Rede von
Dr.
Uwe
Küster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Austermann, Frau Staatssekretärin Karwatzki, wie schön wäre es gewesen, wenn wir in der DDR bürgerliches Recht gehabt hätten, wenn wir ein Verwaltungsrecht gehabt hätten. Das unterstellen Sie immer wieder. Also: Alles das, was Sie auf diese Hypothese bauen, ist falsch. Das halten wir erst einmal fest.
Zur Sache: Diese 60 Minuten der Aktuellen Stunde kosten exakt 60 000 DM.
Das ist die stündlich fällige Rate für die 8 000 Millionen DM Altschulden der Kommunen in Ostdeutschland. Die Höhe der sogenannten Altkredite auf kommunale Einrichtungen steigt also täglich um 1,3 Millionen DM. Man muß sich vor Augen halten, welches Risiko sich dahinter versteckt. Angesichts dieser Tatsache kann ich nur sagen: Die Verweigerungshaltung der Bundesregierung ist grob fahrlässig und muß aufgegeben werden.
Die gesamte Diskussion hat in den letzten Wochen eine ganz groteske Form angenommen. Am 4. Oktober waren die Vertreter der Landesregierungen im Kanzleramt bei Minister Bohl zu Gast. Nach dem Kanzlermotto „Chefsache" sollte dort eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Aber: Nur drei Tage später droht die GAW wieder mit Mahnbescheiden für die Kommunen, die nicht bezahlen wollen.
Das ist die Regierungspolitik in Sachen Altschulden: Die einen wollen verhandeln, die anderen wollen abkassieren. Da weiß doch die eine linke Hand nicht, was die andere linke Hand tut. Eine Bundesregierung mit linken Händen und dann auch nur Daumen - das ist schon schlimm genug.
Die Situation ist aber noch viel verfahrener. Nach dem Gutachten von Professor Harms steht endgültig folgendes fest: Juristisch gesehen sind die sogenannten Altschulden keine kommunalen Kredite, sondern buchungstechnische staatliche Maßnahmen des DDR-Zentralstaats. Herr Schulz hat vorhin eindrücklich darauf hingewiesen. Nehmen Sie also zur Kenntnis, daß die sogenannte DDR diese sogenannten Verschuldungen als Instrument zur Disziplinierung von unbotmäßigen Kommunen ausgespielt hat. Die Unterstellungen „Hier gilt bürgerliches Recht; hier gilt Verwaltungsrecht" sind nicht exakt.
Jeder sollte mittlerweile wissen, daß allein die Banken ein Riesengeschäft mit diesen sogenannten Altschulden machen - unabhängig, wer sie zahlt: Null Risiko für die Banken. Das können Sie entweder im „Spiegel" oder- besser noch - in dem Sonderbericht des Bundesrechnungshofs zu diesem Thema genauer nachlesen. In diesem Bericht wird dem Bundesfinanzminister die Verschleuderung von Steuergeldern in Milliardenhöhe nachgewiesen; denn durch die Zwischenschaltung privater Banken zur Abwicklung der Altschulden wurden die Zinsen „erheblich verteuert" . Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden. Das sind katastrophale Versäumnisse der Bundesregierung. Dafür können und dürfen die Kommunen in Ostdeutschland nicht in Haftung genommen werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bei den sogenannten Altschulden handelt es sich um Luftbuchungen. Insofern wundert es kaum, daß Herr Waigel als einziger etwas mit Luftbuchungen anfangen kann. Schließlich ist er der Schöpfer dieses Haushaltsinstruments. Das ist das tägliche Geschäft unseres „Luftbuchungsministers" .
- Es ist leider richtig, ich muß das so sagen. Luftbuchungen sind sein tägliches Geschäft geworden. Während der Haushaltsberatungen hat der Finanzminister wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie man Milliarden kurzerhand hin und her schiebt, um damit den Haushalt scheinbar zu sanieren.
Aber kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Ich zitiere aus dem Gutachten von Professor Harms. Erstens.
Aus den geltend gemachten „Altkrediten" sind - selbst nach DDR-Recht - keine Rückzahlungspflichten entstanden.
Dr. Uwe Küster
Wie wollen Sie das also bitte rückwirkend geltend machen?
Zinsen und Rückzahlungen waren aus dem zentralen Staatshaushalt zu erbringen.
Machen Sie das mal, wenn der Staat nicht mehr da ist!
Zweitens.
Eine Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen wäre verfassungswidrig.
Das sind zwei zentrale Feststellungen, mit denen wir . uns in der Zukunft auseinandersetzen müssen.
Angesichts dieser Tatsache enttäuscht es mich ganz besonders, daß 65 ostdeutsche Kollegen der CDU ganz lapidar von einem „Konstruktionsfehler im Einigungsvertrag reden. Keiner spricht davon, wie man den Konstruktionsfehler belieben kann, wie man versuchen sollte, das zu sanieren und damit umzugehen.
Wenn der Bund diese Altschulden tatsächlich über den Cerichtsvollzieher eintreiben läßt, wird der gesamte West-Ost-Transfer ad absurdum geführt. Ein paar Milliarden hin - ein paar Milliarden her: Der Aufbau Ost wird zu einem finanzpolitischen Verschiebebahnhof. Und nicht nur das: Die jüngsten Pläne des Finanzministers offenbaren, daß der Abschwung in den neuen Ländern weitergehen soll. 22 Milliarden - das sind 22 000 Millionen; damit man sich einigermaßen vorstellen kann, worum es geht - will Herr Waigel beim Aufbau Ost zukünftig einsparen. Dabei werden Haushaltslöcher vor allem auf Kosten Ostdeutschlands gestopft. Man müßte schlichtweg mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn man das nicht erkennt.
Herr Waigel hat 1990 fahrlässig die sogenannten Altschulden als Forderungen übernommen. Jetzt muß er zur Kenntnis nehmen, daß er ein Haushaltsrisiko von 8 000 Millionen DM hat.
Vielen Dank.