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    Plenarprotokoll 13/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 6. November 1995 5563 A Zur Geschäftsordnung Dr. Dagmar Enkelmann PDS 5563 B Joachim Hörster CDU/CSU 5563 D Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 40 Jahre Bundeswehr — 5 Jahre Armee der Einheit b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 13/1801, 13/2209, 13/2547, 13/2548) . 5564B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksache 13/580) . 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fortsetzung der Bundeswehrreduzierung und Verzicht auf Umstrukturierung der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze (Drucksache 13/499) 5564 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten der PDS: Kampfeinsätze der Bundeswehr (Drucksachen 13/136, 13/1880) . . . . . . . 5564 D Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 5564 D Rudolf Scharping SPD 5568 C Paul Breuer CDU/CSU 5572 A Rolf Köhne PDS 5573 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5575 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . 5577 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 5577 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 5580 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 5582 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5584 A Walter Kolbow SPD 5585 D Rainer Eppelmann CDU/CSU 5588 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5590 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 5592 C Dieter Heistermann SPD 5594 C Paul Breuer CDU/CSU 5595 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5597 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5598A Dr. Gregor Gysi PDS 5600A Volker Kröning SPD 5601 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 5603 B Rolf Köhne PDS 5605 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS (Erklärung nach § 30 GO) 5606A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachen Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (Drucksachen 13/2235, 13/ 2476, 13/2784, 13/2785) 5607 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eckwerte für ein grünes Selbsthilfe-Gesetz für eine soziale und ökologische Reform der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Gruppe der PDS: Reformierung der Wohneigentumsförderung als ein Bestandteil der Wohnungsbaupolitik (Drucksachen 13/2304, 13/2357, 13/2784) 5607 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neugestaltung der Wohneigentumsförderung zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wohnungsbaugenossenschaften stärken - Mitglieder steuerlich fördern (Drucksachen 13/1501, 13/1644, 13/2771) 5607 B Dr. Kurt Faltlhauser, Parl. Staatssekretär BMF 5607 C Otto Reschke SPD 5608 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 5610 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5611B Dr. Barbara Höll PDS 5611 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5612C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 5613 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . 5614 B Detlev von Larcher SPD 5614 C Klaus-Jürgen Warnick PDS 5615 D Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . 5616D Achim Großmann SPD 5618 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 5620 B Otto Reschke SPD 5621 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 5622 A Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5622 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Altschuldenregelung für ostdeutsche Kommunen angesichts erster Bewertungsergebnisse eines Rechtsgutachtens zur Auferlegung von Rückzahlungsverpflichtungen 5623 C Dr. Christine Lucyga SPD 5623 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 5624 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5625 D Jürgen Türk F.D.P 5626 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 5627 C Irmgard Karwatzki, Pari. Staatssekretärin BMF 5628 B Dr. Uwe Küster SPD 5629 A Dr. Michael Luther CDU/CSU 5630 B Gunter Weißgerber SPD 5631 A Susanne Jaffke CDU/CSU 5631 D Dr. Mathias Schubert SPD 5632 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 5633 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5634 B Zusatztagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 13/2746) 5635 B Ulf Fink CDU/CSU 5635 C Brigitte Lange SPD 5636 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5638 A Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 5639A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 5640 A Nächste Sitzung 5640 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5641 * A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5641 * C 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD SPD SPD SPD 27. 10.95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Barthel, Klaus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Blunck, Lilo SPD F.D.P. 27. 10. 95 Conradi, Peter Dietert-Scheuer, Amke SPD SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Dr. Dobberthien, Marliese CDU/CSU PDS 27. 10. 95 ** Günther (Plauen), Joachim PDS CDU/CSU 27. 10. 95 Dr. Hartenstein, Liesel Hempelmann, Rolf Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Jacob, Willibald Jüttemann, Gerhard Kuhn, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Lengsfeld, Vera CDU/CSU SPD 27. 10. 95 Marten, Günter SPD CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10.95 Meißner, Herbert Neumann (Berlin), Kurt Dr. Pinger, Winfried BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Dr. Reinartz, Bertold Schaich-Walch, Gudrun Scheel, Christine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schlauch, Rezzo CDU/CSU CDU/CSU SPD 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 Schmidt (Mülheim), Andreas SPD 27. 10. 95 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27. 10. 95 Schultz (Everswinkel), Reinhard Schumann, Ilse Steindor, Marina Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Thiele, Carl-Ludwig Thieser, Dietmar Tippach, Steffen Titze-Stecher, Uta F.D.P. 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 27. 10. 95 * Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Warnke, Jürgen Zierer, Benno SPD PDS SPD CDU/CSU CDU/CSU CDU/CSU *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 689. Sitzung am 13. Oktober 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Achtzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes - Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen - Gesetz zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 folgende Vorlagen zurückgezogen: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Wahl der Richter und Richterinnen) - Drucksache 13/1626 - - Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Wege zu einem dauerhaft umweltverträglichen Umgang mit Stoffen und Energien" - Drucksache 13/98 - - Antrag: Das Meer ist keine Müllhalde - Drucksache 13/1727 - Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 13/1376, 13/1787 Nr. 1.1 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksachen 12/6960, 13/725 Nr. 132 5642* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Oktober 1995 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 12/7063, 13/725, Nr. 174 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen haben. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/2306 Nr. 2.67 Innenausschuß Drucksache 13/765 Nr. 1.20 Drucksache 13/765 Nr. 1.21 Finanzausschuß Drucksache 13/1614 Nr. 2.10 Drucksache 13/1614 Nr. 2.11 Drucksache 13/2306 Nr. 2.13 Drucksache 13/2306 Nr. 2.61 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1338 Nr. 2.2 Drucksache 13/1442 Nr. 1.4 Drucksache 13/1799 Nr. 2.4 Drucksache 13/2306 Nr. 2.27 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/725 Nr. 137 Drucksache 13/725 Nr. 139 Drucksache 13/269 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 98 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/478 Nr. 1.2 Drucksache 13/1038 Nr. 15 Drucksache 13/1338 Nr. 1.6 Drucksache 13/1614 Nr. 1.9 Drucksache 13/1799 Nr. 1.1 Berichtigung Im Anhang zum stenographischen Protokoll der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 8. September 1995 zu EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament ist unter dem Titel Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Drucksachennummer 13/725, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 112 und Nr. 124 ersatzlos zu streichen.
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    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 40 Jahre Bundeswehr sind Anlaß zum Dank, zum Dank an jene 8 Millionen Frauen und Männer, die in der Bundeswehr seit ihrer Gründung Dienst dafür geleistet haben, daß sich dieses Land friedlich und freiheitlich entwickeln konnte.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)

