Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Deutsche Bundestag heute die Enquete-Kommission Multimedia einsetzt, dann zeigt er, daß er ein zentrales Zukunftsthema sehr ernst nimmt. Ich teile diese Einschätzung. Ich möchte Ihnen als federführender Minister die Zusammenarbeit und Unterstützung der Bundesregierung anbieten.
Die Rede des Kollegen Mosdorf hat deutlich gemacht, daß auch die SPD - zumindest Herr Mosdorf; ich weiß das auch von den Kollegen Glotz und Bury - bereit ist, sich auf solche Zukunftsfragen einzulassen. Das ist gut. Es wird aber zu klären sein, für wen Herr Mosdorf hier gesprochen hat.
Es wäre für mich, lieber Herr Mosdorf, sehr instruktiv, wenn Sie die Frage klären könnten, ob etwa der baden-württembergische Innenminister, Mitglied Ihrer Partei, die von Ihnen angesprochenen Fragen und Aufgaben genauso sieht. Er hat vorgestern darauf hingewiesen, daß die Einführung von „smartcards" - das sind die neuen Zugangstechnologien zu Information und Kommunikation - nach seiner Ansicht eine ganz verheerende Entwicklung darstelle und daß wir alle miteinander dafür eintreten müßten, damit wir auf dem Stand der Magnetkarten bleiben, um den Datenschutz nur ja nicht in irgendeiner Form zu gefährden. Zum Beispiel diese Frage, lieber Herr Mosdorf, wird in der Enquete-Kommission exemplarisch zu beantworten sein.
Es geht in Deutschland nämlich nicht darum - wie Sie den Eindruck vermittelt haben -, neue Verkehrsschilder aufzustellen, neue Regelungen und neue Verordnungen zu erlassen, um Multimedia einen Durchbruch zu verschaffen. Zunächst einmal wird die Frage zu stellen sein: Welche Regelungen müssen wir abbauen? Wo müssen wir neue Felder eröffnen? Wo müssen wir Möglichkeiten schaffen, damit die Informationsgesellschaft in Deutschland überhaupt stattfinden kann?
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Dann, lieber Herr Mosdorf, wird sich ganz konkret die Frage stellen, ob die SPD-Fraktion bereit ist, über eine Novellierung des Datenschutzgesetzes in diesem Hause zu diskutieren und zu befinden. Dann wird sich die Frage stellen, ob die SPD-Fraktion und die SPD-regierten Länder bereit sind, über eine Erneuerung des Medienordnungsrechts zu diskutieren; denn es kann nicht sein, daß 15 Landesrundfunkanstalten diese neuen Entwicklungen behindern.
Dann werden wir auch die Frage stellen müssen - das haben Sie mit Recht benannt; aber Sie sind an der Frage der Verantwortung vorbeigegangen -, wie es sein kann, daß sich unsere Schulen heute noch im informationellen Steinzeitalter befinden, daß z. B. nur eine von hundert allgemeinbildenden Schulen Anschluß an Online-Systeme hat. Das ist keine Sache, die Sie der Bundesregierung vorwerfen dürfen, sondern das ist eine Sache, für die andere zuständig sind. Ich freue mich darüber, daß Sie unsere Bemühungen, die Bemühungen der CDU auf dem Zukunftstag in Karlsruhe gewürdigt haben. Ich weiß, daß das speziell für Sie in bezug auf Ihr Bemühen in der SPD nicht so ganz einfach ist.
Wenn es gelingen sollte, in dieser Enquete-Kommission zu gemeinsamen Positionen zu kommen, dann kann ich Ihnen für die Bundesregierung sagen, daß wir bereit sind, diese zu erarbeiten, allerdings unter einer Bedingung - ich will aufnehmen, was Sie gesagt haben -: Enquete-Kommissionen sind zwar ein wertvolles Instrument parlamentarischer Arbeit; aber wir sind hier in einem Bereich, in dem wir nicht zunächst vier Jahre analysieren und irgendwelche Papiere machen können, sondern es muß die Möglichkeit geben, parallel weiter zu handeln, weil wir sonst den Anschluß verpassen.
In diesem Zusammenhang wird es eine Diskussion darüber geben müssen, wie wir die von Ihnen und auch eben von mir angesprochene Aufholjagd im schulischen Bereich schnellstens beginnen können. Es kann nicht dabei bleiben, daß nur 20 bis 30 % der Lehrer bereit sind, sich überhaupt mit diesem Thema zu befassen und es in den Schulunterricht einzubeziehen. Es kann nicht dabei bleiben, daß nur eine von hundert Schulen einen Online-Anschluß hat. Und es kann nicht sein - das ist das Wichtigste -, daß wir junge Menschen in eine neue Mediengesellschaft entlassen, ohne ihnen im Bereich der Schule die notwendige Medienkompetenz zu vermitteln.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist und war es auch so wichtig, daß die Bundesregierung in diesem Bereich schon die ersten Maßnahmen eingeleitet hat. Der Kollege Bötsch und ich haben dafür gesorgt, daß nun auch in Deutschland in den Datennetzen der Forschung Hochleistungsverbindungen aufgebaut werden können, und zwar anders, Herr Kollege Mosdorf, als Sie das suggeriert haben, nämlich auch auf Leitungen, die nicht der Telekom gehören.
