Rede von
Jürgen
Türk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute soll es nicht nur um die Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung der Kommunen gehen. Das Problem ist vielmehr so ernst, daß sich auch Länder und Kommunen umgehend mit einer fairen Lösung befassen sollten, bevor sich wieder das Verfassungsgericht damit beschäftigen muß.
Grundlage für die Lösung sollten meines Erachtens folgende Fakten sein: Nach der bis 1986 gültigen DDR-Gesetzgebung wurden Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Turnhallen zu 90 % über aufgezwungene Staatskredite und zu 10 % aus dem kommunalen Haushalt finanziert. Ab 1987 wurden die Kredite dann zu 100 % aus dem Staatshaushalt bezahlt. Das heißt, es waren willkürliche Auflagen der DDR-Regierung.
Das wird auch dadurch belegt - Herr Schulz hat das schon gesagt -, daß Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR zu 100 % von Schulden befreit wurde und somit keine Altschulden aufweist. Städte wie Dresden oder Chemnitz - früher Karl-Marx-Stadt - wurden ebenfalls auf 100 DM pro Einwohner entlastet. Der Parteispitze in Berlin und Karl Marx sollte eben keine Schuld zugeschoben werden.
Jürgen Türk
Dagegen hat ein Teil der mit Altschulden belasteten Gemeinden Schuldenlasten von bis zu 1 000 DM pro Kopf, teilweise auch darüber. Das ist untragbar; das müssen wir hier klar feststellen. Die 16 % Kommunen, die mit Altschulden belastet sind, müssen davon befreit werden. Denn Verursacher der unsoliden Finanzierung war die DDR-Regierung. Es darf nicht sein, gerade die Kommunen mit dieser Hypothek zu belasten, da Kommunen sowieso den schwierigsten Neuanfang haben. Außerdem waren die Kommunen zu DDR-Zeiten sehr vernachlässigte Körperschaften. Sie würden mit den Altschulden ein zweites Mal bestraft werden.
Wie könnte also die Lösung - wir brauchen sie - aussehen?
Erstens. Die Kommunen sollten einer Bereinigung zustimmen. Das würde bedeuten: Stehen die Objekte in der langfristigen Planung zum Verkauf, so ist dieser Betrag gegenzurechnen - so sehe ich das jedenfalls -, und Objekte, die den Kommunen nicht gehören bzw. bei denen eine Zuordnung der Schulden nicht möglich ist, sind zugunsten der Kommunen zu bereinigen.
Zweitens. Die Länder müssen die im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zur Verfügung gestellten Mittel endlich den Kommunen ungekürzt und in voller Höhe weitergeben. Denn zur ganzen Wahrheit gehört auch, daß die Länder ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, den Kommunen Tilgungshilfe zu leisten. Ich darf Ihnen sagen: Wenn wir noch in den Landtagen und in den Landesregierungen wären, wäre das, glaube ich, so nicht passiert, jedenfalls nicht in diesem Umfang.
Drittens. Sind die durch Länderfinanzausgleich und Zuweisungsverzicht westdeutscher Kommunen bereitzustellenden Mittel nicht ausreichend, muß der Bund als Rechtsnachfolger der DDR die restlichen Altschulden der Kommunen decken. Ich glaube, der Wille zu dieser politischen Lösung muß da sein. Es darf keinesfalls zugelassen werden, daß eine Reihe von Kommunen zahlungsunfähig wird und nach Haushaltssperre - das wäre dann die Folge - und Einsatz eines Staatskommissars nur noch gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen kann, aber keine freiwilligen Leistungen mehr möglich sind.
Ich fordere also Bund, Länder und Kommunen auf, sich sofort an einen Tisch zu setzen und unter Beachtung der aufgeführten Fakten einen vernünftigen Kompromiß zu finden. Der Umweg über das Verfassungsgericht ist zu lang und zu teuer.
Vielen Dank.