Rede von
Marina
Steindor
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Gesundheitsminister, ein Schlußsatz Ihrer Rede in der Haushaltsdebatte lautete: Es wird eine spannende und sicher auch kontroverse Diskussion geben. - Das ist eingehalten worden. Sie sagten ferner: Die Regierungskoalition wird auch hier beweisen, daß sie handlungsfähig ist. - Diesen Eindruck, meine Damen und Herren, können wir nach den letzten
Marina Steindor
Pressemeldungen nicht mehr teilen, wahrscheinlich niemand mehr in dieser Republik.
Liest man die Zeitungsmeldungen, hat man eher den Eindruck, sich in einem gesundheitspolitischen Tollhaus zu befinden. Eine Partei ohne Wähler - Zitat Seehofer - versucht, den Sozialstaat abzuschaffen. Das sagen wir von der Opposition schon lange. Ein Gesundheitsminister kämpft heroisch für die Kranken, die aber allein durch die Schlagzeile „F.D.P. führt Feldzug gegen Kranke" in Angst und Schrekken versetzt werden dürften.
Meine Damen und Herren, was die Koalition hier liefert, geht weit über das hinaus, was wir uns aus bündnisgrüner Sicht vor Jahren unter einem Konfliktbündnis vorgestellt haben.
Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie noch vertrauenswürdig sind.
Viele Probleme, mit denen wir uns hier herumschlagen, sind Schlichtweg Gesetzesfolgen. Dazu ist schon einiges gesagt worden.
Die Krankenkassen haben ein Defizit, das zur Hälfte durch den Verschiebebahnhof in der Rentenreform entstanden ist. Hinzu kommt noch die Pflegepersonalregelung im Krankenhaus.
Die Krankenkassen verheddern sich derzeit im unsinnigen Kassenwettbewerb. Es kommt zu werbungsbedingten Ausgabensteigerungen. Die Höhepunkte sind die von allen gescholtenen Kurse für Indoor Climbing und Bauchtanz. Das wiederum ruft die Ärzte auf den Plan, die vom Präventionskuchen etwas abhaben wollen. Der Berufsstand beschwert sich neuerdings über die Belastungen des neuen EBM, der noch gar nicht in Kraft ist, über die Bürokratisierung durch die neue Diagnoseverschlüsse - lung und über drohende Honorareinbußen. - Natürlich wird hier aus Eigennutz und im Vorgriff auf neue Regelungen einiges unnötig dramatisiert.
Die Buchhalter der Krankenhäuser lernen derzeit prophylaktisch vorhersehbare Abrechnungsänderungen gleich mit. Ich konnte mich bei einem Kurs der Hessischen Krankenhausgesellschaft davon überzeugen. Ihr Motto lautet: Ruhe bewahren! Wir werden bei allen Vorgaben die Vorteile und Tricks herausfinden.
Die Krankenkassen kündigen natürlich termingerecht zur Bundestagsdebatte weitere Beitragssatzerhöhungen an.
Die Budgetierung war das einzige Instrument des Gesundheitsstrukturgesetzes, das funktioniert hat. Ausgerechnet das aber wollen Sie nicht beibehalten.
Nachdem Sie früher immer den großen Wurf angekündigt und sich über die 6800 Einzelbestimmungen lustig gemacht haben, fügen Sie von seiten der Koalition pro Sitzungswoche eine neue Einzelbestimmung hinzu. Dabei verstoßen Sie zunehmend gegen Ihre eigenen Prinzipien.
Sie wollen heute die frühere, freiwillige Praxis der Länder im Bereich der Instandhaltungsfinanzierung, also eine Maßnahme der dualen Krankenhausfinanzierung, festschreiben. In Lahnstein aber haben Sie gemeinsam mit der SPD die Monistik verabredet. Deshalb tritt die SPD heute mit einem Zehnjahresplan zur Monistik an. Sie braucht so lange, weil es schwierig ist. Außerdem ist angekündigt worden, daß dies keine Auswirkung auf die Beitragssätze haben werde.
Wir haben größte Zweifel, ob das der richtige Weg ist.
Vom betriebswirtschaftlichen Blickwinkel aus, der in der Politik häufig zu Verkürzungen führt, will man mit der Monistik die Mischkalkulation der Krankenhäuser angehen.
Es ist von Steuerungsmöglichkeiten der Kassen die Rede. Aber beim Wettbewerb sehe ich nichts, was Gutes ahnen läßt. Ich sehe auch nicht, wie gesetzliche Krankenkassen, die im Wettbewerb zueinander stehen, einen übergreifenden Blick aufs Ganze haben sollen; bei den Krankenhausgesellschaften auch nicht. Monistik aber heißt, daß derjenige, der bezahlt, auch das Sagen hat.
Die Länder haben bereits geltend gemacht, daß sie aus ordnungspolitischen Gründen die Planungshoheit nicht aufgeben wollen; recht haben sie. Es muß eine demokratisch legitimierte Kraft geben, die planerisch und als Moderator eingreift, denn sonst käme es zu einer völlig ungeordneten Krankenhauslandschaft. Die öffentlichen Kassen sind leer. Die Länderfinanzminister drängen die Länder zur Akzeptanz der Monistik. Aber aus fachpolitischen Gründen halten wir das für den völlig falschen Weg. Wenn Sie an dem Konzept der Beitragssatzstabilität festhalten - das geht jetzt auch an die SPD -, dann wird der Preis dafür an einer anderen Stelle zu zahlen sein.
Im Krankenhausgutachten der AOK, das Professor Pfaff mitverfaßt hat, steht, daß die monistische Krankenhausfinanzierung „ohne begleitende Ausgleichsverfahren mit einem merklichen Anstieg der Beitragssätze erkauft" werden müßte. Und an anderer Stelle heißt es, es müßten Ausgleichsleistungen stattfinden; denkbar wäre der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern und der GKV. Damit sind Sie wieder bei einer Art dualer Krankenhausfinanzierung; nur mit dem einen Unterschied, daß Sie die Länder politisch entmachtet haben.
Weiter steht in dem Gutachten, es werden neue Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen, verschiedene Investitionskosten tragenden Krankenkassen entstehen. Brauchen wir dann eine neue Krankenkassen- Investitionsabgrenzungsverordnung?
Marina Steindor
Hier wird wieder ein neuer Verschiebebahnhof aufgemacht, bei dem politisch für die Länder herauskommt, daß sie zwar zahlen dürfen, aber insgesamt weniger Einfluß haben.
Wir begrüßen Ihre Rückkehr zur dualen Krankenhausfinanzierung, werden dem aber nicht zustimmen können,
weil sie zeitlich befristet ist und weil dies ein Vorschaltgesetz ist, das aus Ihren Koalitionsquerelen herrührt und von Ihren weitreichenden Plänen, die die gesetzliche Krankenversicherung betreffen, ablenken soll.