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ID1306502600

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    Plenarprotokoll 13/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. November 1995 5563 A Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5563 B Joachim Hörster CDU/CSU 5563 D Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 40 Jahre Bundeswehr — 5 Jahre Armee der Einheit b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 13/1801, 13/2209, 13/2547, 13/2548) . 5564B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksache 13/580) . 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fortsetzung der Bundeswehrreduzierung und Verzicht auf Umstrukturierung der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze (Drucksache 13/499) 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten der PDS: Kampfeinsätze der Bundeswehr (Drucksachen 13/136, 13/1880) . . . . . . . 5564 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5564 D Rudolf Scharping SPD 5568 C Paul Breuer CDU/CSU 5572 A Rolf Köhne PDS 5573 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5575 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . 5577 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5577 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5580 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5582 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5584 A Walter Kolbow SPD 5585 D Rainer Eppelmann CDU/CSU 5588 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5590 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 5592 C Dieter Heistermann SPD 5594 C Paul Breuer CDU/CSU 5595 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5597 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5598A Dr. Gregor Gysi PDS 5600A Volker Kröning SPD 5601 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5603 B Rolf Köhne PDS 5605 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 30 GO) 5606A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachen Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksachen 13/2235, 13/ 2476, 13/2784, 13/2785) 5607 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksachen 13/2304, 13/2357, 13/2784) 5607 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wohnungsbaugenossenschaften stärken - Mitglieder steuerlich fördern (Drucksachen 13/1501, 13/1644, 13/2771) 5607 B Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 5607 C Otto Reschke SPD 5608 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 5610 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5611B Dr. Barbara Höll PDS 5611 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5612C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5613 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 5614 B Detlev von Larcher SPD 5614 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5615 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 5616D Achim Großmann SPD 5618 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5620 B Otto Reschke SPD 5621 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5622 A Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5622 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung für ostdeutsche Kommunen angesichts erster Bewertungsergebnisse eines Rechtsgutachtens zur Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen 5623 C Dr. Christine Lucyga SPD 5623 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5624 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5625 D Jürgen Türk F.D.P 5626 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5627 C Irmgard Karwatzki, Pari. Staatssekretärin BMF 5628 B Dr. Uwe Küster SPD 5629 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 5630 B Gunter Weißgerber SPD 5631 A Susanne Jaffke CDU/CSU 5631 D Dr. Mathias Schubert SPD 5632 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 5633 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5634 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/2746) 5635 B Ulf Fink CDU/CSU 5635 C Brigitte Lange SPD 5636 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5638 A Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 5639A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5640 A Nächste Sitzung 5640 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5641 * A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5641 * C 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD SPD SPD SPD 27. 10.95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Barthel, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Blunck, Lilo SPD F.D.P. 27. 10. 95 Conradi, Peter Dietert-Scheuer, Amke SPD SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Dr. Dobberthien, Marliese CDU/CSU PDS 27. 10. 95 ** Günther (Plauen), Joachim PDS CDU/CSU 27. 10. 95 Dr. Hartenstein, Liesel Hempelmann, Rolf Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Jacob, Willibald Jüttemann, Gerhard Kuhn, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Lengsfeld, Vera CDU/CSU SPD 27. 10. 95 Marten, Günter SPD CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10.95 Meißner, Herbert Neumann (Berlin), Kurt Dr. Pinger, Winfried BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Dr. Reinartz, Bertold Schaich-Walch, Gudrun Scheel, Christine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schlauch, Rezzo CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Schmidt (Mülheim), Andreas SPD 27. 10. 95 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schultz (Everswinkel), Reinhard Schumann, Ilse Steindor, Marina Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Thiele, Carl-Ludwig Thieser, Dietmar Tippach, Steffen Titze-Stecher, Uta F.D.P. 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 * Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Zierer, Benno SPD PDS SPD CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 689. Sitzung am 13. Oktober 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Achtzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen - Gesetz zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Wahl der Richter und Richterinnen) - Drucksache 13/1626 - - Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Wege zu einem dauerhaft umweltverträglichen Umgang mit Stoffen und Energien" - Drucksache 13/98 - - Antrag: Das Meer ist keine Müllhalde - Drucksache 13/1727 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 13/1376, 13/1787 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/6960, 13/725 Nr. 132 5642* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 12/7063, 13/725, Nr. 174 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen haben. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/2306 Nr. 2.67 Innenausschuß Drucksache 13/765 Nr. 1.20 Drucksache 13/765 Nr. 1.21 Finanzausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.10 Drucksache 13/1614 Nr. 2.11 Drucksache 13/2306 Nr. 2.13 Drucksache 13/2306 Nr. 2.61 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338 Nr. 2.2 Drucksache 13/1442 Nr. 1.4 Drucksache 13/1799 Nr. 2.4 Drucksache 13/2306 Nr. 2.27 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/725 Nr. 137 Drucksache 13/725 Nr. 139 Drucksache 13/269 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 98 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/478 Nr. 1.2 Drucksache 13/1038 Nr. 15 Drucksache 13/1338 Nr. 1.6 Drucksache 13/1614 Nr. 1.9 Drucksache 13/1799 Nr. 1.1 Berichtigung Im Anhang zum stenographischen Protokoll der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. September 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Drucksachennummer 13/725, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 112 und Nr. 124 ersatzlos zu streichen.
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    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen entscheidenden Unterschied zu der eben vorgetragenen Position der Kollegin gleich vorweg: Unserem Land wird heute international großes Vertrauen entgegengebracht. Das ist das Verdienst vieler, vieler in der Gesellschaft und vieler Bürger. Aber es ist auch das Verdienst unserer Soldaten, weil sie zum erstenmal in der Geschichte unseres Landes international als Verteidiger einer Demokratie angesehen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb gehören bei einem solchen Jubiläum unsere Soldaten, auch wenn sie ihren Dienst ansonsten in Kasernen und anderswo versehen, auf die Plätze der Demokratie, wie gestern abend.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU und des Abg. Walter Kolbow [SPD])