    40 Jahre Bundeswehr sind auch Anlaß zur Anerkennung, sowohl für die politischen Leistungen, die mit ihrem Aufbau verbunden sind, wie auch für den enormen Beitrag, den die Bundeswehr gemeinsam mit unseren Freunden und Verbündeten für die Sicherheit dieses Landes geleistet hat.

    (Beifall bei der SPD)

    40 Jahre Bundeswehr sind auch Anlaß zu einer kritischen Bilanz. In diesem Sinne war es nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte nicht selbstverständlich, daß eine demokratieverträgliche, besser gesagt: eine demokratieunterstützende Institution mit der Bundeswehr gefunden werden konnte. Im Unterschied zu früheren Epochen wurde mit der militaristischen Tradition durch den Aufbau der Bundeswehr gebrochen und die geschichtliche Hypothek aus der Nazizeit in eine angemessene Wehr- und Verteidigungspolitik umgesetzt.
    Mit ihrem verteidigungspolitischen Auftrag und mit ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung, dem Konzept der Inneren Führung und dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform wurde der Bundeswehr ein Fundament gegeben, das einer Demokratie angemessen ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Nicht nur der Primat der Politik, auch die Konzeption der Streitkräfte als Wehrpflichtarmee haben zur gesellschaftlichen Offenheit und zur demokratischen Verankerung der Bundeswehr entscheidend beigetragen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Deshalb ist auch der Dienst jener acht Millionen Frauen und Männer in den Streitkräften oder in der Bundeswehrverwaltung wichtig für eine zivile Kultur der Bundeswehr und zugleich eine entscheidende Basis ihrer Legitimation. Aus diesem Grund

