Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 40 Jahre Bundeswehr und fünf Jahre Armee der Einheit, zwei Anlässe, die Grund genug dafür sind, die Leistungen der aktiven und ausgeschiedenen Soldaten und der Zivilbediensteten der Bundeswehr zu würdigen. Es geht darum, dankbar dafür zu sein, daß die Geschichte der Bundeswehr eine Erfolgsgeschichte sein konnte.
40 Jahre Frieden und Freiheit für die Menschen im Westen Deutschlands, fünf Jahre Freiheit für alle Deutschen. Dies ist mit ein Verdienst der Bundeswehr.
Meine Damen und Herren, dieser Weg der Bundeswehr war nicht selbstverständlich. Am Anfang der Diskussion um die Wiederbewaffnung, in den 50er Jahren, standen tiefe Meinungsverschiedenheiten in unserem Volk einander gegenüber. Es wurde sehr emotional über die Frage gestritten, wie diese erste deutsche Bürgerarmee in der Demokratie verfaßt sein werde.
In dieser Debatte ist schon darauf hingewiesen worden, daß Scharnhorsts Aussage „Der Bürger in Waffen und die allgemeine Wehrpflicht untermauern den Willen des Volkes, Freiheit durch Mitverantwortung zu verteidigen", für das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform Pate stand. Es war aber hart umstritten. Dieses Leitbild des Staatsbürgers in Uniform hat sich bis heute bewährt. In der damaligen Zeit, in den 50er Jahren, wurde darüber gestritten, meine Damen und Herren, wie groß der Beitrag des einzelnen sein konnte. „Ohne mich" war eine Parole, die es damals gab, und diese Parole ist - das muß im Hinblick auf manche Diskussionen über die allgemeine Wehrpflicht leider gesagt werden - heute wieder in unserer Bevölkerung vorhanden.
Bei aller Verankerung der Bundeswehr in der deutschen Bevölkerung, die groß ist, ist dies ein Punkt, der unsere Aufmerksamkeit stärker verdient.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich mich auch auf die Debatten der letzten Tage beziehen. Herr Scharping, jeder von uns hat Probleme mit seinem Terminkalender. Es steht mir überhaupt nicht zu, über den Ihren zu urteilen. Aber meinen Sie im nachhinein nicht auch, daß manche Vermutungen und Verwirrungen der letzten Stunden und Tage vermeidbar gewesen wären, wenn Sie gestern abend beim Zapfenstreich dabeigewesen wären?
Es kommt ja, geschätzter Herr Kollege Scharping, nicht von ungefähr, daß solche Vermutungen immer direkt aufkommen. Ich habe gestern abend - und ich war nicht alleine damit - bei den Demonstranten auch Juso-Fahnen sehen müssen.
Ich glaube nicht, daß dort irgend jemand Fremdes die Fahne der Jungsozialisten in der SPD mißbraucht hat, sondern daß es Jungsozialisten gewesen sind.
Auf der anderen Seite, Herr Kollege Scharping, kenne ich natürlich sehr geschätzte Kollegen Ihrer Fraktion, die für die Bundeswehr eintreten und viel Gutes tun. Es ist notwendig, daß nicht nur Sie, Herr Scharping, sich darum bemühen, sondern daß die SPD sich insgesamt darum bemüht, diese Widersprüchlichkeit in Ihrer Partei zu beseitigen.
Wenn wir über die Geschichte der Bundeswehr reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin - -
- Entschuldigung, Herr Präsident, dies ist nicht mir als erstem passiert, daß man, weil hier keine Rückspiegel eingebaut sind, den Präsidentenwechsel nicht zur Kenntnis nehmen kann.
Meine Damen und Herren, die Aufstellung der Bundeswehr stand von Anfang an im Zusammenhang mit dem Wunsch der Deutschen im freien Teil Deutschlands nach Souveränität und nach Wiedervereinigung. So stellte Konrad Adenauer 1952 fest: „Nur die Beteiligung an einer integrierten westlichen Streitmacht gewährleistet die Sicherheit Deutschlands und bereitet den Weg zur Wiedervereinigung." Adenauer erfuhr damals zum Teil herbste Kritik. Ihm wurde der Vorwurf gemacht, durch das klare Einbinden der damaligen Bundesrepublik in das westliche Bündnis eine Politik, die gegen die Einheit gerichtet sei, zu betreiben. Er hat mit seiner Vision recht behalten, und der 3. Oktober 1990, der Tag der deutschen Einheit, hat ihn eindrucksvoll bestätigt.
Wichtig, meine Damen und Herren, ist die Feststellung, daß an der Schwelle, am Anfang der Aufstellung der Bundeswehr, das Streben nach Souveränität
Paul Breuer
und das Streben nach Integration und Kooperation stand. Die Bundeswehr hat mit ihrem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, das dem Soldaten prinzipiell die gleichen Rechte wie den zivilen Bürgern gibt, einen neuen Meilenstein in der deutschen Wehrgeschichte gesetzt. Mit dem unpolitischen Soldaten der Reichswehr, der nicht einmal wählen durfte, haben wir in der Bundeswehr Schluß gemacht.
Es gibt natürlich in der deutschen Wehrverfassung viel mehr an Neuem, was von Ihnen, Herr Fischer, wenn ich mich denn mit Leuten Ihrer Prägung auseinandersetze, zum Teil gar nicht zur Kenntnis genommen wird.
Wenn ich die Vorwürfe von Militarismus höre und die Soldaten der Bundeswehr in der Eingebundenheit in unser friedliebendes Volk und die deutsche Wehrverfassung sehe, dann ist es beschämend, daß Ihre Leute gestern abend als Demonstranten vor den Gattern standen und „Mörder! Mörder! " riefen.
Es ist beschämend, Herr Fischer.
- Brüllen Sie sich hier ruhig aus.
Ich will mich gar nicht allzu lange mit der grünen Bürgermeisterin der Stadt Bonn beschäftigen.
Aber eines ist mir in den letzten Tagen noch einmal deutlich geworden.
Das, was Sie in den letzten Wochen versucht haben - der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dieser Partei einen staatstragenden Anstrich zu geben, auch im Hinblick auf internationale Verantwortung -, das ist in den letzten Tagen und auch gestern abend absolut gescheitert.
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat in der Menschenführung Erfolg gehabt, aber sie hat natürlich auch Rückschläge erlitten. Für einen Rückschlag steht nach wie vor der Name eines sehr schönen Ortes in Baden-Württemberg, nämlich Nagold.
Aber wir haben es durch gemeinsame Anstrengungen der Regierungen, durch gemeinsame Anstrengungen des Parlaments, durch gemeinsame Anstrengungen in der Bundeswehr geschafft, derartig Danebengegangenes zu überwinden und trotzdem zu einem großen Erfolg zu kommen. An dieser Stelle darf ich insbesondere den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages aus den letzten Jahrzehnten und auch unserer heutigen Wehrbeauftragten Claire Marienfeld herzlich für ihre Arbeit danken.
Die Bundeswehr war von Beginn an eine Bündnisarmee, was ja im Hinblick auf die deutsche Geschichte nicht selbstverständlich war, die wie ein Krater zu Beginn der 50er Jahre die Aufstellung der neuen deutschen Streitkräfte belastete. Eine große Hürde des Mißtrauens mußte von den deutschen Soldaten in dieser neuen Armee überwunden werden.