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ID1306502800

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    Plenarprotokoll 13/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. November 1995 5563 A Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5563 B Joachim Hörster CDU/CSU 5563 D Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 40 Jahre Bundeswehr — 5 Jahre Armee der Einheit b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 13/1801, 13/2209, 13/2547, 13/2548) . 5564B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksache 13/580) . 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fortsetzung der Bundeswehrreduzierung und Verzicht auf Umstrukturierung der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze (Drucksache 13/499) 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten der PDS: Kampfeinsätze der Bundeswehr (Drucksachen 13/136, 13/1880) . . . . . . . 5564 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5564 D Rudolf Scharping SPD 5568 C Paul Breuer CDU/CSU 5572 A Rolf Köhne PDS 5573 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5575 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . 5577 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5577 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5580 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5582 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5584 A Walter Kolbow SPD 5585 D Rainer Eppelmann CDU/CSU 5588 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5590 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 5592 C Dieter Heistermann SPD 5594 C Paul Breuer CDU/CSU 5595 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5597 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5598A Dr. Gregor Gysi PDS 5600A Volker Kröning SPD 5601 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5603 B Rolf Köhne PDS 5605 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 30 GO) 5606A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachen Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksachen 13/2235, 13/ 2476, 13/2784, 13/2785) 5607 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksachen 13/2304, 13/2357, 13/2784) 5607 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wohnungsbaugenossenschaften stärken - Mitglieder steuerlich fördern (Drucksachen 13/1501, 13/1644, 13/2771) 5607 B Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 5607 C Otto Reschke SPD 5608 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 5610 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5611B Dr. Barbara Höll PDS 5611 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5612C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5613 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 5614 B Detlev von Larcher SPD 5614 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5615 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 5616D Achim Großmann SPD 5618 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5620 B Otto Reschke SPD 5621 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5622 A Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5622 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung für ostdeutsche Kommunen angesichts erster Bewertungsergebnisse eines Rechtsgutachtens zur Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen 5623 C Dr. Christine Lucyga SPD 5623 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5624 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5625 D Jürgen Türk F.D.P 5626 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5627 C Irmgard Karwatzki, Pari. Staatssekretärin BMF 5628 B Dr. Uwe Küster SPD 5629 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 5630 B Gunter Weißgerber SPD 5631 A Susanne Jaffke CDU/CSU 5631 D Dr. Mathias Schubert SPD 5632 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 5633 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5634 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/2746) 5635 B Ulf Fink CDU/CSU 5635 C Brigitte Lange SPD 5636 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5638 A Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 5639A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5640 A Nächste Sitzung 5640 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5641 * A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5641 * C 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD SPD SPD SPD 27. 10.95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Barthel, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Blunck, Lilo SPD F.D.P. 27. 10. 95 Conradi, Peter Dietert-Scheuer, Amke SPD SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Dr. Dobberthien, Marliese CDU/CSU PDS 27. 10. 95 ** Günther (Plauen), Joachim PDS CDU/CSU 27. 10. 95 Dr. Hartenstein, Liesel Hempelmann, Rolf Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Jacob, Willibald Jüttemann, Gerhard Kuhn, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Lengsfeld, Vera CDU/CSU SPD 27. 10. 95 Marten, Günter SPD CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10.95 Meißner, Herbert Neumann (Berlin), Kurt Dr. Pinger, Winfried BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Dr. Reinartz, Bertold Schaich-Walch, Gudrun Scheel, Christine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schlauch, Rezzo CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Schmidt (Mülheim), Andreas SPD 27. 10. 95 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schultz (Everswinkel), Reinhard Schumann, Ilse Steindor, Marina Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Thiele, Carl-Ludwig Thieser, Dietmar Tippach, Steffen Titze-Stecher, Uta F.D.P. 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 * Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Zierer, Benno SPD PDS SPD CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 689. Sitzung am 13. Oktober 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Achtzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen - Gesetz zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Wahl der Richter und Richterinnen) - Drucksache 13/1626 - - Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Wege zu einem dauerhaft umweltverträglichen Umgang mit Stoffen und Energien" - Drucksache 13/98 - - Antrag: Das Meer ist keine Müllhalde - Drucksache 13/1727 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 13/1376, 13/1787 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/6960, 13/725 Nr. 132 5642* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 12/7063, 13/725, Nr. 174 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen haben. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/2306 Nr. 2.67 Innenausschuß Drucksache 13/765 Nr. 1.20 Drucksache 13/765 Nr. 1.21 Finanzausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.10 Drucksache 13/1614 Nr. 2.11 Drucksache 13/2306 Nr. 2.13 Drucksache 13/2306 Nr. 2.61 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338 Nr. 2.2 Drucksache 13/1442 Nr. 1.4 Drucksache 13/1799 Nr. 2.4 Drucksache 13/2306 Nr. 2.27 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/725 Nr. 137 Drucksache 13/725 Nr. 139 Drucksache 13/269 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 98 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/478 Nr. 1.2 Drucksache 13/1038 Nr. 15 Drucksache 13/1338 Nr. 1.6 Drucksache 13/1614 Nr. 1.9 Drucksache 13/1799 Nr. 1.1 Berichtigung Im Anhang zum stenographischen Protokoll der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. September 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Drucksachennummer 13/725, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 112 und Nr. 124 ersatzlos zu streichen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Graf Heinrich von Einsiedel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gerhardt, auch ich fürchte, das wird eine Schlüsselentscheidung des Parlaments sein. Wir können uns an andere, ähnliche Schlüsselentscheidungen erinnern, z. B. an die Bewilligung der Kriegskredite 1914. Hoffentlich wird diese Schlüsselentscheidung nicht solche Folgen haben.
    Die große Mehrheit dieses Hauses feiert heute den 40. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr. Aber ich und die Fraktion, für die ich hier spreche, können sich diesen Festreden nicht anschließen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr seid keine Fraktion!)