    Rudolf Scharping
    betonen wir auch für die Zukunft die Notwendigkeit, an der Wehrpflicht festzuhalten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert die Bundeswehr als ein notwendiges Instrument zur Wahrung unserer äußeren Sicherheit. Wenn man über die historischen Weichenstellungen in der Geschichte der Bundeswehr und der Bundesrepublik Deutschland redet, dann darf man die glücklichen Umstände deutscher Außen- und Sicherheitspolitik nicht unerwähnt lassen. Die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien, die Westintegration der Bundesrepublik, bildete nicht nur einen stabilen äußeren Rahmen für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft, sondern sie hat gleichzeitig entscheidend den Aufbau und die Ausrichtung der Bundeswehr geprägt als eine Armee im Bündnis.
    Deshalb betonen wir: Die militärische Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die NATO war und bleibt wesentlicher Bestandteil unserer Außenpolitik, war wesentlicher Bestandteil der Aussöhnung und ist jetzt ein festes Fundament dafür, daß aus Partnern auch Freunde geworden sind, zwischen denen Krieg nicht mehr denkbar ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In diesen Rückblick auf 40 Jahre Bundeswehr schließen wir ausdrücklich die Würdigung der Arbeit der Bundeswehr bei der Gestaltung einer gesamtdeutschen Streitmacht ein. Seit dem 3. Oktober 1990 hat die Bundeswehr etwa 10 000 ehemalige Soldaten der NVA integriert. Das ist eine große Leistung, wenn man berücksichtigt, daß auch 200 000 Wehrpflichtige aus den östlichen Bundesländern mittlerweile Dienst in der Bundeswehr getan haben.
    Wenn wir heute also von einer gesamtdeutschen Bundeswehr sprechen können, dann verbergen sich dahinter enorme Anpassungsleistungen, große Anstrengungen, Einsatzbereitschaft und auch Führungsfähigkeit. Man darf dabei nicht vergessen, daß die Bundeswehr in ihrer gesamtdeutschen Dimension aus einem tiefgreifenden Umstrukturierungsprozeß hervorgegangen ist. Die Streitkräfte wurden von etwa 600 000 auf 370 000 Soldaten reduziert, die zivilen Mitarbeiter von 230 000 auf etwa 160 000. In nur vier Jahren wurden zudem 200 Standorte in den westlichen Bundesländern geschlossen, in den östlichen Bundsländern 2 300 Standorte der NVA übernommen und weitgehend aufgelöst.
    Dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Für die Gegenwart und die nähere Zukunft gilt: Wir brauchen einen stabilen Rahmen. Die bisher viermalige Umstrukturierung der Bundeswehr und die noch immer nicht abgeschlossenen Maßnahmen signalisieren, daß dem Einsatzwillen und der Bereitschaft der Soldatinnen und Soldaten ein zukunftsweisendes Konzept noch nicht gegenübersteht.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist für die Sozialdemokraten aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Bundeswehr einen Beitrag zur Überwindung der kulturellen Spaltung leistet. Georg Leber hat bei der Festsitzung des Verteidigungsausschusses zu Recht auf die Bedeutung der Wehrpflicht auch für die innere Einheit unseres Landes hingewiesen und darauf, daß der gemeinsame Dienst von jungen Menschen aus den neuen und den alten Bundesländern Verständigung miteinander und Verständnis füreinander fördert.
    Meine Damen und Herren, gerade weil die Bundeswehr in den 40 Jahren ihrer Existenz einen anerkannten Platz in unserem demokratischen Rechtsstaat gefunden hat, gerade weil sie auf eine freiheitliche demokratische Verfassung gründet, konnte sie auch einen guten Beitrag zur Fähigkeit unseres Landes, sich zu verteidigen, und zur Sicherheit unseres Landes, zur Integration in der NATO und zur Friedenssicherung leisten. Das ist, allen anderen aktuellen Debatten und Meinungsverschiedenheiten zum Trotz, eine beispielhafte Leistung.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Sozialdemokratie hatte nicht immer - das will ich genauso offen ansprechen - ein in der Politik hier und da zwischen Regierung und Opposition umstrittenes, aber in den Grundsätzen so ungebrochenes Verhältnis zu Streitkräften. Das hat mit dem Charakter der bewaffneten Macht im Kaiserreich und der tradierten Rolle der Streitkräfte bis hinein in die Weimarer Republik zu tun, das hat zu tun mit der Befürchtung, die damals zu Recht bestand, daß Streitkräfte im Innern eingesetzt und zugunsten autoritärer Kräfte mißbraucht werden könnten. Gleichwohl war die Sozialdemokratie nie eine pazifistische Partei, sondern sie hat auch schon in der ersten Republik ihre Unterstützung von Streitkräften von der Existenz eines kollektiven Sicherheitssystems und der Demokratisierung und Demokratieverträglichkeit der damaligen Wehrmacht abhängig gemacht,

    (Beifall bei der SPD) Bedingungen, die leider nicht erfüllt waren.

