Rede von
Otto
Reschke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einem sechzehnstündigen Marathon mit kaum einer Unterbrechung haben wir am vergangenen Mittwoch den Gesetzentwurf im Fachausschuß verabschiedet. Für mich war es in meiner langjährigen Praxis die längste Ausschußssitzung, und ich kann heute nach einer Bilanz sagen, daß es sich gelohnt hat.
Erstens. Wir haben das Ziel erreicht - das ist das Wichtigste für mich -, die Neuregelung zum 1. Januar 1996 in Kraft zu setzen, nachdem es lange Zeit unklar war, ob wir überhaupt etwas erreichen.
Zweitens. Ein Vermittlungsverfahren ist wohl auch verhindert worden. Ich halte es für ein wichtiges Ziel, daß der Bundestag damit Herr der Gestaltung bleibt. Das ist für die Zukunft wichtig; das sehe ich genauso wie der Staatssekretär.
Das neue Gesetz entspricht jahrelangen sozialdemokratischen Forderungen: erstens einkommensunabhängig, zweitens durchschaubar, drittens familiengerecht, viertens berechenbar, fünftens verwaltungsvereinfachend. Die Schränke bei manchem Steuerberater können in Zukunft ausgeräumt werden; die
Otto Reschke
Meterware „7 b/10 e" kann ins Archiv gestellt werden.
Schon 1986 forderten wir in unserem Gesetzentwurf die einkommensunabhängige Förderung. Die Koalition hat es damals abgelehnt, den komplizierten und ungerechten § 10e in eine einkommensunabhängige Regelung umzuwandeln. Die Folge war nach unserer Auffassung eine milliardenteure Fehlförderung. Wir haben über acht Jahre lang größtenteils die Falschen gefördert. Die Eigentumsquote erhöhte sich nicht; das hat sich ganz deutlich gezeigt.
Drei Bauminister kamen und gingen, und es dauerte acht Jahre, bis die Regierung ihr Versagen in der Eigentumsförderung erkannte. Erst Bauminister Nr. 4, um es chinesisch auszudrücken, ist endlich bereit, die Förderung sozial und gerecht zu gestalten. Wir freuen uns darüber, daß wir einen gemeinsamen Weg gefunden haben.
Ich sage es in vollem Ernst: Herr Minister Töpfer, wie Sie die Koalition binnen eines Jahres um 180 Grad gedreht haben, verdient Respekt und Anerkennung. Laßt es uns bei anderen Beispielen genauso tun!
Wir sind uns einig, wenn Sie sagen: Unser Weg ist richtig. - Dies ist eine klare Bestätigung für die Richtigkeit des SPD-Konzeptes, obwohl Sie mit dieser Presseschlagzeile natürlich sich selbst gemeint haben.
Unsere parlamentarische Beharrlichkeit zahlt sich jetzt für die Bauherren aus.
Erstens. Die Bauherren werden sich nun über eine Grundförderung von jährlich 5 000 DM beim Neubau und 2 500 DM beim Bestandserwerb freuen. Wir haben dringend auf einer Verstärkung beim Bestandserwerb im Blick auf die Ballungsgebiete bestanden.
Zweitens. Auch in einem anderen Punkt haben wir eine Verstärkung durchgesetzt. Der Neubau wie auch der Erwerb aus dem Bestand werden durch die Einigung bei den Vorkosten und den Erhaltungsaufwendungen gestärkt. Hier haben wir einen tragfähigen Kompromiß erzielt. Die Erhaltungsaufwendungen vor Bezug beim Erwerb einer Bestandsimmobilie sind weiterhin bis zu 22 500 DM von der Steuerbemessungsgrundlage einkommensunabhängig abzugsfähig. Eine wichtige Neuerung dabei ist, daß Mieter, wenn sie die Wohnung kaufen, in der sie wohnen, Erhaltungsaufwendungen auch noch im Jahr nach dem Kauf geltend machen können. Die neue Vorkostenpauschale, die auch die Finanzierungs-, Notar- und Gerichtsgebühren umfaßt, kann in Höhe von 3 500 DM von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden, allerdings einkommensabhängig. Auch das halten wir für richtig; obwohl hier ein kleiner Systembruch gegeben ist, sind wir für diesen Kompromiß angetreten.
Drittens. Die Anhebung des Baukindergeldes auf 1 500 DM begrüßen wir nachdrücklich. Hier ist eine
Steigerung von 50 % zu verzeichnen. Für insgesamt acht Jahre wird die Förderung pro Kind 12 000 DM betragen. Das ist ein wichtiger Schritt, eine Initialzündung für die Familienpolitik aus diesem Hause.
Diese Verbesserung kommt vor allem Familien mit Kindern im unteren und mittleren Einkommensbereich zugute. Auch beginnt der neue § 10e endlich in den neuen Bundesländern zu wirken.
Viertens. Durch die einmalige Überprüfung der Einkommensgrenze wird das Verfahren wesentlich vereinfacht. Das geben wir zu. Aber der Regierungsentwurf bot insbesondere für Freiberufler und Unternehmer die Möglichkeit, ihr Einkommen einmalig unter die 120 000- bzw. 240 000-DM-Einkommensgrenze zu senken und sie damit unwirksam zu machen. Um Manipulationen dieser Art zu verhindern, wird bei der Prüfung des Einkommens ein zweijähriger Zeitraum zugrunde gelegt. Wir halten das als Minimallösung für richtig, um Manipulationen auszuschließen.