    - Ja, keine Fraktion, ich weiß. Für mich sind wir eine Fraktion. Ihre Geschäftsordnungstricks, die uns benachteiligen, interessieren mich nicht.

    (Beifall bei der PDS)

    Fast 90 % der heutigen Mitglieder des Hauses waren damals, als die Wiederbewaffnung Deutschlands beschlossen wurde, höchstens Teenager oder noch jünger. Sie sind alle - ob sie nun in der Bundesrepublik oder in der DDR erwachsen geworden sind - in einem politischen Umfeld, in einem politischen Klima herangereift, das vom kalten Krieg geprägt war, von der Vorstellung, daß die militärische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion unvermeidlich oder doch nur durch die Politik der militärischen Stärke zu verhindern sei. Aber sie sind meistens nicht genug herangereift, um dieses Geschichtsbild einmal zu hinterfragen.
    Ich will gar nicht bestreiten, daß die Sowjetunion mit ihrer Politik nach dem Sieg über Hitler-Deutschland viel Anlaß geliefert hatte, diese Einschätzung der Lage in Europa mit anscheinend unwiderleglichen Argumenten zu untermauern. Wer wie ich damals und noch heute die Lage anders einschätzte, galt bestenfalls als nützlicher Idiot, wenn nicht gar als Schlimmeres. Aber ich habe sie anders eingeschätzt, nicht weil ich gegenüber der Sowjetunion