    Vor dem Hintergrund des rassistischen Vernichtungskrieges der Nationalsozialisten und der tiefen Spaltung Deutschlands nach 1945 hat die SPD am Beginn der zweiten Republik gegen die Wiederbewaffnung gerungen. Das war aber, sorgfältig betrachtet, eine Ablehnung, die nie aus pazifistischer Verweigerung herrührte, sondern den internationalen Handlungsbedingungen geschuldet war. Denn schon 1952 hat die Sozialdemokratie formuliert, daß sie gemeinsame Anstrengungen zur Sicherung des Friedens und der Verteidigung der Freiheit auch mit militärischen Mitteln befürwortet, wenn sie in die Bemühungen um Wiedervereinigung und ein europäisches Sicherheitssystem, in die Gleichberechtigung der Teilnehmer an einem solchen System und in die demokratisch-parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte selbst eingebettet bleiben. Diese Bedingungen sind heute erfüllt. Deshalb fällt es uns nicht schwer, sondern wir sind fest davon überzeugt, daß unter solchen Bedingungen Streitkräfte in einer Demokratie mit einer festen demokratischen Verankerung sinn-

    Rudolf Scharping
    voll und angesichts der äußeren Bedingungen unseres Landes nach wie vor notwendig sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich erwähne, meine Damen und Herren, diese Entwicklung auch, um deutlich zu machen, daß die SPD mit ihren Erfahrungen und auf ihnen aufbauend einen richtungsweisenden Beitrag zum Aufbau der Streitkräfte geleistet hat, von Streitkräften, die der Freiheit und der Demokratie und dem Frieden gleichermaßen verpflichtet sind. Denn unter der geistigen Führung eines meiner Vorgänger, des, wie ich denke, nun wirklich bedeutenden Abgeordneten Fritz Erler, begann die sozialdemokratische Opposition, sich 1956 aktiv und prägend an der Ergänzung des Grundgesetzes um die Wehrverfassung zu beteiligen. Das fand auch auf der Seite der Angehörigen der Bundeswehr Respekt und Anerkennung. Ich will, um ein Wort von Ulrich de Maizière aufzugreifen, ganz deutlich sagen, daß diese parlamentarische große Koalition mit Fritz Erler und Richard Jaeger, mit dem wir manche Konflikte, manche Sträuße auszufechten hatten, durch Regelungen wie Befehls- und Kommandogewalt, allgemeine Wehrpflicht, Institution des Wehrbeauftragten und die genannten Elemente einen Aufbau der Bundeswehr ohne einen Verfassungskonflikt ermöglicht hat.
    Unter dem Einfluß von Fritz Erler, der zusammen mit Georg Leber in der Kluft zwischen Armee und Arbeiterschaft eine - ich sage: eine - der Ursachen für das Scheitern der Weimarer Republik sah, hat sich die SPD zur Landesverteidigung bekannt und das Konzept der inneren Führung als ein Markenzeichen sozialdemokratischer Verteidigungspolitik im Gegensatz zur alten Tradition des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, von der Nazizeit gar nicht zu reden, durchgesetzt.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb bleibt für uns der Satz „Der Soldat bleibt auch in Uniform Staatsbürger" der Leitsatz für eine moderne Stellung der Streitkräfte in der Demokratie.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben uns längs dieser grundsätzlichen Erwägungen und Überzeugungen verhalten.
    Ohne die Verdienste anderer zu schmälern, will ich doch sagen, daß die drei sozialdemokratischen Verteidigungsminister Helmut Schmidt, Georg Leber und Hans Apel sowie der damalige Wehrbeauftragte Karl Wilhelm Berkhan einen wesentlichen Anteil daran haben, daß die Streitkräfte in Struktur und Ausrüstung, in Ausbildung und innerem Gefüge ein modernes und der Gesellschaft angemessenes Gesicht erhielten. In jener Zeit wurde unter der Führung von Willy Brandt und später von Helmut Schmidt die gesellschaftliche Integration der Bundeswehr gefördert und vorangebracht. Dies geschah in vielen Reformen, die auch heute noch tragfähig sind: Schaffung der Universitäten der Bundeswehr, Einführung der Weißbücher, Reorganisation des Rüstungsbereiches, die nach den Erfahrungen, die man mit bestimmten Beschaffungsvorhaben gemacht hatte, dringend erforderlich war,

