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ID1306503800

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    Plenarprotokoll 13/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. November 1995 5563 A Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5563 B Joachim Hörster CDU/CSU 5563 D Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 40 Jahre Bundeswehr — 5 Jahre Armee der Einheit b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 13/1801, 13/2209, 13/2547, 13/2548) . 5564B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksache 13/580) . 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fortsetzung der Bundeswehrreduzierung und Verzicht auf Umstrukturierung der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze (Drucksache 13/499) 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten der PDS: Kampfeinsätze der Bundeswehr (Drucksachen 13/136, 13/1880) . . . . . . . 5564 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5564 D Rudolf Scharping SPD 5568 C Paul Breuer CDU/CSU 5572 A Rolf Köhne PDS 5573 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5575 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . 5577 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5577 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5580 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5582 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5584 A Walter Kolbow SPD 5585 D Rainer Eppelmann CDU/CSU 5588 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5590 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 5592 C Dieter Heistermann SPD 5594 C Paul Breuer CDU/CSU 5595 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5597 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5598A Dr. Gregor Gysi PDS 5600A Volker Kröning SPD 5601 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5603 B Rolf Köhne PDS 5605 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 30 GO) 5606A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachen Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksachen 13/2235, 13/ 2476, 13/2784, 13/2785) 5607 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksachen 13/2304, 13/2357, 13/2784) 5607 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wohnungsbaugenossenschaften stärken - Mitglieder steuerlich fördern (Drucksachen 13/1501, 13/1644, 13/2771) 5607 B Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 5607 C Otto Reschke SPD 5608 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 5610 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5611B Dr. Barbara Höll PDS 5611 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5612C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5613 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 5614 B Detlev von Larcher SPD 5614 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5615 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 5616D Achim Großmann SPD 5618 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5620 B Otto Reschke SPD 5621 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5622 A Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5622 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung für ostdeutsche Kommunen angesichts erster Bewertungsergebnisse eines Rechtsgutachtens zur Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen 5623 C Dr. Christine Lucyga SPD 5623 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5624 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5625 D Jürgen Türk F.D.P 5626 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5627 C Irmgard Karwatzki, Pari. Staatssekretärin BMF 5628 B Dr. Uwe Küster SPD 5629 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 5630 B Gunter Weißgerber SPD 5631 A Susanne Jaffke CDU/CSU 5631 D Dr. Mathias Schubert SPD 5632 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 5633 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5634 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/2746) 5635 B Ulf Fink CDU/CSU 5635 C Brigitte Lange SPD 5636 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5638 A Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 5639A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5640 A Nächste Sitzung 5640 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5641 * A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5641 * C 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD SPD SPD SPD 27. 10.95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Barthel, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Blunck, Lilo SPD F.D.P. 27. 10. 95 Conradi, Peter Dietert-Scheuer, Amke SPD SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Dr. Dobberthien, Marliese CDU/CSU PDS 27. 10. 95 ** Günther (Plauen), Joachim PDS CDU/CSU 27. 10. 95 Dr. Hartenstein, Liesel Hempelmann, Rolf Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Jacob, Willibald Jüttemann, Gerhard Kuhn, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Lengsfeld, Vera CDU/CSU SPD 27. 10. 95 Marten, Günter SPD CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10.95 Meißner, Herbert Neumann (Berlin), Kurt Dr. Pinger, Winfried BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Dr. Reinartz, Bertold Schaich-Walch, Gudrun Scheel, Christine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schlauch, Rezzo CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Schmidt (Mülheim), Andreas SPD 27. 10. 95 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schultz (Everswinkel), Reinhard Schumann, Ilse Steindor, Marina Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Thiele, Carl-Ludwig Thieser, Dietmar Tippach, Steffen Titze-Stecher, Uta F.D.P. 