Fünftens. Auf die Ökokomponente und die Genossenschaftsförderung im neuen Gesetz und auf das Bürgschaftsprogramm Ost wird Achim Großmann noch stärker eingehen.
Sechstens. Nicht zuletzt gehört zur Eigentumsförderung die deutlich verbesserte Vorsparförderung. Wir begrüßen die Anhebung der Einkommensgrenzen auf 50 000 bzw. 100 000 DM und die Anhebung der förderungsfähigen Höchstbeträge der Wohnungsbauprämie auf 1 000 bzw. 2 000 DM.
Damit unterstützt die SPD deutlich das Ziel, die Eigentumsquote in Deutschland weiter zu verbessern. Aber wir sagen dabei ganz deutlich. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Wir sagen: Eigentum ist der beste Mieterschutz, aber es müssen noch flankierende Maßnahmen dazu kommen.
Ich will aber zuvor noch sagen: Jeder Bürger kann die Eigenheimzulage nur einmal in seinem Leben in Anspruch nehmen. Es wäre für uns Sozialdemokraten sinnvoll gewesen, wenn Ehepaare, die in der Regel nur einmal bauen, ihre Förderbeträge hätten zusammenlegen können. Diesen Punkt konnten wir leider nicht durchsetzen, auch nicht gegenüber unseren Bundesländern - das geben wir gerne zu -, und zwar aus Kostengründen.
Die SPD hat die Zusammenlegung der Förderung für Ehepaare bis zum anderthalbfachen Betrag gefordert. Prinzipiell bleiben wir bei diesem Vorschlag. Wir haben diese Forderung deshalb auch in unseren Entschließungsantrag aufgenommen.
Das Problem bei der Kumulation sind für den Finanzminister die Vorzieheffekte, nicht die Mehrausgaben. Später würde der Staat ohnehin vom Objektverbrauch bei Ehepaaren profitieren, die ihre Förderung heute zusammenlegen.
Otto Reschke
Es ist ja schon gar keine Praxis mehr bei Finanzministern - das möchte ich zwischendurch anmerken -, schon heute für ihren Nachfolger zu sparen. Vielleicht ist das ein sinnvoller Hinweis, für ihre Nachfolger in naher Zukunft hauszuhalten.
Sobald es wieder Spielraum im Bundeshaushalt gibt, muß über die Einführung der Kumulationsmöglichkeit für Ehepaare neu nachgedacht werden. Dazu gehört auch die Frage besonderer Hilfe für Alleinerziehende. Wir werden diese Punkte aufgreifen.
Eine Übergangsregelung für das neue Gesetz, die sofort greift, also ab heute, ist wichtig, um Attentismus zu verhindern.
Wir hätten gern schon den 28. Juni und nicht den heutigen Tag als Stichtag für die neue Förderung mit dem neuen Wahlrecht vorgeschlagen, weil wir schon die ersten Schreiben vorliegen haben. Danach haben viele nach dem 28. Juni per Kaufvertrag eine Immobilie gekauft, die erst 1996 bezugsfertig wird, und gedacht, bereits in die neue Förderung zu kommen. Ein Stückchen Ungerechtigkeit ist also vorhanden.
Das Eigenheim-Zulagengesetz allein reicht nicht aus, um eine Eigentumsquote von 50 % und mehr zu erreichen. Die Rahmenbedingungen für die Bildung von Wohneigentum müssen deshalb in weiteren Punkten bei den in den kommenden Jahren anstehenden Beratungen im Fachausschuß entscheidend verbessert werden.
Wir fordern die Bundesregierung daher auf, weiterhin auf Möglichkeiten zur verstärkten Baulandausweisung für bauwillige Familien hinzuweisen und die Möglichkeiten dafür zu schaffen. Wir müssen das Erbbaurecht aktivieren, kostengünstiges Bauen fördern und nach meiner Einschätzung auch das Wohneigentumsgesetz bald novellieren, um eine gute Voraussetzung für Wohneigentum in den Ballungsgebieten zu haben.
Den wichtigen ersten Teil der dringend notwendigen Reform der Wohnungspolitik schließen wir heute ab. Aber Verhandlungsbedarf besteht nach wie vor. Das zeigen ja auch die noch fehlenden zwei Millionen Wohnungen, und das zeigt die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahre 2010. Preisgünstiger Wohnraum wird dringend benötigt, und deshalb müssen wir jetzt das Dritte Wohnungsbaugesetz in Angriff nehmen. Die Unterlagen dazu liegen auf dem Tisch. Das ist eine Forderung von Sozialdemokraten aus der letzten Periode.
Die direkten und indirekten Förderungsinstrumente in der Wohnungspolitik müssen endlich harmonisiert und effizienter gemacht werden. Wir brauchen einen neuen Schub für den sozialen Wohnungsbau, nicht dessen Abschaffung, Herr Kollege Braun, vielleicht arbeiten wir auch wieder zusammen, um dieses Ziel zu erreichen.
Wir müssen die Novellierung des Baugesetzbuches angehen. Wir brauchen ein neues umweltverträgliches Stadtkonzept mit einer stärkeren Betonung des Wohnens.
Für eine höhere Baulandbereitstellung müssen die Kommunen endlich ein zoniertes Satzungsrecht haben.
Weiterhin - dies nenne ich als letzten Punkt - steht durch den Karlsruher Spruch zu den Einheitswerten die Reform der Bodenbesteuerung dringend an, damit hier nichts aus dem Ruder läuft.
Eine Menge Reformarbeit liegt vor uns. Wir sind bereit dazu, weil wir meinen, daß Wohnen ein wichtiges soziales Gut in diesem Staat ist.