    (Beifall bei der SPD)

    Neuordnung der Ausbildung und der Bildung der Soldaten, staatsbürgerlicher Unterricht, weibliche Sanitätsoffiziere, Traditionserlaß. All das sind Stichworte für das demokratische Fundament und für sozialdemokratische Verteidigungspolitik; dies reicht bis hin zur Stärkung der Position des Vertrauensmannes.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Stichwort Traditionserlaß möchte ich hinzufügen, daß es unredlich wäre, frühere Auseinandersetzungen zu verschweigen. Es war nicht selbstverständlich - auch bis heute ist es leider nicht selbstverständlich -, daß man sich uneingeschränkt, wie es richtig wäre und wie wir es fordern, auf die demokratische, die verfassungsorientierte Tradition von Streitkräften beruft. Es war damals und es ist leider auch heute hier und da noch notwendig, harte, zum Teil bittere Auseinandersetzungen um diese Orientierung zu führen; denn sie war weder in der Bundeswehr noch in ihrer politischen Führung in den 50er und 60er Jahren selbstverständlich. Die Auseinandersetzungen um den Namen mancher Kaserne zeigen, daß diese Orientierung auch heute noch nicht völlig selbstverständlich geworden ist.

    (Beifall bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Heinrich Graf von Einsiedel [PDS])

    Die Bundeswehr steht heute vor einer dritten großen Zäsur. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Juli 1994 beinhaltet zwei entscheidende Festlegungen: Erstens ist neben dem Einsatz zur Landes- und Bündnisverteidigung der Einsatz bewaffneter Streitkräfte auch im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit wie beispielsweise der Vereinten Nationen möglich. Zweitens ist die Bundesregierung verpflichtet, für einen solchen Einsatz der Bundeswehr die konstitutive Zustimmung des Parlaments einzuholen. Die Bundeswehr ist Parlamentsheer, und manchem Eindruck zum Trotz: Sie muß auch Parlamentsheer bleiben und darf nicht Instrument alleine einer Regierung oder gar einer Partei werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb sind wir der Auffassung, daß es ein Bundeswehraufgabengesetz geben sollte, in dem Auftrag, Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung beim Einsatz der Streitkräfte geregelt werden. Das wäre eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der guten Entwicklung der letzten Jahrzehnte.
    Für Deutschland bleibt nämlich nicht nur die Einbettung in die NATO, sondern bleiben auch das politische Engagement und die Präsenz der Vereinigten Staaten in Europa wesentlich. Ihre Präsenz und die der anderen Freunde und Verbündeten hat diesem Land erheblich geholfen in seiner äußeren Sicherheit, schließlich auch in der Gestaltung seiner staatlichen Einheit. Allerdings, für die Zukunft wird eine

