Herr Kollege Nachtwei, weil ich Sie kenne, antworte ich jetzt noch einmal ganz bewußt - ich habe es ja nur im Fernsehen gesehen -: Statt daß ich Sie als Mitglied des Verteidigungsausschusses bei denen gesehen habe, die den Zapfenstreich mit der Bundeswehr begangen haben, habe ich Sie im Fernsehen leider unter denen gesehen, die gegen die Bundeswehr demonstriert haben, randaliert haben und die „Mörder" gerufen haben, was ich selber gehört habe.
Ich habe nie behauptet - vorher nicht und auch jetzt nicht -, daß Sie es selber gemacht haben, aber Sie standen unter diesen Leuten. Ich finde das sehr beschämend.
Meine Damen und Herren, wir haben heute nicht bloß diese 40 Jahre Bundeswehr, sondern auch fünf Jahre Armee der Einheit. Gerade die Wiedervereinigung und die Übernahme der Nationalen Volksarmee haben gezeigt, wie tragfähig und attraktiv die Bundeswehr ist und mit welchem demokratischen Selbstverständnis, offen und unverkrampft, viele NVA-Soldaten in die Bundeswehr integriert und von unserem System überzeugt werden konnten. Dies ist - und das möchte ich deutlich sagen - eine Pioniertat der Wiedervereinigung. Es ist kein Zufallsprodukt, sondern Ernte einer gelungenen Erziehung unserer Soldaten. Darauf läßt sich aufbauen, denn wir brauchen in Zukunft eine von allen bürgerlichen Kräften gemeinsam getragene Außen- und Sicherheitspolitik. Gerade deshalb und weil ich mich über das, was ich gerade geschildert habe, sehr ärgere, hoffe ich, daß sich auch die Vertreter der Grünen mehr auf die Seite der Bundeswehr stellen können und nicht dann, wenn es irgendwo zu schwierigen Ereignissen kommt, plötzlich wieder alles vergessen, was sie in vernünftiger Kleinarbeit auch zugunsten der Bundeswehr leisten.
Meine Damen und Herren, die CSU war und ist - lassen Sie mich das als Vertreter der CSU deutlich sagen - alles andere als nur ein Schönwetterfreund der Bundeswehr. In Fragen der Landesverteidigung und der Bundeswehr sind wir in jahrzehntelanger Kontinuität immer einen klaren Weg gegangen, ob dies das Thema der Wiederbewaffnung war, das Thema des NATO-Doppelbeschlusses
oder wie zur Zeit der deutsche Beitrag für eine Friedenslösung in Bosnien. 40 Jahre Armee in der Demokratie heißt: 40 Jahre Diskussion und politische Auseinandersetzungen um die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung, 40 Jahre politischer Streit um einen ausreichenden Verteidigungsetat und nicht zuletzt 40 Jahre Überzeugungskampf gegen die trügerische Irrlehre von Pazifismus, die noch von einigen in unserem Land wider bessere Erfahrung gepredigt wird.
Meine Damen und Herren, wie der Blick auf die Ränder Europas zeigt, benötigen wir auch in Zukunft eine gesicherte Verteidigungsfähigkeit. Nicht subjektiver Pazifismus, sondern nur qualitativ hochwertige motivierte Streitkräfte bilden die Garantie für die äußere Sicherheit unseres Landes. Unsere Bürger haben Anspruch auf eine realistische, glaubwürdige und stabile Sicherheitspolitik, die sie wirklich schützt. Sie haben Anspruch auf eine Politik, die auch in Friedenszeiten nüchtern die Risiken analysiert und die nötige Vorsorge trifft.
Meine Partei hat sich immer klar zu den erweiterten Aufgaben der Bundeswehr bekannt. Das vereinte Deutschland muß sich seiner gewachsenen Verantwortung stellen. Wir dürfen dafür auch keine Sonderrolle beanspruchen.
Ich habe das Zutrauen in diese Demokratie - ich möchte das dem Kollegen von der PDS sagen, der vorhin gesprochen hat -, daß wir es jederzeit verhindern werden, daß deutsche Streitkräfte je wieder für verbrecherische Ziele mißbraucht werden. Kein Soldat, auch kein Bürger muß befürchten, daß unsere
Dr. Klaus Rose
Armee je wieder von falschen Ideologen in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geführt wird.
Schöne Worte des Dankes allein nützen nichts. Wir müssen deshalb auch bereit sein, den Preis zu zahlen, um unsere Bundeswehr modern und leistungsfähig zu halten. Deshalb wird heute auch von Verbesserungen gesprochen, und ich sage nochmals: Kollege Augustinowitz wird diesem Kapitel noch besondere Worte widmen.
Meine Damen und Herren, da es um unsere Sicherheit geht, müssen wir uns auch öffentlich zu unserer Bundeswehr bekennen. Für mich ist es eine Form der Undankbarkeit, wenn gefordert wird, die Bundeswehr solle sich in unserer Demokratie mit ihren Gelöbnissen in ihre Kasernen zurückziehen. Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist richtig. Gelöbnisse in der Öffentlichkeit sind eine Selbstverständlichkeit für eine gesellschaftlich integrierte, in die Demokratie eingebettete Armee,
und dieses öffentliche Bekenntnis zu unserer Bundeswehr ist wichtig für unsere Soldaten und wichtig für unsere Gesellschaft.