    Sie brauchen sich dafür nicht zu entschuldigen; sie können sich dort im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Denn auch sie haben eine Gewissensentscheidung getroffen: Sie haben sich mit ihrem Gewissen verpflichtet, notfalls mit der Waffe in der Hand Freiheit und Leben von Menschen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu verteidigen, und dafür danken wir ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Walter Kolbow [SPD])

    Auch sie dienen dem Frieden. Kein Soldat wünscht sich mehr Frieden als der, der sich bewußt entscheidet, seine Pflicht nach der Verfassung zu erfüllen.
    Der Aufbau und die Organisation der Bundeswehr vor 40 Jahren haben auf einem ganz anderen Hintergrund begonnen, als wir das in der Geschichte unseres Landes gewohnt waren. Es kam zur demokratischen Einbettung der deutschen Streitkräfte in eine

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    freiheitliche und offene Gesellschaft. Wir sprechen doch deswegen vom Staatsbürger in Uniform. Wir wissen, daß die Bundeswehr zum erstenmal in der Geschichte unseres Landes ihrem Auftrag verpflichtet ist, niemand anderen anzugreifen, sondern uns in den Grenzen unseres Staatswesens zu verteidigen, für das wir uns eine Verfassung gegeben haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir wissen doch auch, daß heute Befehl, Gehorsam und Disziplin, militärische Führung in Form der inneren Führung, zum erstenmal in der Geschichte unseres Landes nicht mehr einer überhaupt nicht demokratisch legitimierten Führungspersönlichkeit dienen, sondern im Grunde einer demokratischen Wertegemeinschaft verpflichtet sind. Das ist ein gewaltiger Unterschied, den wir jetzt erleben dürfen. Deswegen muß man sich bei solchen Jubiläen dieser entscheidenden Grundlagen immer wieder bewußt werden. Das war die entscheidende Grundlage für die Akzeptanz der Bundeswehr in unserer Gesellschaft. Das war auch die entscheidende Grundlage für ein anderes, ein neues Bild eines deutschen Soldaten, das sich deutlich von dem unterscheidet, das andere vorher abzugeben gezwungen wurden.
    Das ist die Chance auch für die Zukunft. Denn die Bundeswehr hat zwei ganz kritische, aber wichtige Aufgaben bewältigt, die man nach 40 Jahren nennen muß: Das war erstens zum erstenmal in der Geschichte unseres Landes die erfolgreiche Einbindung einer deutschen Armee in eine offene, demokratisch verfaßte Gesellschaft, und das war zweitens die Gewährleistung einer glaubwürdigen Landes- und Bündnisverteidigung gemeinsam mit unseren Verbündeten, ohne die der Wiederaufbau und die Wiedervereinigung unseres Landes in Frieden und Freiheit nicht möglich gewesen wären.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das war die erste deutsche Armee, die nicht auf Sonderwege geführt und nicht in Abenteuer geschickt wurde, sondern die in die Demokratie eingegliedert war. Das ist die gewaltige Leistung von vielen Soldaten. Sie haben für uns international Vertrauen und Ansehen gewonnen. Dafür danken wir alle.