    Heinrich Graf von Einsiedel
    blauäugig gewesen wäre, sondern weil ich sie besser kannte.
    Die Unterwerfung der durch die Rote Armee unter ungeheuren Blutopfern auf beiden Seiten von der Hitler-Wehrmacht befreiten Länder zu Satellitenstaaten der Sowjetunion war aus der Angst geboren, aus einem tiefsitzenden Unterlegenheitsgefühl, aus dem Schock, daß der Vernichtungsfeldzug der Wehrmacht gegen die Sowjetunion um ein Haar, wie Stalin selber eingeräumt hat, erfolgreich gewesen wäre. Diese Satellitenstaaten sollten ein Glacis für die Festung Sowjetunion bilden, ein Vorfeld ihrer Verteidigung, keine Absprungbasis für weitere Aggressionen.
    Die Drohung, Westdeutschland, die Bundesrepublik, wiederzubewaffnen hatte zunächst Erfolg: Stalin lenkte ein. Er bot einen Friedensvertrag mit Deutschland an, die Wiedervereinigung unter der Bedingung, daß das wiedervereinigte Deutschland sich keinem gegen die Sowjetunion gerichteten Militärpakt anschließen dürfe und die Oder-Neiße-Linie anerkennen müsse. Dieses Angebot kam sicher sehr spät. Aber war der Westen nicht sowieso längst entschlossen, den kalten Krieg zu führen und die Sowjetunion so lange unter militärischen Druck zu setzen, bis sie aufgab? Wie dem auch gewesen sein mag: Daß dieses Angebot der Sowjetunion nicht einmal in Verhandlungen auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft worden ist, halte ich für einen unverzeihlichen, schlimmen Fehler der Außenpolitik Adenauers.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir haben damals ohne Not die Menschen in der DDR im Regen stehenlassen, und wir haben sie die Hauptlast dieses Krieges, nämlich die Reparationen an die Sowjetunion, zahlen lassen. Für mich waren die Bedingungen dieses Angebots annehmbar. Es hätte uns 40 Jahre Spaltung, 40 Jahre kalten Krieg und vielleicht 2 Billionen DM Rüstungskosten ersparen können. Wir hätten dabei sogar eine Bundeswehr zur eigenen Verteidigung haben dürfen, nicht zur Vorwärtsverteidigung, wie man die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr umschreibt, und auch ohne weltweit einsatzfähige Krisenreaktionskräfte, wie man sie jetzt aufbauen will. Aber das wäre ja schon mehr als genug gewesen, jedenfalls für mich.
    Ich weiß, Sie sind davon überzeugt: Dieses Angebot war nur ein taktisches Manöver, nur ein Trick. Aber, meine Damen und Herren, die Viererbande, wie sie in der Sowjetunion genannt wurde, die bereit war, die DDR gegen die militärpolische Neutralisierung Deutschlands aufzugeben, hat es doch gegeben. Semjonow hat mir das drei Wochen vor seinem Tode in einem Gespräch noch einmal ausdrücklich bestätigt. Er war nicht wenig stolz darauf, im letzten Moment nach Stalins Tod und vor Berijas Liquidierung von diesem Zug abgesprungen zu sein.
    In einer Beziehung allerdings kam das Angebot Stalins zu früh, weil niemand im Westen Deutschlands es im Unterschied zum Osten wagen durfte, die Oder-Neiße-Linie anzuerkennen, ohne als Vaterlandsverräter zu gelten. Ich möchte es hier gleich sagen: Die größte politische Leistung, die das deutsche
    Volk nach dem Zweiten Weltkrieg vollbracht hat, ist nicht der Entschluß zur Wiederbewaffnung, sondern die Anerkennung dieser Grenze, das Sich-Abfinden mit der massenhaften Vertreibung,

    (Beifall bei der PDS)

    die, selbst wenn man sie als Strafe für die schrecklichen Verbrechen Hitler-Deutschlands ansieht, eine nur sehr schwer zu verkraftende Verletzung der Psyche von Millionen Menschen war. Aber das hat eben Generationen gedauert.
    Deshalb kann ich nicht Ihren Optimismus teilen, der möglicherweise bevorstehende, mit Waffengewalt erzwungene Frieden in Ex-Jugoslawien werde bereits in einem Jahr unumkehrbar sein. Die schrecklichen ethnischen Säuberungen in Jugoslawien, die mit deutscher und NATO-Hilfe dort jetzt festgeschrieben werden sollen, werden sich als schwere Hypothek für einen dauerhaften Frieden erweisen.