    Rudolf Scharping
    Reform der NATO angesichts der großen Umbrüche in den internationalen Beziehungen notwendig, und sie muß mit dem Ziel betrieben werden, das transatlantische Bündnis aufrechtzuerhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Neben die Stärkung des Bündnisses muß die Stärkung der Europäischen Union treten. Ich sage das aus zwei Gründen. Wir sollten an der Maxime festhalten, daß ein geeintes Deutschland auch der europäischen Einheit bedarf. Und wir sollten auch daran festhalten, daß die Sicherung und dauerhafte Stabilität für demokratische und friedliche Entwicklungen in Europa nicht allein abhängig sein können von der Stärkung militärischer und auf Sicherheit orientierter Bündnisse, sondern genauso die wirtschaftliche, die soziale und kulturelle Verständigung und Integration in Europa brauchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Also ist die mögliche Erweiterung beider Organisationen miteinander verbunden, und dabei wird zu berücksichtigen sein, daß kluge Außen- und Sicherheitspolitik immer Rußland an der Schaffung eines europäischen Sicherheitsraumes beteiligt und einbezieht.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, für den Westen Europas ist uns das gelungen, und die Sozialdemokratie stimmt ausdrücklich zu, daß mit der Schaffung der deutsch-französischen Brigade, aber auch durch das deutsch-niederländische Korps ein Beitrag zur europäischen Sicherheit und zur europäischen Ausrichtung und Integration der Streitkräfte geleistet wird. Allerdings, gerade der Krieg im ehemaligen Jugoslawien führt eindringlich vor Augen, daß eine Renationalisierung der Außenpolitik für diesen notwendigen Prozeß kontraproduktiv ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Einheitliches außen- und sicherheitspolitisches Handeln ist zwingend erforderlich, um in Europa Konflikte zu verhindern, sie zu begrenzen oder sie zu beenden, wenn der Ausbruch gewaltsamer Auseinandersetzungen nicht zu unterbinden war. Dabei kommt der politischen Einbettung der Verteidigungspolitik in eine Strategie der Prävention von Konflikten entscheidende Bedeutung zu. Und es bleibt für die Zukunft auch dabei, daß politische, nicht militärische Lösungen im Vordergrund unseres Handelns stehen.
    In diesem Zusammenhang ist es dann wichtig und richtig zu betonen: Die SPD steht für Landes-, und sie steht für Bündnisverteidigung. Die SPD hat wiederholt deutlich gemacht, daß sie es für außerordentlich wünschenswert hält, daß Deutschland entsprechend seinen Fähigkeiten die Vereinten Nationen bei der Friedensbewahrung, also beim Peacekeeping, unterstützt. Die SPD plädiert in diesem Zusammenhang für die Aufstellung einer speziell ausgerüsteten und ausgebildeten Truppe, die den Vereinten Nationen zur Verfügung steht und im Rahmen ihrer Aktivitäten eingesetzt wird. Wir halten es für einen Fehler nicht nur der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch gegenüber den Vereinten Nationen und ihrer Wirksamkeit, daß Entscheidungen des Weltsicherheitsrates manchmal erst mit monatelanger Verzögerung durchgesetzt oder umgesetzt werden können. Auch deshalb wäre es gut, wenn Deutschland eine speziell ausgerüstete und ausgebildete Truppe zur Verfügung stellte, die ein rascheres Umsetzen von Entscheidungen des Weltsicherheitsrates ermöglicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit wird die Bedeutung der Vereinten Nationen nicht gemindert, die ja im wesentlichen darin besteht, zivile, globale, gemeinsame Entwicklung voranzubringen. Deshalb sage ich auch hier: Die sozialdemokratische Politik bleibt der Sicherung des Friedens, dem Willen zu weiterer Abrüstung, einer restriktiven Exportpolitik und der Solidarität und Gerechtigkeit gegenüber Partnern, gegenüber sozial Schwächeren und gegenüber späteren Generationen verpflichtet.
    Wenn wir diesem Anspruch gerecht werden wollen, dann muß Deutschland mehr und solidarisch handeln, und dann darf das deutsche Handeln nicht reduziert werden auf hier und da notwendige, unvermeidliche, richtige Beiträge zur militärischen Sicherung von Frieden, sondern dann muß der Schwerpunkt des deutschen Engagements in einer friedlichen Entwicklung, in gegenseitiger Hilfe und in der Unterstützung von Schwächeren liegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich will mich zum Ende meiner Bemerkungen namens der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei den Angehörigen der Bundeswehr für ihren Dienst, der ein Dienst für den Frieden ist, bedanken, bei den Soldaten und Soldatinnen im aktiven Dienst genauso wie bei den Reservisten der Bundeswehr, bei den Vorgesetzten genauso wie bei den Untergebenen. Ich betone: Unser Dank gilt insbesondere den Wehrpflichtigen, die ihren Wehrdienst leisten, der heute nicht nur schwieriger, sondern hier und da auch politisch schwieriger begründbar geworden ist. Dennoch bleibt die Wehrpflicht das konstitutive Element einer in der Demokratie verankerten Streitmacht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall des Abg. HansDietrich Genscher [F.D.P.])

