Rede von
Dr.
Edith
Niehuis
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der 4. Weltfrauenkonferenz sagten Sie, Frau Nolte, den Worten müßten jetzt Taten folgen. Die Tinte unter der Aktionsplattform, die auf der Weltfrauenkonferenz unterschrieben wurde, war noch nicht trocken, da hatten wir Gelegenheit, Ihre frauenpolitischen Taten zu erfahren. Anders, als Sie hier glauben machen wollen, war die Bundesrepublik Deutschland das einzige Land, das ein Veto gegen das schon zitierte EG-Aktionsprogramm für Chancengleichheit einlegte. Auf Grund der Einstimmigkeitsregelung in Europa ist dieses Frauenförderprogramm durch das Nein der Bundesregierung damit zunächst geplatzt.
Welche Ausflüchte Sie sich hier auch immer ausdenken, Tatsache bleibt: Sie haben mit Ihrem Veto Europas Frauen im Stich gelassen und sind zugleich mehrfach wortbrüchig geworden.
Es ist nämlich noch kein Jahr vergangen, als Sie, Frau Ministerin Nolte, anläßlich der Preisverleihung „Frauen für Europa" in Ihrer Festrede wie folgt formulierten:
Die Bundesrepublik Deutschland hat immer dafür gekämpft, daß die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der EU nicht an den Rand gedrängt wird.
Dann fahren Sie fort: Was für andere Politikbereiche gelte, „stimmt auch für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Es reicht nicht, sie allein nationalstaatlich voranzutreiben, wir müssen auch im größeren Rahmen gemeinsam handeln." Wie recht Sie haben könnten, wenn Sie es nur einfach täten!
Es ist skandalös, wenn man solche Worte verkündet und fast im gleichen Atemzug das Programm, das die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Europa fördern soll, als einziges Mitgliedsland ablehnt. Wo bleibt da die Wahrhaftigkeit gegenüber dem Volk?
Damit wir auch alle wissen, wozu die Bundesregierung nein gesagt hat, nur einige Beispiele: Die Bundesregierung will keine integrierten Gleichstellungsprojekte fördern, die die geschlechtsspezifische Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Ausbildung überwinden helfen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern und insbesondere Frauen in ländlichen Gebieten eine faire Chance auf Erwerbstätigkeit geben. Die Bundesregierung will keine Forschungen fördern, die die Auswirkungen der sich wandelnden Wirtschaft und zunehmender flexibler Arbeitszeitregelungen auf Frauen erkunden und positive Maßnahmen entwikkeln sollen usw.
Wenn Sie sich nun auf das Subsidiaritätsprinzip berufen und meinen, nicht die Gemeinschaft müsse tätig werden, sondern die einzelnen Staaten, dann sage ich Ihnen: Das sind Ausflüchte, weil der deut-
Dr. Edith Niehuis
sehe Finanzminister aus finanziellen Gründen Einspruch einlegte.
Aber wenn es so wäre, daß es keine Gemeinschaftsaufgabe ist, dann müßten Sie uns im gleichen Zuge hier die nationalen Programme vorstellen, die Sie statt der europäischen bei uns neu auflegen wollen.
In Wahrheit versuchen Sie jedoch, die Frauenpolitik nicht nur national, sondern auch noch europapolitisch gen Null zu fahren, und das ist nicht Subsidiarität.
Die Kohl-Regierung hat sich an dieser Stelle kräftig entlarvt, und das ärgert Sie. Aber eines sage ich Ihnen: Sie haben selbst das Bundesfrauenministerium in Bonn endgültig zum Etikettenschwindel gemacht.
Da Sie mit Ihrem Vorgehen auch mehrere Artikel der gerade beschlossenen Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz verletzt haben, haben Sie sich europäisch und international blamiert und als unzuverlässige Partnerin entpuppt, und dies kann nicht im deutschen Interesse sein.
Darum erwarten wir von Ihnen, daß Sie im Dezember in Europa die letzte noch mögliche Chance ergreifen, diese frauenfeindliche Politik wieder rückgängig zu machen.
Angesichts dieses Verhaltens der Bundesregierung auf europäischer Ebene blicke ich mit großer Sorge auf die Revisionsverhandlungen zum EU-Vertrag im nächsten Jahr. Dies tue ich um so mehr, als Sie, Frau Ministerin Nolte, wie jetzt auch Frau Schmalz-Jacobsen, den Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs in der letzten Woche mit den Worten kommentierten, dieses Urteil habe für Rechtssicherheit gesorgt. Das Gegenteil ist der Fall. Der Europäische Gerichtshof hat eine wichtige Richtlinie in einem Einzelfall erstmals so ausgelegt, wie sie bisher nicht interpretiert wurde. Insofern geht es jetzt darum, die entstandene Rechtsunsicherheit in der europäischen Gleichstellungspolitik zu beenden, die betroffene Richtlinie auf europäischer Ebene zu präzisieren und die Frauenrechte im EU-Vertrag für Frauen einklagbar zu verankern, was leider im Vertrag von Maastricht noch nicht geschehen ist.
Hier hätten wir von Ihnen eigentlich konkrete Vorschläge erwartet und nicht wieder hohle Worte. Sie brauchen auch nicht bis 1996 zu warten. Sie können jetzt schon etwas tun. Sie können als Bundesregierung die Frauenquote für den Europäischen Gerichtshof einfordern. Es ist doch für uns Frauen unerträglich, daß im Europäischen Gerichtshof nur Männer Recht sprechen. Diese hunderprozentige Männerquote muß ein Ende haben.
Ich fürchte allerdings auch, hier werden wir auf ein Signal ,seitens der Bundesregierung lange warten müssen. Der CDU-Parteitag hat gezeigt, daß die Gleichstellung von Frau und Mann für die CDU keine wichtige Zukunftsfrage ist. Sie bleiben bei ihrer Ablehnung der Quote und zeigen zugleich keinen erfolgreichen Weg auf, wie man den Frauen das ihnen zustehende Recht auf angemessene Beteiligung anders ermöglichen könnte. Ich sage schlichtweg: Sie ziehen es vor, schlichte Neinsager zu bleiben. Sie ziehen es vor, Parteien zu bleiben, die weiterhin mit einer starren Männerquote Politik machen wollen.
Zu gerne würde ich an dieser Stelle sagen: Das ist ausschließlich Ihr Problem. Aber leider kann ich das nicht. Seit Jahren kann man in der Politik der Bundesregierung beobachten, daß Sie Ihre Männermehrheit zu Lasten der Frauen in der Republik einsetzen, und zwar nicht nur national, sondern nun auch europapolitisch. Um der Frauen willen hätte ich mir sehr gewünscht, die CDU-Frauen hätten das Quorum auf Ihrem Parteitag, das ohnehin nur einen Minimalkonsens dargestellt hätte, durchsetzen können. Der Kanzler hätte vielleicht doch ein bißchen mehr Herz und Verstand in diese Aufgabe legen sollen.
Ich möchte mit einem Zitat aus Ihrer Rede, Frau Ministerin, auf dem CDU-Parteitag enden.