    (Beifall bei der PDS)

    Doch zurück zur Bundeswehr. In Ihren Augen war die Wiederbewaffnung die Grundlage des Friedens in den letzten 40 Jahren. Woher Sie aber wissen wollen, ohne diese Wiederbewaffnung hätte es Krieg in Europa gegeben, bleibt Ihr Geheimnis.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    In meinen Augen war der Entschluß zur Wiederbewaffnung eine höchst risikovolle Provokation der Sowjetunion. Sie war nämlich das einzige Motiv, das die Sowjetunion für eine Aggression gegen Westeuropa hätte haben können, zumal die Wiederbewaffnung von recht aggressiven Attitüden begleitet war.
    Erinnern Sie sich nicht mehr an die Sprüche vom Rollback der Sowjetunion bis an den Ural aus Ihren Reihen, an die Plakate der F.D.P. „Niemals Deutschland dreigeteilt", an all die großen Kundgebungen der Vertriebenenverbände, auf denen die Redner der beiden großen Parteien dem deutschen Volk versprachen, daß Wroclaw wieder Breslau heißen werde, daß Pommern, Schlesien und Ostpreußen wieder deutsch sein würden?
    Unter diesen Umständen sollten die Polen und die Sowjetunion keinen Grund zu der Befürchtung haben, die Deutschen könnten doch noch einmal zur Revanche antreten? Das konnten doch nur die glauben, die vollkommen verdrängt hatten, was die Wehrmacht und die SS im Osten angerichtet hatten. Statt so stolz auf die Wiederbewaffnung zu sein, sollten Sie lieber wie der Reiter über den Bodensee zurückschauen.

    (Beifall bei der PDS)

    Glauben Sie etwa, es war ein Zufall, daß der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie in Polen als erster Schritt die Gründung der Solidarność auf dem Fuße folgte, nämlich als die Polen nicht mehr das Gefühl hatten, sie müßten sich fest an die Sowjetunion anklammern, um diese Grenze zu sichern?
    Auch bitte ich Sie, einmal darüber nachzudenken, ob die Wiederbewaffnung Deutschlands nicht eine sehr entscheidende Ursache für das Ausbleiben jeder

    Heinrich Graf von Einsiedel
    tieferen Reform oder Perestroika nach Stalins Tod in der Sowjetunion gewesen ist. Unter dem militärischen Druck von außen und der Bedrohung, unter der sich die Menschen dort genauso wie im Westen fühlten, war es eben für die Machthaber dort nicht leicht - jedenfalls haben sie es nicht gewagt -, Reformen einzuleiten, die zunächst immer auch eine Schwächung der zu reformierenden Strukturen darstellen.
    Sie sind übrigens auf dem besten Weg, diesen Fehler jetzt zu wiederholen, nämlich mit der NATO-Erweiterung, mit dem militärischen Druck, den Sie jetzt wieder auf Rußland, das sich in einem allerschwierigsten Reformprozeß befindet, ausüben.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn?)

    Sie machen sich offenbar nicht die Mühe, oder Sie sind unfähig, sich einmal in die Schuhe des vermeintlichen Gegners zu stellen. Rußland ist heute als Großmacht in Europa um Jahrhunderte, fast in die Zeit vor Peter dem Großen zurückgeworfen. Die Russen haben große Teile ihres in Jahrhunderten gewachsenen Imperiums aufgegeben. Was für Demutsgebärden erwarten Sie eigentlich noch? Sollen sie den Kreml an Walt Disney verkaufen, um die Unterwerfung komplett zu machen?

    (Beifall bei der PDS)