    Für die Freie Demokratische Partei sage ich den Soldatinnen und Soldaten, den Beschäftigten der Bundeswehr und auch den Bürgerinnen und Bürgern, die das so wie wir sehen, Dank für ihre Arbeit, für ihre Zustimmung und für die Schaffung der Akzeptanz der Armee.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir sind auch durch Soldaten, durch ihren Umgang mit Soldaten anderer Nationen in der Bündnispolitik eigentlich schon viel früher, als der Zwei-plusVier-Vertrag das festgemacht hatte, aus einem Objekt der Geschlagenen zu einem geachteten Bündnispartner geworden. Viel früher haben wir Respekt gehabt, als das ein Zwei-plus-Vier-Vertrag ausdrükken kann. Das ist die ganz deutliche Leistung der Bundeswehr.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir haben in diesem Jahr viele Gedenkmomente, die zwischen epochemachenden Ereignissen - dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Vereinigung unseres Landes - der deutschen Nachkriegsgeschichte liegen. Wir müssen aufpassen, daß sie in diesem schnellen Ablauf nicht ein Stück geschichtliche Normalität werden, ohne daß wir uns vergewissern, warum diese Schlüsselentscheidungen und -ereignisse deutscher Geschichte uns das Glück beschert haben, heute hier so leben zu können.
    Wir müssen schon ein Stück Vergewisserung betreiben, weil auch auf die neuen Herausforderungen immer ein Fingerzeig aus abgelaufenen Zeiten wichtig ist. Entscheidend ist, daß die Einbindung Deutschlands in die westliche Wertegemeinschaft und das transatlantische Verteidigungsbündnis die große politische Grundentscheidung dieses Landes waren, an der wir festhalten wollen.
    Wir wissen heute, daß die Westintegration und die Bündnisfähigkeit der alten Bundesrepublik im geteilten Deutschland Garant für die heutigen Chancen sind. Wir sollten unseren Frieden damit machen. Erhard Eppler hat in einer früheren Feierstunde zum 17. Juni einmal in einem Vortrag zur Versöhnlichkeit zwischen den politischen Grundströmungen dieses Landes aufgerufen.
    Es ist wahr, daß die Grundentscheidung Konrad Adenauers, damals von der sozialdemokratischen Partei heftig befehdet, richtig war. Ich sage das als Freier Demokrat sehr gelassen, weil wir diese Entscheidung gestützt haben. Aber ich erinnere eine andere große politische Kraft daran, daß auch die ersten Schritte auf die osteuropäischen Nachbarn zu, für deren Unterstützung die Freien Demokraten fast mit ihrer Existenz eine Bundestagswahl verloren hätten, dazugehören.
    Jede politische Grundströmung könnte ihren Beitrag auch anläßlich einer solchen Situation positiv herausstellen. Es ist nicht nötig, darüber zu streiten.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Es gibt Leistungen, die das gemeinsam möglich gemacht haben.
    Für die Koalition ist heute wichtig, zu sagen: Ich habe den Eindruck, daß im Kern das Bewußtsein, daß dieses Land das Vertrauen der anderen Länder durch Bündnisfähigkeit braucht und daß wir deshalb international handlungsfähig sein müssen, daß wir mit unseren Partnern zusammen notfalls anderen entgegentreten müssen, nicht überall beheimatet ist. Deshalb erinnere ich daran: Dieses Land muß international in Rechten und Pflichten bündnisfähig und verantwortungsfähig sein.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das ist der Kern des Lernens aus der Geschichte. Deshalb glaube ich, man kann nicht durch Weg-

