Rede von
Irmgard
Karwatzki
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch den Einigungsvertrag - darauf mache ich aufmerksam - und
nicht durch irgendwelches Aussitzen oder irgendeine Moralität sind Schulen, Kindergärten, Turnhallen oder Rathäuser, also die sogenannten gesellschaftlichen Einrichtungen, denjenigen Körperschaften übertragen worden, die sie für ihre Aufgaben nutzen. Das sind zum Teil beachtliche Vermögenswerte. Mit diesen Vermögenswerten sind aber auch die darauf ruhenden Verbindlichkeiten, d. h. die Kredite, die zum Bau dieser Einrichtungen aufgenommen wurden, auf die Kommunen übergegangen. Durch die mittlerweile aufgelaufenen Zinsen sind dies knapp 8 Milliarden DM. Der Schuldenstand war am 1. Juli 1990 rund 5 Milliarden DM. Per saldo haben die Gemeinden von der Übertragung der Einrichtungen profitiert; denn die Vermögenswerte übersteigen in den meisten Fällen die auf ihnen ruhenden Schulden. Die Kommunen erkennen die Rechtmäßigkeit der Altkredite aber leider nicht an - das haben wir eben schon gehört -, obwohl sie auf Grund einer Reihe von Gerichtsurteilen wissen, daß zu dem nach dem Einigungsvertrag übergegangenen Vermögen auch die darauf lastenden Verbindlichkeiten gehören. Aber für die Rechtsprechung ist Finanzminister Waigel nicht verantwortlich zu machen.
Auch wirtschaftlich sind die Kredite für die meisten Kommunen tragbar. Nur 16 % der Gemeinden sind mit Altschulden belastet; 4 % mit mehr als 1 000 DM pro Einwohner. Auch sind die Gemeinden mit gesellschaftlichen Einrichtungen bessergestellt gegenüber anderen Gemeinden, die diese Einrichtungen - ich sage noch einmal: Schulen, Rathäuser, Turnhallen - erst schaffen und zu Marktpreisen finanzieren müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht zu bestreiten, daß es insbesondere in kleinen Gemeinden Härtefälle gibt, wenn der Schuldendienst für ein größeres, überregional genutztes Objekt die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Kommune überfordert. Zu einer ungleichen Verteilung von Vermögenswerten und Belastungen haben aber auch Entscheidungen in der ehemaligen DDR über Sondertilgungen Mitte der 80er Jahre beigetragen.
Eine Regelung des Altschuldenproblems muß in erster Linie - das ist schon gesagt worden - auf Länderebene erfolgen. Nur die Länder verfügen mit dem kommunalen Finanzausgleich über ein Instrument, das geeignet ist, unterschiedliche Belastungen der Gemeinden durch die Altschulden auszugleichen.
Der Bund ist seit längerem bereit, seinen Beitrag zu einer Lösung zu leisten. Er hat dazu ein zinsgünstiges KfW-Programm zur Umschuldung der Altverbindlichkeiten angeboten, das die Zinslast der Gemeinden deutlich verringern würde. Zusätzliche Leistungen des Bundes wären angesichts der angespannten Haushaltslage nicht vertretbar. Und es kann keinen Zweifel geben: Wenn dem Bund weitere Lasten aufgebürdet werden, müßten dafür an anderer Stelle kompensatorische Kürzungen vorgenommen werden. Das wäre im Ergebnis kontraproduktiv; denn es macht keinen Sinn, die begrenzten Bundesmittel für die neuen Länder noch stärker auf den Konsum zu konzentrieren. Nein, Priorität müs-
Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki
sen wir beim Ausbau der Infrastrukturinvestitionen setzen. Konsumtive Mittelverwendungen sollten nicht weiter verstärkt, sondern zugunsten der Investitionen zurückgeführt werden.
Ich möchte abschließend betonen, daß gerichtliche Auseinandersetzungen nicht der Weg sind, den wir uns wünschen, um eine angemessene Lösung zu erreichen. Die Bundesregierung führt deshalb seit längerem Gespräche mit den Ländern und Gemeindevertretern. Bei den derzeitigen Beratungen sind Fortschritte erkennbar. Es liegen jedoch leider immer noch keine Ergebnisse vor. Die Bundesregierung ist bereit, die Versendung von Mahnbescheiden an die Kommunen für einen begrenzten Zeitraum zu verschieben, solange in den Gesprächen zielgerichtet an einer Lösung des Altschuldenproblems gearbeitet wird. Sie kommt damit den Kommunen weiter entgegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, Länder und Gemeinden nehmen dieses Angebot der Bundesregierung auf und leisten ihren Beitrag zu einer gemeinsamen Lösung des Altschuldenproblems.