Die Bundeswehr hat in ihrer Geschichte immer wieder massive Strukturveränderungen in Anpassung an neue Aufgaben hinnehmen müssen. Das hat bekanntlich nicht so sehr die allgemeine Bevölkerung bewegt, aber das hat die Soldaten und ihre Familien getroffen. Viele Bürger in unserem Land können sich nämlich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man unseren Soldatenfamilien in kurzen Zeitabständen immer wieder Mobilität, Versetzung abverlangt.
Um so wichtiger ist es, daß wir unseren Soldaten und ihren Familien in unseren Gemeinden und Städten offen und freundschaftlich begegnen, um ihnen die jeweilige Integration leichtzumachen, daß wir sie immer wieder aufnehmen, daß wir sie akzeptieren, so daß sie sich bald auch am neuen Ort wieder zu Hause fühlen und daß sie bei der Bevölkerung merken, daß sie unterstützt sind.
Meine Damen und Herren, wir erleben, daß Soldaten in vielen Vereinen und Ehrenämtern engagierte Bürger sind, die zu erkennen geben, daß sie einen Beruf gewählt haben, den die Bereitschaft und die Begabung, die Dinge anzupacken, auszeichnet.
Ich meine, wir brauchen dringend auch eine öffentliche Diskussion über den Wert und die Wichtigkeit der Wehrpflicht. Das ist in diesem Jahr ohnehin häufig zitiert worden, aber wenn wir die Erfolgsgeschichte der Armee in der Demokratie fortschreiben wollen, dann - davon bin ich felsenfest überzeugt - müssen wir die Wehrpflicht bewahren.
Wir müssen die Wehrpflicht attraktiv halten und ihr den gesellschaftlichen Wert zukommen lassen, der ihrer Bedeutung entspricht.
Wenn wir heute unseren Soldaten der Bundeswehr danken, dann müssen wir uns in Erinnerung rufen, daß unsere Berufs- und Zeitsoldaten und unsere Wehrpflichtigen sich für Aufgaben bereithalten, die es verlangen, daß sie nötigenfalls auch ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen. Ich weise deshalb um so entschiedener jede Diffamierung und Beleidigung unserer Soldaten zurück.
Ich muß in diesem Zusammenhang nochmals auf die sogenannte Mörder-Diskussion zurückkommen. Sie ist schändlich, sie ist beschämend, sie ist unerträglich.
Was mich an dieser typisch deutschen Diskussion so nachdenklich macht, sind die Häme und der Zynismus derer, die mit dem Selbstanspruch des Pazifisten versuchen, bitteren Unfrieden in unsere Gesellschaft zu bringen.
Ich bin persönlich äußerst unglücklich darüber, daß es dem Verfassungsgericht nicht gelungen ist, mit seinem Urteil die Klarheit zu schaffen, die die Bürger unseres Landes, wie aktuelle Umfrageergebnisse zeigen, mit Recht erwartet haben.
Meine Damen und Herren, es ist schwierig, in einer freien und pluralistischen Gesellschaft Werte und Autoritäten zu erhalten, auf die die Bürger vertrauen können und die unserem Staat Stabilität und innergesellschaftlichen Frieden geben. Gerade deshalb haben Gerichte eine besondere Verantwortung. Gerade deshalb dürfen diese Werte nicht durch falsche oder zumindest unverständliche Urteile schwierig gemacht werden. Wir werden denen entschieden widersprechen, die versuchen, die Dinge auf den Kopf zu stellen.
Meine Damen und Herren, jeder Staat hat Vorsorge zu treffen, Leben und Freiheit seiner Bürger zu verteidigen. Deshalb sage ich - wie vorhin Minister Rühe - nochmals laut und deutlich: Wehrdienst ist Ehrendienst. Es ist ein lebenswichtiger Dienst für unser Land und für die Menschen in unserem Land, für deren Lebensqualität, für ihre Freiheit und für ihren Wohlstand. Wenn jemand Wehrdienst geleistet hat, kann er immer noch alte und behinderte Menschen pflegen. Deshalb ist die Priorität auf jeden Fall auch unter diesem Gesichtspunkt zu werten.
Ich meine, wir sollten auch zukünftig für eine leistungsfähige Landesverteidigung streiten. Deshalb fordere ich alle Parteien im Deutschen Bundestag auf, sich geschlossen hinter den Auftrag der Bundeswehr zu stellen.
Wir sind gegen jede weitere Reduzierung der Stärke
der Bundeswehr; das sage ich jetzt als CSU-Politiker.
Die Wehrpflicht muß für die jungen Menschen in un-
Dr. Klaus Rose
serem Land ein attraktiver und anerkannter Dienst bleiben.
Deshalb möchte ich zum Abschluß allen Soldaten und ihren Familien sagen: Wir sind der Bundeswehr sehr dankbar. Wir sind stolz auf unsere Bundeswehr. Sie hat ihren Platz mitten unter uns. Wir brauchen sie, um weiter in Frieden leben zu können.