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 * Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Zierer, Benno SPD PDS SPD CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 689. Sitzung am 13. Oktober 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Achtzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen - Gesetz zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Wahl der Richter und Richterinnen) - Drucksache 13/1626 - - Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Wege zu einem dauerhaft umweltverträglichen Umgang mit Stoffen und Energien" - Drucksache 13/98 - - Antrag: Das Meer ist keine Müllhalde - Drucksache 13/1727 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 13/1376, 13/1787 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/6960, 13/725 Nr. 132 5642* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 12/7063, 13/725, Nr. 174 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen haben. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/2306 Nr. 2.67 Innenausschuß Drucksache 13/765 Nr. 1.20 Drucksache 13/765 Nr. 1.21 Finanzausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.10 Drucksache 13/1614 Nr. 2.11 Drucksache 13/2306 Nr. 2.13 Drucksache 13/2306 Nr. 2.61 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338 Nr. 2.2 Drucksache 13/1442 Nr. 1.4 Drucksache 13/1799 Nr. 2.4 Drucksache 13/2306 Nr. 2.27 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/725 Nr. 137 Drucksache 13/725 Nr. 139 Drucksache 13/269 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 98 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/478 Nr. 1.2 Drucksache 13/1038 Nr. 15 Drucksache 13/1338 Nr. 1.6 Drucksache 13/1614 Nr. 1.9 Drucksache 13/1799 Nr. 1.1 Berichtigung Im Anhang zum stenographischen Protokoll der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. September 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Drucksachennummer 13/725, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 112 und Nr. 124 ersatzlos zu streichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Kolbow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Breuer, wenn Sie mich im Zusammenhang vortragen lassen wollen. Wir können so oft im Verteidigungsausschuß die Klingen kreuzen. Ich glaube zu wissen, was Sie fragen wollen. Ich komme darauf während meiner Ausführungen sicherlich noch zurück. Ich bitte ausdrücklich, dies nicht als fehlenden Respekt vor dem Kollegen Breuer zu werten, sondern ich möchte in meiner kurzen Redezeit im Zusammenhang vortragen.
    Innere Führung, das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform sind Markenzeichen unseres Beitrages. Ich füge die Stichworte Bildungsreform in den Streitkräften, Bundeswehruniversitäten und Militärgeschichtliches Forschungsamt hinzu; Sie haben das auch in Ihren Aussagen zu diesem Tag gewürdigt.
    Ich nenne nicht ohne Grund auch das Sozialwissenschaftliche Institut, das im Augenblick unter Ihrer Verantwortung, Herr Bundesminister der Verteidigung, ein Kümmerdasein führt. Ich rege an dieser Stelle auch an zu überlegen, ob man dieses wichtige, auch unabhängige Meinungen fördernde, im Zusammenhang mit wichtigen Fragen unserer Landesverteidigung notwendige Institut nicht der Wehrbeauftragten unterstellt und es damit dem Parlament gibt, damit wir gemeinsam mit den Streitkräften diese Leitideen der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform vertiefen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir in der parlamentarischen Opposition fühlen uns heute wie in der Gründungszeit für die Bundeswehr mitverantwortlich. Dies wird aus den deutlich bekundeten Übereinstimmungen, aber natürlich auch in den Gegensätzen zur Bundesregierung sichtbar. Ich komme darauf zurück.
    Ich will hier für meine Fraktion noch einmal in Unterstreichung dessen, was mein Fraktionsvorsitzender gesagt hat, herausstellen, daß dieser Tag eine hervorragende Bedeutung ebenso deswegen hat, weil wir fünf Jahre Armee der deutschen Einheit begehen können. Auch da gibt es keinen Dissens zwischen den wesentlichen, die Streitkräfte stützenden politischen Kräften in unserem Lande.
    Mir ist dabei die Botschaft des damaligen Befehlshabers in den neuen Ländern General Schönbohm im Bewußtsein, der in seinem Buch „Ein Staat, eine Armee" geschrieben und den NVA-Soldaten quasi zugerufen hat:
    Wir kommen nicht als Sieger zu Besiegten, sondern als Deutsche zu Deutschen. Wir wollen gemeinsam die Zukunft gestalten, in Kenntnis der Vergangenheit. Nur dies konnte der Weg sein, der auch tragfähig war. Wir müssen eine gemeinsame Perspektive entwickeln, damit es für alle lohnend war, sich einzubringen.
    Das war der Maßstab des Erfolgs, den sich die Politik gesetzt hatte. Der Erfolg ist eingetreten.
    Deshalb ist nach der Vereinigung zu sagen: Die Loyalität der Bundeswehr als verläßlicher Teil unserer Demokratie steht außer Frage. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind wesentlicher Bestandteil unserer freien Gesellschaft, und sie haben zusammen mit den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen wichtigen Anteil am Aufbau des Staates. Sie stehen für die Sicherheit ein, und tagtäglich bewähren sie sich auch als demokratische Mitbürgerinnen und Mitbürger.
    Deswegen schulden wir ihnen und ihren Familien Dank. Weil dies so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf man nicht blind auf die Soldatinnen und Soldaten und auf die, die sie stützen, einschlagen, auch nicht im Zusammenhang mit dem Großen Zapfenstreich. Man muß - das kann nicht befohlen werden - in unserem Lande, in unserer Demokratie, den Zapfenstreich nicht mögen - ich mag ihn -, aber man muß, so meine ich - und da richte ich mich an die links von uns stehenden Parteien und Gruppen in diesem Bundestag -, in jedem Fall soviel Gelassenheit aufbringen, ihn zu tolerieren. Das verlangen wir als Demokraten, um Sie als solche zu respektieren, von Ihnen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Heute, im vierzigsten Jahre des Bestehens, steht die Bundeswehr vor einer weiteren Zäsur. Es ist auf das wichtige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen worden, vor dem, Herr Kollege Rühe, nicht die Soldaten standen. Dieses Wort, glaube ich, wollten Sie so, wie es angekommen ist, nicht sagen. Vor dem Gericht stand eine Weiterentwicklung unse-