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    schauen abtauchen, wenn es auf bestimmte Entscheidungen ankommt. Wer dieses Land regieren will, muß wissen, welche Geschichte dieses Land hat und welche Pflichten der Regierung dieses Landes auferlegt werden.
    Wer diese Frage nicht beantworten kann, der kann hier nicht sitzen. Deshalb sitzen der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister für uns zu Recht hier. Denn das ist die positive Grundentscheidung in der Politik Deutschlands.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich will für die Freien Demokraten eine Grundentscheidung ausdrücklich befürworten. Die gesellschaftliche Einbettung und die Akzeptanz der Bundeswehr wären ohne die allgemeine Wehrpflicht so nicht denkbar gewesen. Sie ist die entscheidende Klammer zwischen einer Gesellschaft und den Streitkräften; sie ist zugleich Ausdruck des Willens und der Bürgerpflicht, einen eigenen Beitrag zum Schutz von Demokratie und Freiheit zu leisten.
    Allein der Verfassungsrang begründet nicht die hohe politische und moralische Qualität der Wehrpflicht. Viele meinen, nach Wegfall der alten Konfrontation könne man über eine Berufsarmee nachdenken. Die Wehrpflicht wird zunehmend durch eine wachsende Zahl von Zivildienstleistenden in Frage gestellt. Nicht wenige diskutieren viele Modelle einer Freiwilligenarmee oder einer allgemeinen Dienstpflicht als Alternative zur Wehrpflicht. Ich meine und sage das für die F.D.P.: Diese Entwicklungen dürfen nicht vom politischen Kern der Wehrpflichtfrage ablenken, wer nämlich in unserem Land die Verantwortung für die Verteidigung trägt. Für mich gibt es eine ganz klare Antwort: Die Verteidigung unserer Freiheit muß auch in Zukunft die Angelegenheit aller bleiben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Der Schutz von Freiheit und Recht ist nicht ausschließlich als Leistung von Berufssoldaten zu verstehen. Theodor Heuss hat die Wehrpflicht deshalb zu Recht als legitimes Kind einer Demokratie bezeichnet. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat sie als konstitutives Merkmal unserer Streitkräfte genannt.
    Wir sprechen uns für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus. Sie ist Ausdruck des Willens einer Demokratie, die Verteidigung der Freiheit als ständige Aufgabe in der gesamten Gesellschaft zu verankern. Wir werden den Gedanken an Wehrpflicht nicht aufgeben, nur weil es schwieriger geworden ist, eine Wehrpflichtarmee zu organisieren.
    Wehrpflicht und Wehrgerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Wir müssen Wehrgerechtigkeit gewährleisten. Es ist deshalb Aufgabe der Politik, den Wehrdienst deutlich zu verbessern, immer wieder qualifizierten und motivierten Nachwuchs sicherzustellen.
    Es ist wichtige Aufgabe in einer Demokratie, andere Meinungen zu respektieren. Es ist überhaupt keine Frage, daß Zivildienstleistende einen harten
    Job versehen, daß sie Wertvolles für unsere Gesellschaft leisten. Wir respektieren ausdrücklich die Gewissensentscheidung eines Zivildienstleistenden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir akzeptieren auch seinen Beitrag für eine freiheitliche Gesellschaft. Wir wehren uns nur in einem: daß über die Gewissensentscheidung so geredet wird, als wären manche das Gewissen selbst. Auch die Soldaten haben Anerkennung verdient, weil sie die gleichen Ziele der Friedenserhaltung wie die Zivildienstleistenden mit anderen Mitteln verfolgen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Deshalb darf sich eine Gesellschaft in diesen Diskussionen nicht spalten lassen. Auch unsere Soldaten dienen dem Frieden.
    Die Bundeswehr hat als Armee der deutschen Einheit in den letzten fünf Jahren die zweite große Aufbauleistung ihrer Geschichte gemeistert. Sie hat mit unglaublichem Engagement, mit viel menschlichem und kameradschaftlichem Einsatz, einen Vereinigungsprozeß ganz konkret vollzogen. Es mag im Bereich der Wirtschaft über Joint-ventures diskutiert werden, über den Kauf eines Betriebes. In der Bundeswehr haben bei dieser gewaltigen Leistung in bezug auf die ehemalige NVA Personen täglich nebeneinander diesen Vereinigungsprozeß leisten müssen. Das ist eine gewaltige Leistung der deutschen Soldaten,

    (Beifall des Abg. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.])