    Ihre Außenpolitik ist leider viel zu stark vom Denken in militärischen statt in politischen Kategorien befangen.
    Noch eine Bemerkung kann ich Ihnen nicht ersparen. Nicht nur die Sieger über Hitler, sondern auch viele Menschen meiner Generation waren aus der schrecklichen Erfahrung, die wir mit unseren Generälen gemacht haben, 1945 der tiefen Überzeugung, wir Deutschen dürften so bald nicht wieder Waffen in die Hand nehmen - das war auch das Ziel des Krieges gegen Hitler-Deutschland -, schon gar nicht unter deni Befehl von Männern, die sich durch den erneuten Ruf zu den Waffen mit dem alten Feindbild Sowjetunion nachträglich noch in ihrem bedingungslosen Gehorsam gegenüber Hitler und seiner verbrecherischen Kriegsführung weitgehend gerechtfertigt und entschuldigt wähnten. In einer Zeit, als noch jeder Widerstand gegen Hitler, nämlich in den 50er Jahren, nicht nur der kommunistische, sondern selbst der der Verschwörer vom 20. Juli, auf die Herr Bundeskanzler Dr. Kohl abgehoben hat, als Verrat angesehen wurde, wo der militärische Gehorsam noch vielen als die höchste Tugend galt, gleichgültig, wem er geleistet wurde, war es ein schwerer Rückschlag für die geistige Gesundung dieses Volkes, seine Söhne wieder in Uniform zu stecken.
    Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und nach dem Wegfall des vermeintlichen Grundes für die Wiederbewaffnung die nächste Enttäuschung: zunächst Abrüstung, jetzt aber schon wieder verstärkte Rüstung, statt militärischer Zurückhaltung Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebiets, statt Verbot des Rüstungsexports seine ständige Steigerung. Und dann das wilhelminische Primborium des Großen Zapfenstreichs mit denselben
    Fackeln, die am 30. Januar 1933 unter dem Brandenburger Tor getragen worden sind.

    (Beifall bei der PDS Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir sagen nein dazu. Stoppen Sie die Militarisierung der Gesellschaft! Lassen Sie uns umkehren in Richtung konsequenter Entmilitarisierung!
    Danke sehr.

    (Beifall bei der PDS Zurufe von der CDU/ CSU: Buh!)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Volker Rühe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst im Namen der ganzen Bundeswehr dem Bundeskanzler für die ehrenvollen Worte, die er an unsere Soldaten gerichtet hat, sehr herzlich danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das erfüllt alle Angehörigen der Bundeswehr, die Soldaten und die zivilen Mitarbeiter, mit Freude und auch mit Stolz.
    Ich bin auch für die vielfältige Zustimmung und Anerkennung aus fast allen Bereichen des Deutschen Bundestages dankbar, denn bis auf PDS und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben alle unseren Soldaten ihren Respekt bezeugt. Das ist wichtig. Diese haben 40 Jahre lang einen großartigen Dienst für unser Land geleistet. Sie tun das tagtäglich weiter. Deswegen ist es wichtig, daß das an einem solchen Tage deutlich wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Die Bundeswehr ist die Armee der deutschen Demokratie. Sie ist eine Bündnisarmee, und sie ist eine europäische Armee. Bei diesem Dreiklang wird es bleiben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Ich möchte ausdrücklich dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, der sich jetzt für einen kurzen Zeitraum entschuldigt hat - das ist völlig in Ordnung -, für die Würdigung danken, die er mit seinem Beitrag der Bundeswehr hat zukommen lassen.

    (Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein)

    Diese Würdigung muß sich natürlich in der Praxis bewähren und darf nicht nur in Feierstunden geäußert werden. Der jüngste Beschluß der SPD-Fraktion, was Auslandseinsätze angeht, geht in die richtige Richtung. Ich möchte hier unterstreichen, was die Kollegen Gerhardt und Paul Breuer gesagt haben: Für unsere Soldaten ist es ganz wichtig, daß soviel Konsens wie möglich herrscht; denn sie gehen in Einsätze, in denen sie notfalls ihr Leben riskieren. Deswegen

    Bundesminister Volker Rühe
    brauchen sie hier im Deutschen Bundestag soviel Unterstützung wie irgend möglich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Herr Scharping hat sich in die Tradition des SPD- Fraktionsvorsitzenden Erler gestellt. Ich habe Herrn Erler damals auch mit großer Begeisterung zugehört, und ich muß sagen, daß es ein großer Anspruch ist, dem gerecht zu werden, daß dies Führungsstärke verlangen wird. Im übrigen habe ich mich auch riesig gefreut, daß jetzt die drei sozialdemokratischen Verteidigungsminister gewürdigt worden sind, daß Helmut Schmidt, Georg Leber und Hans Apel wenigstens im nachhinein eine späte Würdigung erfahren haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Als Verteidigungsminister weiß ich, daß es ganz hilfreich ist, wenn man schon unterstützt wird, solange man im Amt ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Und weil Sie von der SPD zur Zeit keinen stellen - das wird ja vielleicht noch ein bißchen dauern -, möchte ich Ihnen empfehlen, damit anzufangen, daß Sie Ihre Verteidigungspolitiker unterstützen. Denen möchte ich nämlich auch meinen Respekt sagen; sie bestehen manche schwierige Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Beschämend ist das Auftreten der Grünen.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