    Walter Kolbow
    rer Politik in bezug auf notwendige internationale Entwicklungen, und die Politik selbst stand durch den Klagevertreter Herrn Kinkel, der mit in Ihrem Kabinett sitzt, vor Gericht.
    Es ist der Beharrlichkeit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu verdanken,

    (Widerspruch bei der F.D.P.)

    daß dies ein Parlamentsheer auch bei internationalen Einsätzen ist, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Weil es ein Parlamentsheer ist, bitte ich Sie - bescheiden aus der parlamentarischen Arbeit heraus, wie es dem Sprecher einer Oppositionsfraktion zukommt - zu überlegen, ob nach diesen deutlichen Worten des Verfassungsgerichts bei einem wichtigen Zeremoniell unserer Streitkräfte nicht auch die Bundestagspräsidentin auf das Ehrenpodium gehört.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Jetzt hat das Schicksal aber zugeschlagen! Paul Breuer [CDU/CSU]: Kolbow wollte ja nicht klagen!)

    Denn auch das Parlament repräsentiert unsere Streitkräfte. Sie haben das Recht, Frau Kollegin Dr. Süssmuth - so darf ich in diesem Fall sagen -,

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Professor!)

    die Ehrungen mit abzunehmen, und brauchen nicht wie wir nur auf der Besuchertribüne zu stehen.

    (Beifall bei der SPD Günter Verheugen [SPD]: Das sind die kleinen Stillosigkeiten!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die neuen Aufgaben fordern notwendigerweise eine Modernisierung der Bundeswehr. Sie muß breit angelegt sein. Sie muß die Konkretisierung des Auftrags, das Konzept der Inneren Führung, die Personalführung, die Ausbildung, die Ausrüstung, die Integration in Staat und Gesellschaft sowie die Integration der Streitkräfte in das westliche Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis nicht nur wie bisher umfassen, sondern auch vertiefen. Ich unterstreiche ausdrücklich das zur Verbreiterung im Bündnis Gesagte, was internationale Korps betrifft und was die Grundlage der Bündnisfähigkeit ist.
    In diesem Prozeß haben die Soldaten und Soldatinnen einen Anspruch auf besondere Fürsorge. Daher ist eine vorausschauende mittelfristige Bundeswehrplanung notwendig, die alle politischen, militärischen, betriebswirtschaftlichen und sozialen Faktoren sowie die Ergebnisse politischer Erwägungen einbezieht. Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, die Reform der Bundeswehr für alle nachvollziehbar und über einen längeren Zeitraum hinweg zu planen. Ein knapper, inhaltlich auch noch umstrittener Koalitionsvereinbarungsbeschluß von 1994 kann doch nicht die Grundlage dafür sein, meine Damen und Herren von der Koalition, wie die Bundeswehr in der Zukunft aussehen soll. Das ist zu kurz gesprungen. Das erreicht auch nicht unsere ganze Gesellschaft, die dabei mitwirken muß. Deswegen treten
    wir dafür ein, in unseren Streitkräften einen Dialog über die große Bundeswehrreform zu führen, die wir nach wie vor nicht haben.

