Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat zum Teil - wie wir auch heute wieder gehört haben - sehr heftige und polemische Reaktionen hervorgerufen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß ich diese negative Bewertung nicht teile. Das Urteil hat natürlich Rechtsklarheit gebracht. Es hat nämlich klargestellt, daß starre Quotenregelungen kein rechtlich gangbarer Weg sind.
Jeder in diesem Haus weiß, daß all das, was Parteien sich selbst zur Aufgabe machen, davon ganz unbenommen bleibt. Ich denke, dieses Urteil sollte uns vielmehr Anlaß dazu geben, vertieft darüber nachzudenken, wie nun tatsächlich eine aktive Gleichstellungspolitik betrieben werden kann.
Es muß eine Politik sein, die den Frauen in der Lebenswirklichkeit besser hilft, als es die Quote auf dem Papier tut.
Wir sollten dies ohne ideologische Verkrampfung tun.
Ich bin mir klar darüber, daß es immer Themen gibt, bei denen man leicht den Beifall von der falschen Seite bekommt. Darum möchte ich für die Freien Demokraten ganz deutlich feststellen: Das EuGH-Urteil sollte nun wirklich niemanden dazu verleiten, das Thema Frauenförderung und Gleichstellungspolitik ganz still und leise und erleichtert zu den Akten zu legen. Das kann es wohl nicht sein.
Aber die gutgemeinte Quote, diese Ungerechtigkeit auf Zeit, wie sie genannt worden ist, ist eben weder so gut, noch bringt sie mit ihrer Automatik mehr Gerechtigkeit.
Ich zitiere Heide Pfarr, Arbeitsrechtlerin ihres Zeichens, ehemalige Senatorin in Berlin und Ministerin in Hessen, die nun wahrlich nicht verdächtig ist, zuwenig für die Frauen tun zu wollen. Sie hat zu der Quote, die in Luxemburg auf dem Prüfstand stand,
gesagt, sie sei „sowieso ineffektiv und manipulierbar".
Das zeigen doch auch die Erfahrungen aus den Bundesländern, die damit schon länger arbeiten. Wo sind denn z. B. die nachhaltigen Verbesserungen zugunsten der Frauen in Nordrhein-Westfalen? Wo sind sie? Viel wichtiger - meine ich - sind im öffentlichen Dienst Frauenförderpläne mit verbindlichen Zielvorgaben, die auf die konkrete Situation in der jeweiligen Behörde zugeschnitten sind und nicht eine Soße über alle verschütten.
Ich habe viel für Berichtspflichten übrig, in denen auch begründet werden muß, warum für eine bestimmte Stelle oder eine bestimmte Verwendung nicht eine Frau ausgewählt worden ist. Hier müssen wir sehr genau sehen, wie das in den verschiedenen Laufbahngruppen aussieht.
Es ist klar, daß in unserem Ministerium mit dem langen Namen ein hoher Anteil an Frauen beschäftigt ist. Aber wie sieht das in den verschiedenen Laufbahngruppen aus? Verdampfen die Frauen, wenn es nach oben geht, oder haben sie eine Chance? Diese Chance muß jenseits jeder starren Quotierung gegeben sein.
Viele Frauen haben heute eine qualifizierte Ausbildung. Aber die Chance, ihren Beruf mit allen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten auch tatsächlich wahrzunehmen, haben sie nicht. Sie haben im Durchschnitt einen höheren Bildungsgrad, die Frauen haben bessere Abiturnoten. Das wissen wir alle. Aber das nützt ihnen nicht viel.
Es ist Frauen nicht damit gedient, wenn sie auf Kinder verzichten, z. B. weil sie Angst haben, Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu bekommen, oder wenn sie höhere Karrierestufen aus der gleichen Angst gar nicht erst ins Auge fassen.
Für Chancengleichheit im Alltag gibt es eine ganze Menge zu tun, das sich durch Quoten nicht lösen läßt. Ich finde es nicht sehr überzeugend, wenn Frauenministerinnen, die sich in der Urteilsschelte gegenseitig zu überbieten versuchen, aus Ländern kommen, die den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz möglichst weit hinauszögern wollen.
Wo sind denn die Kindergartenplätze? Wo sind denn die Behördenkindergärten? Vor allem, wo sind denn die Ganztagsschulplätze,
die in Frankreich ganz selbstverständlich sind? Hier könnten wir etwas dazulernen. Aber bei uns gibt es noch nicht einmal verläßliche Unterrichtszeiten in den Grundschulen. Dafür könnten diese Länderministerinnen versuchen zu sorgen.
Auch bei der Teilzeitarbeit gibt es noch eine Menge Spielraum. Sie darf nicht weiter als Restarbeit betrachtet werden. Nein, meine Kolleginnen und
Cornelia Schmalz-Jacobsen
Kollegen, solange Frauen nicht die Möglichkeit haben, einzusteigen, auszusteigen und umzusteigen, solange Frauen nach der Kindererziehungsphase nicht wirklich Chancen haben, können Sie mit der Quote gar nichts ausrichten.
Häufig wird angeführt, daß das alles finanzielle Probleme mit sich brächte. Ich will hier nur ein Beispiel nennen, das eine ganz andere Sprache spricht. Es ist interessant genug, daß ich es erwähne. Erst kürzlich hat ein führendes Wirtschaftsmagazin die Reum-AG in Baden-Württemberg auf einen Spitzenplatz - auf Platz 3 oder 4 - der Liste der produktivsten mittelständischen Unternehmen gesetzt.
Dieses Unternehmen hat interessanterweise bereits zwei Preise für familienfreundliche Maßnahmen bekommen. Ich nehme an, daß sich die Betriebstreue auf die Produktivität und den Zusammenhalt in dieser Firma auswirkt. Das Interessante ist, daß der Chef eine Chefin ist, die dafür sorgt, daß sich der Betrieb den Familienstrukturen anpaßt und nicht umgekehrt.
Ich möchte eine Bemerkung machen, die ich mir nicht verkneifen kann. Es hat, wie ich finde, auch sehr viele unsachliche Bemerkungen zu diesem Urteil gegeben. Zu der Urteilsschelte gehörte das Wort, dies sei ein Macho-Urteil.
Ich glaube, es gehört zur Fairneß, darauf hinzuweisen, daß der EuGH für frauenspezifische Belange durchaus sensibel ist. Das hat er mit anderen Urteilen gezeigt,
und zwar mit Urteilen, die gerade für die nicht so qualifizierten Frauen gut waren und die übrigens bei Wirtschaft und Behörden erhebliches Aufsehen erregt haben.
In einem Urteil ging es darum, daß Teilzeitbeschäftigte an betrieblichen Sozialleistungen teilhaben müssen. Das war ein ganz wichtiger Schritt. Dann gab es ein anderes Urteil, daß Frauen, die wegen ihres Geschlechts bei Bewerbungen diskriminiert werden, Schadensersatz erhalten, und zwar in Höhe mehrerer Monatsgehälter, das sogenannte Portokostenurteil. Auch das war doch ein Meilenstein, den der EuGH gesetzt hat.
Meine Kolleginnen und Kollegen, die Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrates, Hanne Pollmann, hat erklärt, die Frauen - als ob wir alle gleichgeschaltet wären und keine Individuen - stünden wegen des EuGH-Urteils auf den Barrikaden.