Rede von
Dr.
Mathias
Schubert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vor allem ein paar kommunalpolitische Anmerkungen machen.
In meiner Heimat Brandenburg gibt es einen 200-
Einwohner-Ort namens Bernsdorf. Weil diesem Ort zu DDR-Zeiten von oben der Bau eines Kulturhauses verordnet worden war, und zwar ohne die Gemeinde zu fragen, sind die Einwohner jetzt mit 12 000 DM pro Kopf verschuldet. Wenn es nach dem Bundesfinanzministerium geht, soll die Gemeinde - jedenfalls nach dem jetzigen Stand der Dinge - die auch bezahlen.
An diesem zugegebenermaßen extremen Beispiel wird die ganze Brisanz der Auseinandersetzung um die kommunalen Altschulden klar. Es handelt sich hierbei natürlich auch um ein juristisches und ein finanztechnisches Problem, vor allem aber um ein politisches.
Die politische Behandlung der Altschulden wird wieder einmal erweisen, ob es der Bundesregierung mit ihrer so inbrünstig beschworenen Gestaltung der Einheit ernst ist oder ob sie bereit ist, die schwäch-
Dr. Mathias Schubert
sten Glieder in der Kette politischer Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Schuldenberg allein zu lassen, der für die Betroffenen die kommunale Selbstverwaltung bis zur Unfähigkeit verstümmelt.
Das Elend dieser Dramatik besteht nicht in ihrer oppositionellen Polemik, sondern in ihrer tatsächlichen Wahrheit. Denn in der Regel haben ostdeutsche Kommunen weit weniger als 20 % ihrer ohnehin schwindsüchtigen Finanzvolumina als Gestaltungspotential ihres öffentlichen Lebens zur Verfügung. Würde der Bund also den betroffenen Gemeinden die Schulden überhelfen, wären die Auswirkungen verheerend. Investitionsmöglichkeiten würden vielfach auf Null sinken. Finanzielle Unterstützungen für Sport, Kultur, Bildung, soziale Aufgaben, Wirtschaft und Arbeitsmarkt stünden auf dem Spiel.
Nun gibt es im Bundesfinanzministerium folgende smarte Überlegung: Da die Pro-Kopf-Verschuldung ostdeutscher Gemeinden in der Regel unter der westdeutscher liege, sei noch Verschuldungsmasse frei und die Übernahme der Altschulden kein besonderes Problem. Wer so - Entschuldigung - daherschwätzt, weiß nichts über unsere Situation.
Im Unterschied zu dem finanz- und haushaltspolitischen Trauerspiel, das der Finanzminister in dieser Woche hier geboten hat, wissen die ostdeutschen Kommunen außerdem sehr wohl, was Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit bedeutet. Genau die kommunalen Haushaltsprinzipien verbieten weitere Verschuldung.
Der Schuldenkonflikt darf also weder ganz noch teilweise auf dem Rücken der Kommunen oder der Länder ausgetragen werden. Diese Verbindlichkeiten sind wie alle ehemaligen DDR-Verbindlichkeiten zu behandeln. In diesem Zusammenhang gilt es zu überlegen, ob die Schulden samt anfallender Zinsen nicht in den Erblastentilgungsfonds aufgenommen werden können.
Vielen Dank.