    Wir wollen nicht vergessen, den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr zu danken und mit Trauer und Anerkennung auch jener 2 440 Männer zu gedenken, die im Dienst der Bundeswehr und für unser Land ihr Leben verloren haben.
    Die Bundeswehr hat in den 40 Jahren ihres Bestehens eine verfassungsmäßig bewährte Aufgabenverteilung zwischen Streitkräften und ziviler Verwaltung, zwischen militärischem Kommando und dem Primat der politischen Führung erfahren. Wir sagen also allen daran Beteiligten Dank und Anerkennung und wünschen eine Zukunft in Frieden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Soldatinnen und

    Rudolf Scharping
    Soldaten wünschen wir Zufriedenheit in ihrem Dienst und persönlich eine gute Zukunft.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Kollege Paul Breuer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Breuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 40 Jahre Bundeswehr und fünf Jahre Armee der Einheit, zwei Anlässe, die Grund genug dafür sind, die Leistungen der aktiven und ausgeschiedenen Soldaten und der Zivilbediensteten der Bundeswehr zu würdigen. Es geht darum, dankbar dafür zu sein, daß die Geschichte der Bundeswehr eine Erfolgsgeschichte sein konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.])

    40 Jahre Frieden und Freiheit für die Menschen im Westen Deutschlands, fünf Jahre Freiheit für alle Deutschen. Dies ist mit ein Verdienst der Bundeswehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, dieser Weg der Bundeswehr war nicht selbstverständlich. Am Anfang der Diskussion um die Wiederbewaffnung, in den 50er Jahren, standen tiefe Meinungsverschiedenheiten in unserem Volk einander gegenüber. Es wurde sehr emotional über die Frage gestritten, wie diese erste deutsche Bürgerarmee in der Demokratie verfaßt sein werde.
    In dieser Debatte ist schon darauf hingewiesen worden, daß Scharnhorsts Aussage „Der Bürger in Waffen und die allgemeine Wehrpflicht untermauern den Willen des Volkes, Freiheit durch Mitverantwortung zu verteidigen", für das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform Pate stand. Es war aber hart umstritten. Dieses Leitbild des Staatsbürgers in Uniform hat sich bis heute bewährt. In der damaligen Zeit, in den 50er Jahren, wurde darüber gestritten, meine Damen und Herren, wie groß der Beitrag des einzelnen sein konnte. „Ohne mich" war eine Parole, die es damals gab, und diese Parole ist - das muß im Hinblick auf manche Diskussionen über die allgemeine Wehrpflicht leider gesagt werden - heute wieder in unserer Bevölkerung vorhanden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Bei aller Verankerung der Bundeswehr in der deutschen Bevölkerung, die groß ist, ist dies ein Punkt, der unsere Aufmerksamkeit stärker verdient.
    Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich mich auch auf die Debatten der letzten Tage beziehen. Herr Scharping, jeder von uns hat Probleme mit seinem Terminkalender. Es steht mir überhaupt nicht zu, über den Ihren zu urteilen. Aber meinen Sie im nachhinein nicht auch, daß manche Vermutungen und Verwirrungen der letzten Stunden und Tage vermeidbar gewesen wären, wenn Sie gestern abend beim Zapfenstreich dabeigewesen wären?

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Rudolf Scharping [SPD]: Können Sie verstehen, daß ich nicht dazu da bin, Ihre Vermutungen zu dementieren?)

    Es kommt ja, geschätzter Herr Kollege Scharping, nicht von ungefähr, daß solche Vermutungen immer direkt aufkommen. Ich habe gestern abend - und ich war nicht alleine damit - bei den Demonstranten auch Juso-Fahnen sehen müssen.

    (Beifall bei der PDS Günter Verheugen [SPD]: In diesem Land herrscht Meinungsfreiheit!)

    Ich glaube nicht, daß dort irgend jemand Fremdes die Fahne der Jungsozialisten in der SPD mißbraucht hat, sondern daß es Jungsozialisten gewesen sind.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    Auf der anderen Seite, Herr Kollege Scharping, kenne ich natürlich sehr geschätzte Kollegen Ihrer Fraktion, die für die Bundeswehr eintreten und viel Gutes tun. Es ist notwendig, daß nicht nur Sie, Herr Scharping, sich darum bemühen, sondern daß die SPD sich insgesamt darum bemüht, diese Widersprüchlichkeit in Ihrer Partei zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wenn wir über die Geschichte der Bundeswehr reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin - -

    (Heiterkeit)

    - Entschuldigung, Herr Präsident, dies ist nicht mir als erstem passiert, daß man, weil hier keine Rückspiegel eingebaut sind, den Präsidentenwechsel nicht zur Kenntnis nehmen kann.