    auch in einer massiven Verkleinerung von über 600 000 auf demnächst 340 000 Soldaten, mit vielen Umzügen, mit Belastungen, mit familiären Problemen. Es gibt angesichts vieler Saturiertheiten einer freiheitlichen Gesellschaft in unserem Land kein Berufsbild, das Veränderungen mit diesem Tempo in einem solchen Pflichtgefühl wie die deutschen Soldaten in dieser Zeit auf sich genommen hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Dafür müssen wir den gesamten Familien Dank und Anerkennung aussprechen.
    Fünf Jahre deutsche Einheit - das bedeutet außen- und sicherheitspolitische Souveränität. In diesen fünf Jahren hat sich Deutschland seiner gewachsenen internationalen Verantwortung für den Frieden erfolgreich gestellt. Dieser Prozeß ist angesichts der Rückkehr von Gewalt, Haß und Nationalismus und eines brutalen Terrors in der Mitte Europas noch nicht am Ende.
    Wir wollen eine Kultur der Zurückhaltung üben. Sie beruht auf der historischen Erfahrung zweier Weltkriege. Sie wird auch in Zukunft, wie das der Bundesaußenminister immer ausführt, unser internationales Engagement bestimmen. Aber Zurückhaltung und Gewaltverzicht können nicht am Ende bloß Wegschauen bedeuten.
    Deshalb sage ich auch hier: Die Entscheidung in der Bosniendebatte, die wir in diesem Haus geführt

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    haben, eine der neuen Schlüsselentscheidungen der deutschen Politik, die sich, die sie befürwortet haben, gegenüber den Soldaten nicht leichtgemacht haben, war schwierig, aber sie war doch - das wiederhole ich hier - richtig. Sie hat eben nicht, wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN damals behauptet hat, zu einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik geführt. Sie hat auch nicht, wie die Mehrheit der SPD damals behauptet hat, zu einer Eskalation der Gewalt geführt. Die Entscheidung, die wir mit anderen getroffen haben, hat dazu geführt, daß zum erstenmal die Chance eines Friedensprozesses in BosnienHerzegowina eröffnet wird. Das ist die Wahrheit nach diesen Tagen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das wird später als eine große Schlüsselentscheidung des deutschen Parlaments bewertet werden; ich sehe das jedenfalls so.
    Ich glaube, wir haben Glück gehabt, daß wir in unserem Land wichtige Grundentscheidungen in Kernfragen nach langer und kontroverser Beratung immer einigermaßen richtig getroffen haben. Auch diese Entscheidung, die die Bundeswehr betrifft, ist richtig getroffen worden; denn glaubwürdige Friedenswahrung muß in letzter Konsequenz auch die Bereitschaft zum Kampfeinsatz beinhalten. Das Völkerrecht kann sich nicht selbst schützen. Es muß von denen geschützt werden, die es tragen. Oder es wird nicht geschützt, und es wird nirgends mehr respektiert.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir wollen dort möglichst schnell zu einem Friedensschluß kommen. Der Bundesaußenminister, der Bundesverteidigungsminister und der Bundeskanzler müssen wissen: Sie haben die Unterstützung der F.D.P. bei einer deutschen Beteiligung an der vorgesehenen NATO-Friedenstruppe. Ich wünsche mir, daß der dann dafür notwendige Beschluß des Bundestages mit größerer Mehrheit gefaßt wird als der damalige Beschluß. Das wäre für die Soldaten als entscheidendes Signal der Politik in Deutschland wichtig.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, als dieses Land zusammengebrochen war, war die erste Forderung: Niemals wieder Krieg! Der europäische Aufbau und unser eigener Umgang mit dem Bündnis haben dazu geführt, daß wir in einer Stabilitätsgemeinschaft leben. Wir müssen alles versuchen, um Konfrontation und Renationalisierung in Europa zu verhindern. Das wird auch in Zukunft Ziel der Außenpolitik bleiben müssen. Wir werden das in engerer Abstimmung und in stärkerer gesamteuropäischer Verantwortung und Orientierung in Europa wahrnehmen müssen.
    Für diese Aufgabe ist in Zukunft eines unverzichtbar: Man kann Frieden nicht schützen, man kann Menschen nicht helfen, wenn man nicht über Soldaten verfügt.
    Die Bundeswehr hat Zukunft. Sie muß wissen, daß sie sich auf die politische Unterstützung der F.D.P. und der Koalition bei ihrem gewachsenen, klaren,
    schwieriger gewordenen, aber demokratischen Auftrag verlassen kann.
    Wer Freiheit verwirklichen und schützen will, braucht Macht. Niemals wurde das dramatischer erfahren als beim ersten Versuch einer Verfassungsgebung in Deutschland in der Paulskirchenversammlung.
    Eine Demokratie braucht Streitkräfte. Unsere Soldaten sind dazu da, uns, unsere Gesellschaft in ihrer freiheitlichen Verfassung in den Grenzen unseres Landes zu verteidigen. Sie werden auch bei der Erfüllung ihrer neuen, internationalen Aufgaben das bleiben, was sie 40 Jahre für uns gewesen sind: Soldaten in der Bundeswehr, eine Armee der Freiheit und der Demokratie. Wir danken ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nun der Abgeordnete Graf von Einsiedel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Graf Heinrich von Einsiedel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gerhardt, auch ich fürchte, das wird eine Schlüsselentscheidung des Parlaments sein. Wir können uns an andere, ähnliche Schlüsselentscheidungen erinnern, z. B. an die Bewilligung der Kriegskredite 1914. Hoffentlich wird diese Schlüsselentscheidung nicht solche Folgen haben.
    Die große Mehrheit dieses Hauses feiert heute den 40. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr. Aber ich und die Fraktion, für die ich hier spreche, können sich diesen Festreden nicht anschließen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr seid keine Fraktion!)

