Rede von
Volker
Rühe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Lippelt, wir haben vor allen Dingen eine erfolgreiche Politik für den Frieden gemacht. Heute sind alle diese Waffen verschwunden, die hinzunehmen Sie bereit waren. Das ist genau der entscheidende Punkt.
Im übrigen: Zapfenstreiche haben alle Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt, alle Bundeskanzler; dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Es ist eine gute Tradition der Bundeswehr, die sich dort entwickelt hat.
Meine Damen und Herren, wenn wir heute an 40 Jahre Bundeswehr denken, dann erinnern wir uns auch an die vielen Soldaten, die im Frieden ihr Leben ließen. In tiefer Trauer verneigen wir uns vor den Kameraden der Luftwaffe, die am vergangenen Sonntag mit ihrer Transall-Maschine auf den Azoren tödlich verunglückt sind. Diese Männer gehören zu denen, die seit Jahren überall auf der Welt, zuletzt auch für Sarajevo und Bosnien, Tausenden von not-leidenden Menschen Hilfe gebracht und Hoffnung gegeben haben, unter Gefahr für Leib und Leben, unter Beschuß. Um so tragischer ist es, daß sie ihr Leben auf diesem Flug gelassen haben.
Wir müssen in einer solchen Stunde daran erinnern, daß wir um diese toten Soldaten trauern. Vor
allem den Angehörigen möchte ich in dieser Stunde sagen, daß ihnen unser ganzes Mitgefühl gilt.
Vierzig Jahre Bundeswehr, fünf Jahre Armee der Einheit: Freiheit und Menschenwürde, Recht und Frieden, Solidarität mit Verbündeten, Hilfe für Menschen in Not bestimmen den Dienst der Soldaten der Bundeswehr. Diese vierzig Jahre waren vier Jahrzehnte Kriegsverhinderung in schwieriger Zeit. In vielen europäischen Krisen der Nachkriegszeit haben Bundeswehr und Nordatlantisches Bündnis der Bundesrepublik Rückhalt gegeben, und die Bundeswehr war und ist das Rückgrat der NATO-Verteidigung in Mitteleuropa.
Ich möchte eine Bemerkung von Herrn Scharping aufgreifen. Er hat vor der Gefahr der Renationalisierung gewarnt. Wolfgang Schäuble und ich haben uns angeschaut: Das ist genau der Punkt, warum wir in den letzten Jahren so energisch darum gekämpft haben, daß unsere Soldaten, die auch vor Gericht standen, an Bord der AWACS-Maschinen bleiben. Es ist ein großartiger Fortschritt, daß jetzt zwölf Nationen gemeinsam ein Flugzeug betreiben und - ob Luxemburger oder Amerikaner - jeder dieselben Informationen bekommt. Wer dort aussteigt, der führt genau diese Renationalisierung herbei.
Herr Scharping, man kann nicht das deutsch-niederländische Korps begrüßen - ich bin auf das, was wir da verwirklicht haben, stolz - und gleichzeitig darauf bestehen, daß ich, wenn es ernst wird, den niederländischen Kollegen sagen muß: Unsere Einheiten bleiben leider zu Hause bzw. im Hafen.
Wir reden doch über eine weitere Vertiefung der Gemeinsamkeiten. Das ist der Kern der Dinge: Wer die europäische Gemeinsamkeit will, wer eine Renationalisierung verhindern will, der muß uns auf diesem Wege folgen. Die Bundeswehr muß bereit sein, zusammen mit ihren Freunden, Nachbarn und Verbündeten hier ihren Beitrag zu leisten. Das ist die eigentliche Aufgabe, der Sie sich stellen müssen, wenn Sie mit uns darin übereinstimmen.
40 Jahre Bundeswehr sind auch 40 Jahre Innere Führung. Darüber hat es manche Debatten gegeben, heute aber nicht mehr. Ich muß Ihnen sagen: Ich bin zutiefst beeindruckt gewesen, als ich die Soldaten im Einsatz erlebt habe. In schwierigen Situationen, in Somalia und anderswo, hat nicht Zackigkeit gezählt, sondern Souveränität, auch die Souveränität des Feldwebels, sich auf die Kultur einzustellen und lieber ein paar Stunden zu reden und einen Brunnen zu bauen, statt nur daran zu denken, Sicherheit mit Maschinengewehren herzustellen.
Auf die Verteidigungskultur, die wir entwickelt haben und die heute ein großer Exportartikel in Richtung der neuen Demokratien in Mitteleuropa ist, können wir stolz sein. Wir sind hier auf dem richtigen Wege. Das ist der Alltag der Bundeswehr. Daran sollte niemand herumnörgeln.
Dankbar bin ich auch dafür, daß eigentlich von jedem die Leistung der Bundeswehr, was die innere
Bundesminister Volker Rühe
Einheit angeht, gewürdigt wurde. Wir wollen aber nicht nachlassen, nachdem wir so viel Lob bekommen haben. Es gilt, noch viel zu tun. Mancher Westdeutsche hat den verschütteten Idealismus in sich wieder entdeckt; das spüre ich immer wieder in Gesprächen mit Soldaten. Das sollte uns nachdenklich machen.
