Rede von
Hanna
Wolf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Frau Ministerin: Mit Ihrem letzten Beitrag haben Sie das, was Sie vorher abgestritten haben, jetzt eigentlich bestätigt, nämlich das Nein der Bundesregierung.
Die CDU wollte sich in der letzten Woche anschikken, die Zukunft zu gestalten. Die 30-%-Zukunft der Frauen in der CDU war schon am dritten Tag vorbei. Frau Süssmuth, von dieser Stelle möchte ich Ihnen gern meinen Respekt für Ihre unendliche Geduld in dieser Frage bekunden.
Was die Zukunft der Frauen allgemein angeht, arbeitet sich die Opposition - wir erleben es heute hier wieder - schon seit vielen Jahren an der Dickfelligkeit dieser Bundesregierung ab.
Dazu paßt, daß Vertreter der Regierungskoalition das jüngste Urteil zur Quote offen begrüßten. Wir er-
Hanna Wolf
leben das hier ja wieder. In ihrer sogenannten Frauenförderpolitik stimmt die Bundesregierung nämlich in einem Punkt mit dem Urteil der Luxemburger Herrenrunde völlig überein: Auch sie spricht nur von gleichen Startchancen, statt eine Ergebnisgleichheit anzustreben. Das entsprechende Gesetz der Bundesregierung heißt denn auch „Gleichberechtigungsgesetz" und nicht, wie unser Entwurf, „Gleichstellungsgesetz".
Deshalb läßt die Bundesregierung auch Herrn Lanfermann, bekannt als frauenpolitischer Sprecher - er glänzt ja heute durch Abwesenheit; ich vermisse ihn nicht -,
bundesweit dieses Urteil loben, obwohl wir uns vor langer Zeit - Herr Scholz ist ja darauf eingegangen - auf eine Verstärkung des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz geeinigt haben. Das Grundgesetz schreibt jetzt vor:
Der Staat fördert die tatsächliche ... Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Herr Scholz, was Sie heute probiert haben, ist, auch diesen Satz zur Makulatur zu machen.
Er bedeutet nämlich mehr als nur Frauenförderung durch Fortbildung; er meint die tatsächliche Gleichstellung von Frauen.
Die Regierungsmehrheit hat letztes Jahr ihr sogenanntes Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet, das nur für 1 % der weiblichen Bevölkerung zutrifft, nämlich nur für die Beschäftigten der Bundesbehörden. Von der Privatwirtschaft ist natürlich nicht die Rede. Noch dazu verpflichtet dieses Gesetz zu fast nichts; es wimmelt nämlich nur so von Kann-Bestimmungen.
Die Bundesregierung - Frau Nolte, jetzt bitte ich Sie sehr um Aufmerksamkeit - hat gerade Zahlen zur Umsetzung dieses Gesetzes im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgelegt. Ich habe mir erlaubt, auszurechnen, wann danach in diesem Ministerium Geschlechterparität einkehren wird: auf der Ebene der Abteilungsleitung nie, auf der Ebene der Unterabteilungsleitung nie, auf der Ebene der Referatsleitung in 481 Jahren, auf der Ebene der Referenten in 464 Jahren und im Ministerium insgesamt in 212 Jahren - tolles Gesetz!
Und dazu weist die Bundesregierung in ihrem Bericht eigens darauf hin, daß in diesem Ministerium gegenüber anderen Ressorts keine Besonderheiten vorliegen. Das nenne ich eine geschickte Absicherung der heilen Welt der Männerquote.
Frauenförderung versteht die Bundesregierung als Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - für Mütter. Wo bleibt aber ein Erziehungsgeld in einer Höhe, die auch für Väter attraktiv genug ist, um sich ihren Kindern zu widmen? Wo bleibt ein Arbeitszeitgesetz, das aus Vätern, Müttern und Kindern eine echte Familie macht? Wo bleibt ein Arbeitsförderungsgesetz, das die Frauenarbeit fördert? Wo bleibt das Verbot der sogenannten geringfügigen Beschäftigung?
Und wo bleibt ein Steuerrecht, das nicht mehr einseitig die Alleinverdiener-Ehe - und ganz besonders die ohne Kinder - privilegiert? Wo bleiben überhaupt all die Rahmenbedingungen, die sogar der Luxemburger Generalanwalt Tesauro fordert und die in vielen europäischen Ländern schon heute besser verwirklicht sind als bei uns?
Der Grund dafür, daß Frauen immer wieder an eine unsichtbare Wand stoßen, liegt in dem Frauenbild, das sich die Kohl-Regierung immer noch leistet. Auf dem Gebiet der gesetzlichen Ahndung - oder eben Nichtahndung - von sexueller Gewalt gegen Frauen können wir das am besten ablesen.
Eine Herrenrunde, angeführt von den Juristen Lanfermann und Geis, hat sich z. B. zur Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe ein neues und abstruses Rechtsinstrument ausgedacht: die Widerspruchsregelung für das Opfer. Was bedeutet das? Das Opfer selbst darf vom Gewalttäter dann auch noch erpreßt werden. Der Gewalttäter bleibt so „Herr des Verfahrens".
Ausländische Frauen müssen Gewalt ihres Ehemannes ertragen, solange die Bundesregierung ihnen nur ein vom Ehemann abhängiges Aufenthaltsrecht zugesteht. Frauenhandel kann nicht verfolgt werden, solange die Frauen sofort und vor allem vor einem Verfahren gegen die Täter abgeschoben werden.
All das macht Frauen in den Augen der Männer zu einer zu vernachlässigenden Größe. Das führt auch dazu - da bin ich wieder bei unserem Thema „Frauenförderung" -, daß auch Frauen ohne Kinder in der Arbeitswelt nicht entsprechend vorwärtskommen und daß Frauen immer öfter einen Posten oft deshalb nicht bekommen, weil sie plötzlich überqualifiziert - Sie haben richtig gehört: überqualifiziert! - sind.
Das einzige Mittel, wie der heimlichen Männerquote begegnet werden kann, ist eben die explizite Frauenquote.
Ohne die Diskussion um die Frauenquote hätten wir
u. a. noch keine Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Und obwohl meine Kollegin dies schon zi-
Hanna Wolf
tiert hat, möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen: Frau Sothmann, wir muten Männern nicht mehr zu als das, was Frauen so lange zugemutet wurde, nämlich besser zu sein als die Konkurrenz aus dem anderen Geschlecht.
Frauenförderung ist mit dieser Bundesregierung nicht zu machen. Denn die tatsächliche Gleichstellung ist dieser Bundesregierung gleich. Sie veranstaltet lieber Männerrituale wie den Großen Zapfenstreich, aber sie gestaltet keine Zukunft für Frauen.
- Sie können ja heute abend alle teilnehmen. Ich hoffe, keine Frau geht da hin.
Vielen Dank.