    - Ja, keine Fraktion, ich weiß. Für mich sind wir eine Fraktion. Ihre Geschäftsordnungstricks, die uns benachteiligen, interessieren mich nicht.

    (Beifall bei der PDS)

    Fast 90 % der heutigen Mitglieder des Hauses waren damals, als die Wiederbewaffnung Deutschlands beschlossen wurde, höchstens Teenager oder noch jünger. Sie sind alle - ob sie nun in der Bundesrepublik oder in der DDR erwachsen geworden sind - in einem politischen Umfeld, in einem politischen Klima herangereift, das vom kalten Krieg geprägt war, von der Vorstellung, daß die militärische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion unvermeidlich oder doch nur durch die Politik der militärischen Stärke zu verhindern sei. Aber sie sind meistens nicht genug herangereift, um dieses Geschichtsbild einmal zu hinterfragen.
    Ich will gar nicht bestreiten, daß die Sowjetunion mit ihrer Politik nach dem Sieg über Hitler-Deutschland viel Anlaß geliefert hatte, diese Einschätzung der Lage in Europa mit anscheinend unwiderleglichen Argumenten zu untermauern. Wer wie ich damals und noch heute die Lage anders einschätzte, galt bestenfalls als nützlicher Idiot, wenn nicht gar als Schlimmeres. Aber ich habe sie anders eingeschätzt, nicht weil ich gegenüber der Sowjetunion