Ich möchte an dieser Stelle auch sagen: Ich habe ganz großen Respekt vor den Soldaten der Nationalen Volksarmee, die wußten, daß wir sie nicht übernehmen - zum Teil haben sie das selbst entschieden -, und ihren Dienst trotzdem ganz treu und loyal für einen begrenzten Zeitraum verrichtet und diesen phantastischen Übergang mit ermöglicht haben. Sie verdienen es, daß wir dies in dieser Stunde würdigen. Auch die 11 000 Männer, die heute nicht mehr in der Bundeswehr sind, haben unserem Vaterland durch ihr Verhalten loyal gedient.
Ich will aber nicht nur sagen, daß wir nicht nachlassen werden, sondern möchte das, was die Bundeswehr im Hinblick auf die innere Einheit gemacht hat, auch zur Nachahmung empfehlen. Wir haben nämlich Führungseinrichtungen von West nach Ost verlagert, die es nur einmal gibt; das ist der eigentliche Kern. So können dort auch neue Eliten entstehen.
Ich war vor einigen Tagen mit 600 jungen Offiziersschülern in Hannover zusammen; sie waren im Schnitt 21 Jahre alt. Dort wurde auch die große Verantwortung deutlich. In wenigen Jahren wird diese Ausbildung, die es nur einmal in Deutschland gibt, in Dresden stattfinden. Das ist eine Entscheidung, die sich andere vielleicht zum Vorbild machen könnten. Manche bleiben sogar in Westdeutschland, obwohl sie in asbestverseuchten Gebäuden sitzen. Ich denke da z. B. an eine Einrichtung in Köln.
Wir werden modernste Einrichtungen in München und Hannover verlassen, weil wir gesagt haben: Die Investition in die Menschen ist wichtig. Eine Führungseinrichtung, die es nur einmal in Deutschland gibt, muß es im Osten geben. Es dürfen nicht immer nur Ableger sein. Das empfehle ich zur Nachahmung.
Die Bundeswehr ist Teil des Volkes; sie gehört in unsere Mitte. Hier darf ich dankbar feststellen, daß sich nicht nur die Koalitionsparteien voll zur Wehrpflicht bekannt haben, sondern auch der Vorsitzende der SPD. Auch daraus erwächst Verantwortung; denn es gibt immer wieder andere Stimmen. Ich möchte ausdrücklich festhalten - es ist wichtig, daß das von allen gemeinsam gewürdigt wird -: Wehrdienst ist in der Demokratie ein Ehrendienst. Wir alle müssen uns Mühe geben, dies den Wehrpflichtigen deutlicher zu machen.
Wir diskutieren auch über das Wehrrechtsänderungsgesetz. Hier gibt es wichtige Veränderungen. Wir bemühen uns, wirklich einen kompakteren Dienst zu gestalten: Wehrdienst so lange wie nötig, aber auch so kurz wie möglich. Das ist gerade für unsere junge Generation und eine verbesserte Attraktivität der Bundeswehr wichtig.
Das wichtigste ist - der Bundeskanzler hat es gestern abend auch gesagt -: Wir brauchen zwar modernes Material, aber das wäre alles nichts, wenn wir nicht die richtigen Menschen hätten, die in der Bundeswehr dienen. Weil sie eine Wehrpflichtarmee ist, bekommen wir auch die richtigen Berufssoldaten. Wir wollen keine Rambos, wir wollen keine Legionäre. Das muß man im übrigen immer auch bei Auslandseinsätzen wissen: Eine Armee muß eingesetzt werden können - für die Demokratie, für das Bündnis -, aber es muß schwer sein, diese Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung ist schwer zu treffen, wenn es sich um eine Wehrpflichtarmee handelt.
Wir haben uns die Entscheidung schwer gemacht. Weil die Menschen das gespürt haben, hat sich ein Konsens entwickelt, den viele in den vergangenen Jahren nicht für möglich gehalten haben. Ich finde, das sollte man auch einmal sagen, weil soviel von Unbeweglichkeit gesprochen wird: Dies geschah mitten im deutschen Einigungsprozeß, als die Menschen in Dresden, Leipzig und Rostock wirklich andere Probleme hatten als Auslandseinsätze und auch die Menschen im Westen mit anpacken und für die Wiedervereinigung große Leistungen erbringen mußten. Heute gibt es ein Verständnis dafür, daß die Bundeswehr die Solidarität zurückgeben muß, die sie in der Vergangenheit erfahren hat, daß sie nicht aus dem internationalen Verbund ausscheren kann.
Deswegen möchte ich mich zum Schluß bei den Menschen in unserem Lande dafür bedanken, daß sie den Weg der Soldaten und der Bundeswehr mit so viel Verständnis begleiten.
Ich bedanke mich.