    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Gesellschaft vor allem!)

    Wir sind bereit, mit unseren Kräften dabei mitzuwirken und einen Beitrag zum Konsens zu leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, im Verhältnis von Parlament und Bundeswehr - ich habe die Bedeutung des Parlamentsheeres herausgestrichen - hat das Amt des Wehrbeauftragten einen überragenden Stellenwert. Mir ist es persönlich, aber natürlich auch politisch ein wichtiges Anliegen, dem Sozialdemokraten Karl Wilhelm Berkhan, der von 1975 bis 1985 dieses Amt vorbildlich ausübte, im nachhinein Dank zu sagen und an dieser Stelle an sein Wirken zu erinnern. Er war das Auge und das Ohr, und er war das soziale Gewissen. Das ist seither der Maßstab für die Arbeit aller Wehrbeauftragten in unserem Land.

    (Beifall bei der SPD Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Was ist denn mit den anderen Wehrbeauftragten? Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Die haben Sie doch schon gelobt! Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/ CSU]: Wir haben alle gelobt! Das ist der Unterschied!)

    Wir haben heute festzustellen - trotz der richtigen Worte des Herrn Bundeskanzlers und auch des Herrn Bundesministers der Verteidigung: Wehrpflicht ist und bleibt Ausdruck der Bürgerverantwortung -, daß sich die Wehrpflicht heute in einer Krise befindet. Ihre Legitimation in unserer Gesellschaft ist zumindest brüchiger geworden, wenn nicht gar brüchig. Von den jungen Männern wird sie immer weniger akzeptiert. Hier ist die Praxis gefordert, die Sie angemahnt haben. Ich habe den Eindruck, daß niemand frei davon ist, an Sonntagen feierlicher und grundsätzlicher zu sprechen als an Werktagen. Aber bei der Wehrpflicht - das muß ich Ihnen auch nach dem sagen, was Sie wieder vorschlagen - sind Sie den Sonntagsreden näher als wir.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Deswegen mahne ich an, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ein „Weiter so!" genügt hier nicht. Die Defizite in der gesellschaftspolitischen Diskussion sind zu groß. Wir haben sie miteinander auszugleichen. Die Feststellungen der Grünen und der Gruppe der PDS hierzu müssen wir aus Überzeugung ablehnen. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist nicht die richtige Antwort darauf.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Hier gilt: Nicht alles - und ich kenne viele ernstzunehmende Kolleginnen und Kollegen gerade unter den Verteidigungspolitikerinnen und Verteidigungspolitikern und diskutiere mit ihnen -, was gut gemeint ist, ist auch gut. In diesen Zusammenhang gehört Ihre Position zur Wehrpflicht.

    (Beifall bei der SPD)


    Walter Kolbow
    Meine Damen und Herren, die Soldatinnen und Soldaten sind von allen gewürdigt worden.

    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann „Soldatinnen und Soldaten" nicht mehr hören!)