    Heinrich Graf von Einsiedel
    blauäugig gewesen wäre, sondern weil ich sie besser kannte.
    Die Unterwerfung der durch die Rote Armee unter ungeheuren Blutopfern auf beiden Seiten von der Hitler-Wehrmacht befreiten Länder zu Satellitenstaaten der Sowjetunion war aus der Angst geboren, aus einem tiefsitzenden Unterlegenheitsgefühl, aus dem Schock, daß der Vernichtungsfeldzug der Wehrmacht gegen die Sowjetunion um ein Haar, wie Stalin selber eingeräumt hat, erfolgreich gewesen wäre. Diese Satellitenstaaten sollten ein Glacis für die Festung Sowjetunion bilden, ein Vorfeld ihrer Verteidigung, keine Absprungbasis für weitere Aggressionen.
    Die Drohung, Westdeutschland, die Bundesrepublik, wiederzubewaffnen hatte zunächst Erfolg: Stalin lenkte ein. Er bot einen Friedensvertrag mit Deutschland an, die Wiedervereinigung unter der Bedingung, daß das wiedervereinigte Deutschland sich keinem gegen die Sowjetunion gerichteten Militärpakt anschließen dürfe und die Oder-Neiße-Linie anerkennen müsse. Dieses Angebot kam sicher sehr spät. Aber war der Westen nicht sowieso längst entschlossen, den kalten Krieg zu führen und die Sowjetunion so lange unter militärischen Druck zu setzen, bis sie aufgab? Wie dem auch gewesen sein mag: Daß dieses Angebot der Sowjetunion nicht einmal in Verhandlungen auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft worden ist, halte ich für einen unverzeihlichen, schlimmen Fehler der Außenpolitik Adenauers.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir haben damals ohne Not die Menschen in der DDR im Regen stehenlassen, und wir haben sie die Hauptlast dieses Krieges, nämlich die Reparationen an die Sowjetunion, zahlen lassen. Für mich waren die Bedingungen dieses Angebots annehmbar. Es hätte uns 40 Jahre Spaltung, 40 Jahre kalten Krieg und vielleicht 2 Billionen DM Rüstungskosten ersparen können. Wir hätten dabei sogar eine Bundeswehr zur eigenen Verteidigung haben dürfen, nicht zur Vorwärtsverteidigung, wie man die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr umschreibt, und auch ohne weltweit einsatzfähige Krisenreaktionskräfte, wie man sie jetzt aufbauen will. Aber das wäre ja schon mehr als genug gewesen, jedenfalls für mich.
    Ich weiß, Sie sind davon überzeugt: Dieses Angebot war nur ein taktisches Manöver, nur ein Trick. Aber, meine Damen und Herren, die Viererbande, wie sie in der Sowjetunion genannt wurde, die bereit war, die DDR gegen die militärpolische Neutralisierung Deutschlands aufzugeben, hat es doch gegeben. Semjonow hat mir das drei Wochen vor seinem Tode in einem Gespräch noch einmal ausdrücklich bestätigt. Er war nicht wenig stolz darauf, im letzten Moment nach Stalins Tod und vor Berijas Liquidierung von diesem Zug abgesprungen zu sein.
    In einer Beziehung allerdings kam das Angebot Stalins zu früh, weil niemand im Westen Deutschlands es im Unterschied zum Osten wagen durfte, die Oder-Neiße-Linie anzuerkennen, ohne als Vaterlandsverräter zu gelten. Ich möchte es hier gleich sagen: Die größte politische Leistung, die das deutsche
    Volk nach dem Zweiten Weltkrieg vollbracht hat, ist nicht der Entschluß zur Wiederbewaffnung, sondern die Anerkennung dieser Grenze, das Sich-Abfinden mit der massenhaften Vertreibung,

    (Beifall bei der PDS)

    die, selbst wenn man sie als Strafe für die schrecklichen Verbrechen Hitler-Deutschlands ansieht, eine nur sehr schwer zu verkraftende Verletzung der Psyche von Millionen Menschen war. Aber das hat eben Generationen gedauert.
    Deshalb kann ich nicht Ihren Optimismus teilen, der möglicherweise bevorstehende, mit Waffengewalt erzwungene Frieden in Ex-Jugoslawien werde bereits in einem Jahr unumkehrbar sein. Die schrecklichen ethnischen Säuberungen in Jugoslawien, die mit deutscher und NATO-Hilfe dort jetzt festgeschrieben werden sollen, werden sich als schwere Hypothek für einen dauerhaften Frieden erweisen.

    (Beifall bei der PDS)

    Doch zurück zur Bundeswehr. In Ihren Augen war die Wiederbewaffnung die Grundlage des Friedens in den letzten 40 Jahren. Woher Sie aber wissen wollen, ohne diese Wiederbewaffnung hätte es Krieg in Europa gegeben, bleibt Ihr Geheimnis.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    In meinen Augen war der Entschluß zur Wiederbewaffnung eine höchst risikovolle Provokation der Sowjetunion. Sie war nämlich das einzige Motiv, das die Sowjetunion für eine Aggression gegen Westeuropa hätte haben können, zumal die Wiederbewaffnung von recht aggressiven Attitüden begleitet war.
    Erinnern Sie sich nicht mehr an die Sprüche vom Rollback der Sowjetunion bis an den Ural aus Ihren Reihen, an die Plakate der F.D.P. „Niemals Deutschland dreigeteilt", an all die großen Kundgebungen der Vertriebenenverbände, auf denen die Redner der beiden großen Parteien dem deutschen Volk versprachen, daß Wroclaw wieder Breslau heißen werde, daß Pommern, Schlesien und Ostpreußen wieder deutsch sein würden?
    Unter diesen Umständen sollten die Polen und die Sowjetunion keinen Grund zu der Befürchtung haben, die Deutschen könnten doch noch einmal zur Revanche antreten? Das konnten doch nur die glauben, die vollkommen verdrängt hatten, was die Wehrmacht und die SS im Osten angerichtet hatten. Statt so stolz auf die Wiederbewaffnung zu sein, sollten Sie lieber wie der Reiter über den Bodensee zurückschauen.

