Rede von
Dr.
Heidi
Knake-Werner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fink hat sich ja zu Beginn seiner Rede darüber gefreut, daß er mit dieser Gesetzesvorlage den Kommunen gegenüber sein Sparversprechen einhalten konnte. Ich frage mich manchmal, lieber Kollege, ob Sie eigentlich auch im Blick haben, daß es dabei um Menschen geht, um Menschen mit Schwerstbehinderungen, um Flüchtlinge, um Arbeitslose. Hoffentlich gerät Ihnen das nicht immer aus Ihren Zusammenhängen.
Ich jedenfalls kann für die PDS erklären, daß für uns der vorgelegte Gesetzentwurf absolut unakzeptabel ist. Wir wissen uns mit vielen Menschen einig, die sich über die permanente Aushöhlung des Sozialstaates Sorgen machen und tief empört sind.
In dankenswerter Offenheit bietet die Koalition den Ländern und Gemeinden einen, wie ich finde, ziemlich unappetitlichen Deal an. Laßt uns bei den ungelittenen Flüchtlingen, Migranten und Migrantinnen noch mehr streichen, dann könnt ihr auch unsere Abschiebung von Arbeitslosen in die Sozialhilfe finanziell verkraften.
Scheinbar werden hier nur finanzielle Größen hin- und hergeschoben, doch tatsächlich findet ein Schacher mit dem Schicksal und den Lebensmöglichkeiten von Hunderttausenden von Menschen in diesem Lande statt.
Allein schon die Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfes sind ein sozial- und gesellschaftspolitischer Skandal. Aber ich sage auch: Diese Entwicklung war vorauszusehen. Jeder, der die Politik dieser Regierung über längere Zeit beobachtet, weiß, daß eines ihrer zentralen Politikkonzepte lautet: die soziale Spaltung vertiefen, schon dadurch, daß die sozial Schwächsten allein die Misere der Staatsfinanzen ausbaden sollen.
Als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD - auch ich möchte Ihnen das nicht ersparen -, sich 1993 im Rahmen des großen Asylkompromisses auf das Asylbewerberleistungsgesetz einließen, hätten Sie eigentlich wissen können, daß es nicht bei den Leistungskürzungen und Sachleistungen für
Asylbewerber im ersten Aufenthaltsjahr bleiben würde.
Es mußte Ihnen klar sein, daß die seinerzeitige Formulierung des Familienausschusses, daß bei einem längeren Aufenthalt „nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden kann", bei dieser Regierung nicht Bestand haben würde. Auch Ihre Landesminister haben da keine besonders rühmliche Rolle gespielt.
Ich hoffe, daß wir gemeinsam zu dem Grundsatz zurückkehren können, daß die Menschenwürde in diesem Lande unteilbar ist. Ich finde, Sie sollten sich nicht länger an dem Spiel der Regierung beteiligen, die Integrationskosten - wie sich der Minister ausdrückt - für die eine Gruppe gegen die der anderen aufzurechnen. Dieses Politikkonzept spielt eine schwache Bevölkerungsgruppe gegen die andere aus. Es handelt sich - das sage ich mit allem Nachdruck - um einen bürokratisch durchgestylten staatlichen Rassismus, der Neid, Haß und Gewalt in die Gesellschaft trägt und schürt.
Die Bundesregierung kürzt nicht nur, sie meißelt an den Fundamenten dieser Gesellschaft. An dieser Politik will sich die PDS nicht beteiligen.