    - Daran müssen Sie sich gewöhnen; denn auch Soldatinnen tragen Uniform. Ich habe mich ebenfalls daran gewöhnen müssen. Dem Anspruch auf Emanzipation werden wir auch dadurch gerecht, daß wir jungen Frauen das Recht geben, Soldatinnen zu werden, auch wenn sie es selber nicht wollen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will zum Abschluß meiner Rede deutlich machen: Wir haben in den Art. 87a und 87 b des Grundgesetzes die Aufgabenteilung zwischen den Streitkräften und der Bundeswehrverwaltung zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung festgeschrieben. Dieses hat sich bewährt. Dabei wollen wir bleiben. Nur müssen dann auch die Bediensteten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im zivilen Bereich, merken, daß Sie, die politische Führung, mit ihnen bei der Reduzierung auf soziale Weise umgehen. Ich mahne die Behandlung der Fragen der Vertiefung des Tarifvertrages und der Sozialfürsorge an. Die Wohnungsfürsorge für unsere Bundeswehr ist eine Katastrophe. Ich will den Bundesverteidigungsminister nicht für etwas in Anspruch nehmen, was er nicht zu vertreten hat. Aber wenn der Bundesfinanzminister, weil er kein Geld mehr hat, jetzt Bundeswohnungen verkauft, müssen wir genau darauf achten, ob es sich dabei nicht auch um bundeswehreigene Wohnungen handelt,

    (Beifall bei der SPD)

    so daß dann im Ergebnis die Bediensteten der Bundeswehr die Benachteiligten sind.
    Ich will auch an die Reservisten erinnern, die einen wichtigen Dienst leisten und die auch von dieser Stelle im Deutschen Bundestag aus gesagt bekommen sollen, daß wir anerkennen, welch wichtigen Dienst sie leisten, und daß wir sie weiter brauchen.
    Wir grüßen von dieser Stelle aus alle, die heute in den Kasernen sind und uns möglicherweise zuschauen oder sich eine Aufzeichnung anschauen können. Wir grüßen die Familien der Soldaten.

    (Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Das ist doch eine Sonntagsrede!)

    - Das ist ein wichtiger Anspruch, Herr Kollege Rose, den Sie in Ihrer Rede, die folgen wird, einlösen können.
    Für uns gilt unverändert der Satz von Willy Brandt, der eine Gesamtwürdigung dessen darstellt, was die Bundeswehr 40 Jahre lang bewirkt hat, und der ein Wunsch in bezug darauf ist, was die nächsten 40 Jahre für unser Land Gutes bringen sollen: „Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. "
    Deswegen wünschen wir den Angehörigen der Bundeswehr Glück auf dem weiteren Weg in eine friedliche Zukunft.
    Ich danke für die Geduld.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Kollege Rainer Eppelmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rainer Eppelmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wußten eigentlich die Menschen in der DDR von der Bundeswehr, die in diesen Tagen ihr 40jähriges Bestehen feiern kann? Ein weitverbreitetes DDR-Wörterbuch der Geschichte charakterisierte die Bundeswehr als
    ... wichtigstes bewaffnetes Machtorgan des staatsmonopolistischen Regimes der BRD, dessen innenpolitische Funktion die Sicherung der monopolkapitalistischen Klassenherrschaft ist und dessen außenpolitische Funktion darin besteht, expansionistische Ziele unter militärischer Gewaltanwendung erreichen zu können.
    Ich mute Ihnen allen diesen typischen SED-Text zu, weil mir wichtig ist, mit diesem Zitat deutlich zu machen, was die Menschen in der DDR nach dem Willen der DDR-Machthaber von der Bundeswehr glauben sollten.
    Das Eintreten für den Frieden und die Verweigerung des Waffendienstes in der Nationalen Volksarmee

    (Zuruf des Abg. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    - hör doch zu! - gehörten in der DDR zu den wichtigsten Motiven für Widerstand und Opposition. Ich selber wurde endgültig zu einem politischen Menschen, als ich mich zum Dienst in den Baueinheiten der NVA entschloß und als „Spatensoldat" das Gelöbnis verweigerte, mit dem ich meinen militärischen Genossen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam geloben sollte. Das konnte und das wollte ich nicht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie war das in der Ost CDU?)

