluß nicht so, wie er sein müßte.
Wir sagen also: Eine Gemeindefinanzreform kann nur im Konsens mit Ländern und Gemeinden erfolgen. Zudem kann man das nicht im Schweinsgalopp machen, indem man sie am 22. November durch den Finanzausschuß jagt, mal eben das Grundgesetz ändert und dann sagt: Jetzt haben wir das im Kasten, was wir schon immer im Kasten haben wollten. - So können Sie mit der parlamentarischen Opposition nicht umgehen!
Wir werden uns auch mit der Zinsbesteuerung erneut auseinandersetzen müssen, die ja nach Meinung des Präsidenten des Bundesfinanzhofs verfassungswidrig ist. Wir haben damals unsere Vorstellungen entwickelt. Es wäre um die Staatseinnahmen besser bestellt, wenn Sie damals unseren Vorschlägen gefolgt wären.
Es sähe mit der Steuergerechtigkeit besser aus, wenn Sie unseren Vorschlägen gefolgt wären. Immer mußten Sie vom Bundesverfassungsgericht gezwungen werden, ob beim Kindergeld, beim Existenzminimum, bei der Zinsbesteuerung oder der Einheitsbewertung. Warten Sie diesmal nicht erneut ab! Legen Sie eine Lösung vor, die für eine gleichmäßige und verfassungskonforme Besteuerung der Kapitaleinkünfte sorgt! Machen Sie in Brüssel wirklich Druck! Der zuständige Kommissar Monti hat uns im September gesagt: Es wird kein Druck gemacht, von keinem Mitgliedstaat.
Beim Abbau steuerlicher Vergünstigungen haben Sie, Herr Waigel und die gesamte Koalition, ein klägliches Bild abgegeben. Gerade einmal 100 Millionen DM hatten Sie zusammengekratzt und waren froh darüber, daß wir gemeinschaftlich durch die Streichung von Steuervergünstigungen etwas mehr als 4 Milliarden DM haben zusammenbekommen können. Durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, also einen weiteren Abbau von Steuervergünstigungen, wollten Sie einen Teil der Operation 1996 finanzieren. Das hatten Sie angekündigt. Auch dabei haben Sie versagt, ebenso wie bei der Steuervereinfachung, bei der alle Ihre Vorschläge von den Experten auseinandergenommen worden sind.
Herr Waigel, angesichts Ihrer selbstlobenden Rede muß ich Ihnen entgegenhalten: Das Jahr 1995 ist für Ihre hausgemachte Finanz- und Steuerpolitik in der Bilanz niederschmetternd.
Das, was aus Ihrem Haus an guten Vorschlägen kam, waren Vorstellungen, die Sie von uns übernommen haben: Kindergeld, progressionsunabhängige Wohneigentumsförderung! Das aber, was Sie selbst zusammengezimmert haben, ging den Bach runter.