Rede von
Rudolf
Dreßler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Lohmann, zum ersten Teil Ihrer Frage darf ich Sie an den bekannten Journalisten Egon Erwin Kisch erinnern. Ihm wird der Satz zugeschrieben: Nichts ist erregender als die Wahrheit. - Das ist wohl wahr.
Und was den zweiten Teil betrifft, Herr Lohmann, haben Sie jetzt die verdammte Pflicht, sich mit Ihrem Koalitionspartner zu verständigen, endlich ein Konzept auf den Tisch zu legen
und dann auf uns zuzukommen, weil Sie es allein nicht packen können, und sich mit unserem Konzept auseinanderzusetzen. Darin, Herr Lohmann, steht die Positivliste, damit das ganz klar ist. Haben Sie mich verstanden? In diesem Konzept steht die Positivliste; dies bestätige ich Ihnen ausdrücklich.
- Herr Lohmann hat nicht verstanden, daß in unserem Konzept die Positivliste steht. Daß sie Ihnen suspekt ist, Herr Lohmann, ändert nichts an der Tatsache, daß sie in unserem Konzept steht. Das haben Sie gewußt, als Sie die Frage stellten. Ich sage noch einmal: Was soll dieser Unsinn eigentlich? Sie haben die Pflicht, sich in der Koalition zu verständigen,
dann auf uns zuzukommen und das Drama, das ab 1. Januar 1996 in der Krankenversicherung abläuft, wenn es eben geht, zu stoppen. Nichts anderes ist Ihre Pflicht, nichts anderes.
Ich möchte Herrn Seehofer, bezogen auf die F.D.P., noch an folgendes erinnern.
Rudolf Dreßler
Herr Seehofer, Sie haben sich Ihre Koalitionsbraut F.D.P. selbst ausgesucht, und Sie haben diese Koalitionsbraut freiwillig geheiratet. Nun sollten Sie sich auch dazu bekennen, Herr Seehofer, oder sich scheiden lassen.
Ich sage Ihnen, damit hier kein Mißverständnis besteht: Alle naselang bei der SPD mit der Klage aufzutauchen, der Möllemann ist so fies, und uns dann zu einem außerehelichen Seitensprung einzuladen, diese Philosophie, Herr Seehofer, wird nicht aufgehen; damit das auch ganz klar ist. Es geht nämlich um mehr als um den Bestand dieser Koalition. Es geht um die verfassungsmäßige Pflicht des Parlaments insgesamt, für die Menschen, ihre Sorgen und Probleme da zu sein.
Deshalb fordere ich Sie auf: Tun Sie dieser Pflicht Genüge! Regieren Sie endlich dieses Land, anstatt sich fortwährend selbst zu beharken! Die SPD läßt sich nicht für die gesundheitspolitischen Streitereien in der Koalition instrumentalisieren. Wir verfolgen unsere gesundheitspolitischen Ziele aus eigener Legitimation. Wenn die gemeinsame Verpflichtung, für unser Land das Beste zu erreichen, es notwendig macht, einen politischen Wegabschnitt gemeinsam zu gehen, und wenn inhaltliche Übereinstimmungen das möglich machen, dann weiß die SPD jedenfalls, im Gegensatz zu Ihnen, wie man Verantwortung buchstabiert.
Der Sozialstaat und unser Gesundheitswesen vertragen keine Experimentierklauseln. Die Pläne der F.D.P. zu einer sogenannten Reform sind mit diesem Sozialstaat unvereinbar.
Wenn für 80 % der Mitglieder dieses Hauses eine gemeinsame Problemlösung denkbar wäre, woher nimmt eigentlich eine Zehnprozentfraktion dann die demokratische Legitimation, sich zum größten Verhinderer aufzuschwingen? Es gibt kein Diktat der Mehrheit über die Minderheit, aber es gibt ein Diktat der Minderheit über die Mehrheit.
Dieses Ergebnis wäre schlicht pervers.
Die Pläne der SPD-Fraktion zur Fortsetzung der Strukturreform liegen dem Hause seit heute offiziell vor. CDU/CSU und F.D.P. wissen: Es sind zugleich auch die Pläne der SPD-geführten Länder.
Erstens. Wir wollen zur Sicherung einer stabilen Beitragssatzentwicklung nicht nur die derzeitige Ausgabenbegrenzung um ein Jahr verlängern, wir wollen sie in eine dauerhafte globale Budgetierung überführen. Was setzt die Koalition inhaltlich dagegen, frage ich, außer Manipulation an der Beitragssystematik?
Zweitens. Wir wollen eine konsequente Verstärkung der hausärztlichen Versorgung. Wir wollen eine vernünftige Honorierung der Hausärzte,
eine eigene Gebührenordnung für sie, mehr organisationspolitisches Gewicht für Hausärzte im Gesamtkontext der Ärzteschaft. Ich frage: Will die Koalition das auch? Oder was setzt sie dagegen?
Drittens. Wir wollen eine leistungsfähigere ärztliche Selbstverwaltung, wie gemeinsam bei den Krankenkassen bereits durchgesetzt. Wollen CDU/ CSU und F.D.P. das auch? Was setzen Sie dagegen?
Wir wollen eine vernünftige und flexible Arbeitsteilung von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten. Was setzt die Koaliton dagegen?
Wir wollen über zehn Jahre Schritt für Schritt, d. h. ohne Auswirkungen auf die Beitragssätze, die monistische Krankenhausfinanzierung einführen
mit gemeinsamer Letztverantwortung von Krankenkassen und Ländern für die Bedarfsplanung bei Krankenhausbetten. Was setzen Sie dem entgegen?
Wir wollen Preisverhandlungen für Arzneimittel zwischen Koalition und Pharmaindustrie. Wollen CDU/CSU und F.D.P. das jetzt endlich auch? Oder was setzen Sie dagegen? Wollen CDU/CSU und F.D.P. wirklich, wie Gesundheitsminister Seehofer in den letzten Tagen in Zeitungen verlautbaren ließ, eine staatliche Preisfestsetzung? Wollen Sie das tatsächlich? - Das sind mir wirklich feine Marktwirtschaftler!
Wir werden auf die Einführung der Positivliste nicht verzichten. Sind CDU/CSU und F.D.P. zur Vertragstreue bereit? Sind Sie bereit, zu gemeinsamen Vereinbarungen zurückzukehren? Das müssen Sie hier endlich einmal erklären.
Auf alle diese Fragen der SPD gibt es bisher von CDU/CSU und F.D.P. keine Antwort. Unser vorliegender Antrag zu einer vernünftigen Entwicklung der Strukturreform wird Ihnen, meine Damen und Herren, diese Antworten abverlangen, ob Sie es wollen oder nicht.
Herzlichen Dank.