    Nach dem Sturz der SED-Diktatur wurde aus dem Bausoldaten, der wegen Gelöbnisverweigerung acht Monate Militärhaft hatte abbüßen müssen, ein Minister. Ich legte großen Wert darauf, daß sich das Ministerium, an dessen Spitze ich berufen wurde, „Ministerium für Abrüstung und Verteidigung der DDR" nannte. Ich glaube auch heute noch, daß wir damit damals ein wichtiges Zeichen gesetzt hatten. Der Verteidigungsauftrag wird im Interesse der Menschen, um deren Verteidigung es geht, immer nur dann richtig begriffen, wenn er alle Möglichkeiten, zu geordneten Formen der Abrüstung zu kommen, im Blick behält.
    Die Position, die meine Freunde und ich damals einnahmen, war damals keineswegs selbstverständlich. Wir begannen aber zu begreifen, daß die Vereinigung unseres geteilten Landes in Frieden und Freiheit nur dann möglich sein würde, wenn es gelingt,

    Rainer Eppelmann
    die Vereinigung von Volksarmee und Bundeswehr erfolgreich zu gestalten.
    Welche harten Konflikte sich damit auch im ganz persönlichen Bereich ergaben, will ich Ihnen mit einer kleinen Geschichte, an die ich mich noch erinnern kann, illustrieren: Als ich zu der Zeit, in der ich Minister für Abrüstung und Verteidigung war, eines Tages nach Hause kam - ich wohnte damals noch in der Gemeinde, in der ich Pfarrer war -, war mit großen Lettern an die Wand des Hauses, in dem ich lebte, gesprüht: „Eppelmann treibt uns in die NATO". Ich habe hinterher erfahren, daß es ein lieber Mensch war, der das an die Wand gesprüht hatte. Er hat seine Sorgen öffentlich gemacht und versuchte auf diese Weise, seinem Vater etwas ins Stammbuch zu schreiben. Es war mein ältester Sohn, der das an die Wand gesprüht hat.

    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Familie!)

    - Ja, und - darauf lege ich Wert - nicht ohne den Vater denkbar.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich erzählte diese Geschichte, um Ihnen deutlich zu machen: Die deutsche Vereinigung erfordert von allen daran Beteiligten ein neues Denken. Wir von der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR mußten unsere Auffassungen zur politischen Aufgabe der Verteidigung und zur politischen Funktion einer Bürgerarmee grundlegend überdenken. Bei allen Parallelen gab es nämlich gewaltige grundsätzliche Unterschiede zwischen Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, zwischen NATO und WVO. Armee ist eben nicht gleich Armee, und militärisches Bündnis ist eben nicht gleich militärisches Bündnis.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Heute ist mir klar - als Pazifist sage ich das eigentlich gar nicht so gerne; aber um der Ehrlichkeit willen muß ich es sagen -: Ohne NATO und ohne Bundeswehr gäbe es heute kein demokratisches Europa mit einem demokratischen Deutschland. Davon bin ich überzeugt. Darum bin ich froh, daß es sie gegeben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Walter Kolbow [SPD])