    Herr Fischer, Sie haben gestern Kübel voll Schmutz über den Zapfenstreich ausgegossen. Es ist beschämend, daß Sie den deutschen Soldaten den Respekt verweigern.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich verweigere dem Zapfenstreich den Respekt!)

    - Dann erinnere ich an das, was Frau Beer gesagt hat. Wissen Sie, der letzte, den ich mit dem Zapfenstreich geehrt habe, war der französische Generalstabschef, Admiral Lanxade. Er hat mir geschrieben, daß er und mit ihm alle französischen Soldaten sich niemals mehr geehrt gefühlt hätten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So unterschiedlich sind die Geschmäcker!)

    Wie kann der Zapfenstreich ein vordemokratisches, nationalistisches Zeremoniell sein, wenn sich die französischen Soldaten durch ihn geehrt fühlen? Es ist doch Unsinn, was Sie da verbreiten,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im übrigen frage ich mich, wer eigentlich für die Grünen spricht. Ich sage das hier einmal, weil es wichtig ist; denn ich bezweifele, daß auch nur ein
    Bruchteil Ihrer Wähler weiß, welche Positionen Sie zum Schaden unseres Landes hier vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Während Sie im Ausschuß - so Frau Beer auch hier - die Abschaffung der Bundeswehr und der NATO fordern, führen Sie eine große Diskussion darüber, daß man die Schutzzonen in Bosnien schützen muß. Hier stellt sich doch genau die Frage, was eigentlich moralisch geboten ist.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Zapfenstreich?!)

    Herr Fischer, Sie haben ja erste Versuche gemacht. Ist es nicht richtig, daß es in der Situation von Srebrenica, in der Situation des früheren Jugoslawien zutiefst unmoralisch wäre, den Einsatz von Soldaten zu verweigern? Darum geht es doch. Und dann muß man ihnen auch bei einem solchen Zapfenstreich Respekt bezeugen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es kamen in der Vergangenheit viele Ihrer Fraktionskollegen zu mir und sagten, ich müsse mehr zum Schutz von Tuzla und von Srebrenica tun. Ich habe Hochachtung vor ihnen.
    Übrigens: Wie müssen sich eigentlich diejenigen in Ihren Reihen fühlen, die die Nationale Volksarmee erlebt haben und jetzt miterleben müssen, wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier der Armee der Demokratie und des vereinten Deutschlands den Respekt verweigern?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Reicht es, wenn wir einmal aufstehen und salutieren? Sind Sie dann zufrieden? Reicht das?)

    Frau Beer, das große Polizeiaufgebot war doch nicht wegen der Soldaten da, sondern wegen der friedlosen Störer, die sich dort versammelt hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Und beim Hofgarten kommen wir ja wirklich auf den Punkt. Da fühlen sich einige Grüne auf den Schlips getreten, und sie sagen: Das ist doch eigentlich unser Platz gewesen, der Platz der großen Demonstrationen Anfang der 80er Jahre, wo man gesagt hat, der sowjetischen Hochrüstung darf nichts entgegengestellt werden. Heute wissen wir: Nur durch die Bereitschaft, dem etwas entgegenzustellen, haben wir den Frieden in Europa gesichert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der ewige Kanzler wollte auch mal diesen Platz betreten!)

    Deswegen ist es ein wirkliches Symbol, daß jetzt die eigentliche Friedensbewegung der 80er und 90er Jahre, nämlich die Bundeswehr, dort diesen Zapfenstreich durchgeführt hat, genau auf diesem Platz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)