    (Beifall bei der PDS)

    Glauben Sie etwa, es war ein Zufall, daß der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie in Polen als erster Schritt die Gründung der Solidarność auf dem Fuße folgte, nämlich als die Polen nicht mehr das Gefühl hatten, sie müßten sich fest an die Sowjetunion anklammern, um diese Grenze zu sichern?
    Auch bitte ich Sie, einmal darüber nachzudenken, ob die Wiederbewaffnung Deutschlands nicht eine sehr entscheidende Ursache für das Ausbleiben jeder

    Heinrich Graf von Einsiedel
    tieferen Reform oder Perestroika nach Stalins Tod in der Sowjetunion gewesen ist. Unter dem militärischen Druck von außen und der Bedrohung, unter der sich die Menschen dort genauso wie im Westen fühlten, war es eben für die Machthaber dort nicht leicht - jedenfalls haben sie es nicht gewagt -, Reformen einzuleiten, die zunächst immer auch eine Schwächung der zu reformierenden Strukturen darstellen.
    Sie sind übrigens auf dem besten Weg, diesen Fehler jetzt zu wiederholen, nämlich mit der NATO-Erweiterung, mit dem militärischen Druck, den Sie jetzt wieder auf Rußland, das sich in einem allerschwierigsten Reformprozeß befindet, ausüben.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn?)

    Sie machen sich offenbar nicht die Mühe, oder Sie sind unfähig, sich einmal in die Schuhe des vermeintlichen Gegners zu stellen. Rußland ist heute als Großmacht in Europa um Jahrhunderte, fast in die Zeit vor Peter dem Großen zurückgeworfen. Die Russen haben große Teile ihres in Jahrhunderten gewachsenen Imperiums aufgegeben. Was für Demutsgebärden erwarten Sie eigentlich noch? Sollen sie den Kreml an Walt Disney verkaufen, um die Unterwerfung komplett zu machen?

    (Beifall bei der PDS)

    Ihre Außenpolitik ist leider viel zu stark vom Denken in militärischen statt in politischen Kategorien befangen.
    Noch eine Bemerkung kann ich Ihnen nicht ersparen. Nicht nur die Sieger über Hitler, sondern auch viele Menschen meiner Generation waren aus der schrecklichen Erfahrung, die wir mit unseren Generälen gemacht haben, 1945 der tiefen Überzeugung, wir Deutschen dürften so bald nicht wieder Waffen in die Hand nehmen - das war auch das Ziel des Krieges gegen Hitler-Deutschland -, schon gar nicht unter deni Befehl von Männern, die sich durch den erneuten Ruf zu den Waffen mit dem alten Feindbild Sowjetunion nachträglich noch in ihrem bedingungslosen Gehorsam gegenüber Hitler und seiner verbrecherischen Kriegsführung weitgehend gerechtfertigt und entschuldigt wähnten. In einer Zeit, als noch jeder Widerstand gegen Hitler, nämlich in den 50er Jahren, nicht nur der kommunistische, sondern selbst der der Verschwörer vom 20. Juli, auf die Herr Bundeskanzler Dr. Kohl abgehoben hat, als Verrat angesehen wurde, wo der militärische Gehorsam noch vielen als die höchste Tugend galt, gleichgültig, wem er geleistet wurde, war es ein schwerer Rückschlag für die geistige Gesundung dieses Volkes, seine Söhne wieder in Uniform zu stecken.
    Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und nach dem Wegfall des vermeintlichen Grundes für die Wiederbewaffnung die nächste Enttäuschung: zunächst Abrüstung, jetzt aber schon wieder verstärkte Rüstung, statt militärischer Zurückhaltung Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebiets, statt Verbot des Rüstungsexports seine ständige Steigerung. Und dann das wilhelminische Primborium des Großen Zapfenstreichs mit denselben
    Fackeln, die am 30. Januar 1933 unter dem Brandenburger Tor getragen worden sind.

    (Beifall bei der PDS Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir sagen nein dazu. Stoppen Sie die Militarisierung der Gesellschaft! Lassen Sie uns umkehren in Richtung konsequenter Entmilitarisierung!
    Danke sehr.

    (Beifall bei der PDS Zurufe von der CDU/ CSU: Buh!)