    Im Bonner Verteidigungsministerium, in der Bundeswehr und in der Führung der Nationalen Volksarmee mußte man darüber nachzudenken beginnen, wie zwei Armeen, die sich fast vier Jahrzehnte lang als potentielle Kriegsgegner gegenüberstanden, nun zusammengeführt - zusammen geführt - werden können. Die NVA-Angehörigen sahen sich zusätzlich einer völlig ungewissen Zukunft gegenüber. Hervorragend ausgebildet und ausgestattet sahen sie, die doch wie alle anderen Bürger auch ihre persönlichen Hoffnungen und Ängste hatten, sich einer mehr als ungewissen Zukunft gegenüber.
    Das politische Urteil über die Nationale Volksarmee als Klassen- und Machtinstrument der SED konnte durch diese Einsicht jedoch nicht getrübt werden. Die NVA stand immer bereit, ihren sogenannten Klassenauftrag zu erfüllen. Wir wissen heute: Diese Armee bereitete sich im Auftrag der SED-Machthaber auf die Eroberung Westberlins vor, entwickelte Pläne für die Besetzung Westdeutschlands bis zum Rhein und war - auch das wissen wir inzwischen durch die Arbeit der Enquete-Kommission - voll einsatzbereit, als in Prag und Warschau die kommunistischen Diktaturen zu wanken begangen. Erst - aber auch das muß fairerweise dazugesagt werden - in den letzten Wochen und Monaten der DDR begann sich dieser blinde Gehorsam gegenüber den Diktatoren zu wandeln. Und in der Wendezeit stellte sich die NVA in ihren allergrößten Teilen auf die Seite der ersten demokratisch gewählten Regierung in der DDR. Dafür gehört ihr Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bundesverteidigungsminister Volker Rühe hat die Überleitung der NVA in die Bundeswehr am 9. Oktober als eine Leistung gewürdigt, die historisch ohne Beispiel ist. Als einer, der an diesem Prozeß beteiligt war, kann ich dieses Urteil aus meiner Sicht bestätigen. Ich glaube, wir dürfen heute sagen: Die Integration ist - gemessen am Leben und nicht an irrationalen Träumen - beispielhaft gut gelungen. Aus Menschen, die sich als Feinde gegenüberstanden, sind Kameraden geworden. Alte Feindbilder sind innerhalb von wenigen Monaten zerbrochen. Rund 3 000 Offiziere und 7 600 Unteroffiziere der ehemaligen NVA wurden von der Bundeswehr übernommen. Bundeswehrdienststellen wurden in den neuen Bundesländern neu aufgebaut, Wehreinrichtungen, Truppenteile und Dienststellen vom Westen in den Osten verlegt. In jedem Jahr der deutschen Einheit wurden die sanitären und hygienischen Verhältnisse, wurde die Unterbringungs- und Betreuungssituation der Soldaten besonders in den neuen Bundesländern durch Milliardenbeträge massiv verbessert.
    Solche Zahlen und Aussagen verdeutlichen nicht alles. Wichtig war und ist mir, welche Schicksale sich dahinter erkennen lassen. In der gesamtdeutschen Bundeswehr ist jenes Vertrauen gewachsen, das Menschen brauchen, die sich im Ernstfall total aufeinander verlassen müssen.
    Inzwischen hat auf der Ebene der Wehrpflichtigen jene Durchmischung stattgefunden, die die Integration erst wirklich dauerhaft macht. Bis heute haben 200 000 ostdeutsche junge Männer ihren Wehrdienst in der Bundeswehr abgeleistet - viele von ihnen an Standpunkten, die sich in den alten Bundesländern befinden. Die Erfahrungen, die sie da mit ihren Kameraden gemacht haben, waren überwiegend positiv. Das finde ich gut. Auch in diesem Bereich wächst allmählich zusammen, was zusammengehört.
    Mit dem Prinzip der Durchmischung von Wehrpflichtigen, längerdienenden Soldaten und Zivilbeschäftigten aus Ost und West wird für das Zusammenwachsen der Menschen ein besonders wichtiger Beitrag geleistet. Die Bundeswehr bereitet sich damit auf die völlig neuen Aufgaben vor, die ihr ein zusammenwachsendes Europa stellt, in dem Integration, Konfliktbegrenzung und Katastrophenhilfe in ge-