    (Walter Kolbow [SPD]: Das fühlt man, Herr Kollege!)

    Meine Damen und Herren, die Aufstellung der Bundeswehr stand von Anfang an im Zusammenhang mit dem Wunsch der Deutschen im freien Teil Deutschlands nach Souveränität und nach Wiedervereinigung. So stellte Konrad Adenauer 1952 fest: „Nur die Beteiligung an einer integrierten westlichen Streitmacht gewährleistet die Sicherheit Deutschlands und bereitet den Weg zur Wiedervereinigung." Adenauer erfuhr damals zum Teil herbste Kritik. Ihm wurde der Vorwurf gemacht, durch das klare Einbinden der damaligen Bundesrepublik in das westliche Bündnis eine Politik, die gegen die Einheit gerichtet sei, zu betreiben. Er hat mit seiner Vision recht behalten, und der 3. Oktober 1990, der Tag der deutschen Einheit, hat ihn eindrucksvoll bestätigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wichtig, meine Damen und Herren, ist die Feststellung, daß an der Schwelle, am Anfang der Aufstellung der Bundeswehr, das Streben nach Souveränität

    Paul Breuer
    und das Streben nach Integration und Kooperation stand. Die Bundeswehr hat mit ihrem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, das dem Soldaten prinzipiell die gleichen Rechte wie den zivilen Bürgern gibt, einen neuen Meilenstein in der deutschen Wehrgeschichte gesetzt. Mit dem unpolitischen Soldaten der Reichswehr, der nicht einmal wählen durfte, haben wir in der Bundeswehr Schluß gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es gibt natürlich in der deutschen Wehrverfassung viel mehr an Neuem, was von Ihnen, Herr Fischer, wenn ich mich denn mit Leuten Ihrer Prägung auseinandersetze, zum Teil gar nicht zur Kenntnis genommen wird.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich habe schon einen Helm auf!)

    Wenn ich die Vorwürfe von Militarismus höre und die Soldaten der Bundeswehr in der Eingebundenheit in unser friedliebendes Volk und die deutsche Wehrverfassung sehe, dann ist es beschämend, daß Ihre Leute gestern abend als Demonstranten vor den Gattern standen und „Mörder! Mörder! " riefen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Meine Güte, Herr Breuer, wer in die Öffentlichkeit geht, muß mit Protest rechnen! Ich bitte Sie! Wir sind in einer Demokratie, da darf der Zapfenstreich wie die Gegendemonstration stattfinden!)

    Es ist beschämend, Herr Fischer.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sie sind eine Fraktion von Schreihälsen! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Helm ab zum Gebet! Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    - Brüllen Sie sich hier ruhig aus.
    Ich will mich gar nicht allzu lange mit der grünen Bürgermeisterin der Stadt Bonn beschäftigen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch, tun Sie das!)

    Aber eines ist mir in den letzten Tagen noch einmal deutlich geworden.
    Das, was Sie in den letzten Wochen versucht haben - der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dieser Partei einen staatstragenden Anstrich zu geben, auch im Hinblick auf internationale Verantwortung -, das ist in den letzten Tagen und auch gestern abend absolut gescheitert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: O nein!)

    Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat in der Menschenführung Erfolg gehabt, aber sie hat natürlich auch Rückschläge erlitten. Für einen Rückschlag steht nach wie vor der Name eines sehr schönen Ortes in Baden-Württemberg, nämlich Nagold.
    Aber wir haben es durch gemeinsame Anstrengungen der Regierungen, durch gemeinsame Anstrengungen des Parlaments, durch gemeinsame Anstrengungen in der Bundeswehr geschafft, derartig Danebengegangenes zu überwinden und trotzdem zu einem großen Erfolg zu kommen. An dieser Stelle darf ich insbesondere den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages aus den letzten Jahrzehnten und auch unserer heutigen Wehrbeauftragten Claire Marienfeld herzlich für ihre Arbeit danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die Bundeswehr war von Beginn an eine Bündnisarmee, was ja im Hinblick auf die deutsche Geschichte nicht selbstverständlich war, die wie ein Krater zu Beginn der 50er Jahre die Aufstellung der neuen deutschen Streitkräfte belastete. Eine große Hürde des Mißtrauens mußte von den deutschen Soldaten in dieser neuen Armee überwunden werden.