    Rainer Eppelmann
    meinsamer Verantwortung organisiert werden müssen.
    Ich könnte hier noch sehr viel davon berichten, was ich als Pazifist und Zivilist in der Zeit der Überleitung der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr erlebt habe. Gewiß habe ich dabei auch Fehler gemacht. Gewiß bin ich dabei von den Profis auch gelegentlich über den Tisch gezogen worden. Ich habe aber auch hohe Einsatzbereitschaft, Vermittlungsfähigkeit in schwierigen Konfliktsituationen und hohe fachliche Kompetenz bei den Männern erlebt, mit denen ich da zu tun hatte.
    Auch an dieser Stelle möchte ich deutlich sagen: Es ist ein ungeheures Verdienst, daß bei der Fülle von Waffen, Munition und Material, die uns übergeben worden ist - das läßt sich heute nachweisen -, nicht eine Pistole, nicht ein Schuß Munition verlorengegangen ist. Da ist eine ganz wichtige Arbeit zur Erhaltung des inneren Friedens für uns alle geleistet worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das hätte im Frühjahr 1990 alles ganz anders laufen können.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Gefahr eines Putsches einzelner bewaffneter Kräfte der SED-Diktatur war nicht nur ein Hirngespinst überängstlicher Gemüter.
    Wenn wir heute an die Gründung der Bundeswehr vor 40 Jahren denken, dann gehört für mich auch der fünfte Jahrestag der Integration der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr dazu. Immerhin ist das schon ein Achtel ihrer Gesamtgeschichte.
    Natürlich hätte ich mir gewünscht, daß noch mehr Menschen in diesen Integrationsprozeß hätten einbezogen werden können. Ich weiß aber auch, wo die Grenzen - auch vor dem Hintergrund von Wien I und Wien II - des Machbaren und Möglichen liegen. In manchen Punkten hätte man gewiß großzügiger sein können. So halte ich es noch immer für möglich, daß Offiziere der NVA, die sich nichts zuschulden kommen ließen, ihren militärischen Rang mit einem sachlich präzisen Zusatz, z. B. Oberst a. D. oder Oberst der NVA a. D., führen dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Auch im Bereich der Versorgungsleistungen halte ich Verbesserungen noch immer für machbar. Wir sollten da so großzügig wie nur möglich verfahren. Wer hier aber kritisiert, sollte dabei fair sein. Das heißt, es geht und es ging uns in unserem politischen Bemühen um eine allgemeinverträgliche Lösung. Nicht alle Wünsche sind erfüllbar, und das Ergebnis ist nicht immer von allen zu akzeptieren. Wer zu laut über nach seiner Meinung zu schlechte Behandlung schimpft, sollte bedenken: Wenn die Geschichte anders gelaufen wäre, hätte kein Soldat und kein Offizier der Bundeswehr in der NVA anerkannt Dienst tun können. Auch hier hat sich der demokratische
    Rechtsstaat als überlegen und als der menschlichere Staat erwiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Bundeswehr ist heute eine gesamtdeutsche Armee, in der Menschen aus den alten und neuen Bundesländern gemeinsam wirken. Sie verstehen sich als „Staatsbürger in Uniform", die sich in Befehl und Gesetz nicht an eine Parteiclique, sondern an die Grundwerte unserer freiheitlichen Demokratie und ihr Gewissen gebunden fühlen. Sie verstehen sich als Angehörige einer Armee, die unlösbar in ein umfassendes Bündnis der parlamentarischen Demokratien in dem sich vereinenden Europa eingebunden ist. Sie erproben und bewältigen vor dem Hintergrund unterschiedlichster Biographien Tag für Tag alle die vielfältigen Probleme, die der Prozeß der deutschen Einheit uns allen aufgibt.
    Die Bundeswehr ist zu einer Schmiede der Integration und der deutschen Einheit geworden. Die Bundeswehr als Bürgerarmee des vereinigten Deutschlands ist zu einem guten Modell dafür geworden, was wir in allen Bereichen unseres Lebens erreichen wollen und müssen. Darum muß sie, solange wir noch eine Armee brauchen, eine Bürgerarmee bleiben; sie sollte keine Berufsarmee werden und keinesfalls eine Parteiarmee, wie es die NVA war.
    Ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß ich mir vor fünf Jahren diese Entwicklung zwar vorstellen konnte, daß ich keineswegs aber gewiß war, ob es sich auch realistisch umsetzen läßt. Heute kann ich voller Dankbarkeit feststellen: Das große Experiment ist gelungen. Verantwortung füreinander und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und sich völlig neu zu orientieren, haben sich in der Bundeswehr des vereinten Deutschlands bewährt. Dafür danke ich allen aus den alten und den neuen Bundesländern, die dazu beigetragen haben und dies geschafft haben. Danke schön ihnen allen!

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Beifall bei der SPD)