Das heißt, die große Frage, die von der Wissenschaft, von den Hochschulen immer wieder an Bonn gerichtet worden ist, ist inzwischen beantwortet.
Wir haben nicht viele Experimentierfelder für Multimedia und Datenkommunikation in Deutschland. Deshalb war es für uns beide, Wolfgang Bötsch und mich, sehr schwierig, abzuschätzen, was dieses Angebot eigentlich bewirken würde, wie viele von dieser Fördermaßnahme, für die wir immerhin 80 Millionen DM zusätzlich in meinem Haushalt zur Verfügung gestellt haben, Gebrauch machen würden. Meine Fachleute waren von etwa 15 Teilnehmern in der Spitzenleistungsklasse ausgegangen. Heute kann ich Ihnen mitteilen, daß wir nach der ersten Anmeldungsrunde inzwischen bei 60 Hochschulen und anderen Forschungsinstitutionen sind, die sich unmittelbar an diesem Hochleistungsnetz für Hochschulen und Forschungseinrichtungen beteiligen. Das ist ein konkreter Beweis dafür, daß unser Land danach hungert, vernünftige Auffahrten auf die Datenautobahn zu bekommen.
Des weiteren möchte ich ansprechen, daß wir natürlich - auch hierin gibt es eine gewisse Übereinstimmung, Herr Kollege Mosdorf - nicht nur über Technik reden dürfen. Die Voraussetzungen dafür sind - anders als Sie dargestellt haben - gut in Deutschland, und zwar nicht nur in dem Bereich, den auch Sie attestiert haben, also in der technischen Ausstattung, sondern auch im Bereich des von Wolfgang Bötsch zu verantwortenden Telekommunikationsgesetzes. Das Gesetz ist eingebracht; wir wissen, wann die Netze liberalisiert werden. Jetzt wird es darauf ankommen, dafür zu sorgen, daß die notwendigen Nutzungen in Deutschland möglich sind.
Da wird es ein Problem geben, was viel mit dem inneren Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu tun hat. Wir dürfen nicht akzeptieren und es nicht dazu kommen lassen, daß die Informationsgesellschaft eine Zweiklassengesellschaft wird, eine Gesellschaft, die zwischen Angeschlossenen und Ausgeschlossenen unterscheidet. Das heißt im Klartext, daß wir nicht nur dafür sorgen müssen, daß die jungen Leute die Möglichkeiten bekommen, sich mit diesen neuen Entwicklungen zu beschäftigen, sondern wir müssen auch dafür sorgen, daß z. B. die Eltern überhaupt noch verfolgen können, was junge Leute im Bereich von CD-ROMs und Online-Diensten machen.
Das ist ein sehr schwieriges Problem, das übrigens auch aus anderen technologischen Entwicklungen bekannt ist. Damals hat sich das in der Regel durch generatives Verhalten gelöst. Das heißt im Klartext: Irgendwann waren dann die Generationen so weit, daß sie mit den neuen technischen Entwicklungen
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
klarkommen konnten. Bei Möglichkeiten aber, mit denen Informationen rund um die Uhr, an jedem Ort der Welt zur Verfügung stehen können, können wir nicht nach diesem Muster weiter verfahren. Es muß schon so sein, daß sowohl Lehrer wie auch Eltern in der Lage sind, zu beurteilen, was junge Leute, was Kinder in diesen neuen technischen Systemen machen. Es kann eben nicht so sein, daß Eltern ihre Kinder zwar noch zum Spielplatz, aber nicht durch die digitalen Spielwiesen der CD-ROMs oder des Internets führen können.
Das ist eine sehr große Aufgabe, genauso wie es eine große Aufgabe ist, dafür zu sorgen, nicht die internationalen Bedingungen aus den Augen zu verlieren. Es darf keine zweite Teilung der Welt entstehen: auf der einen Seite die, die über die technischen Möglichkeiten des Informationszeitalters verfügen - die Industrieländer und die sogenannten Entwicklungsländer, im doppelten Sinne des Wortes, in Südostasien -, auf der anderen Seite große Teile der Welt - Afrika und Lateinamerika -, die von diesen Möglichkeiten ausgeschlossen bleiben. Das bedeutet, daß wir auch in diesem Bereich versuchen müssen, im internationalen Kontext zu Verabredungen zu kommen, die große Teile dieser Welt nicht ausschließen. Diesbezügliche Bemühungen werden von der Bundesregierung seit vielen Jahren begleitet und intensiviert, auch im Bereich des G-7-Prozesses.
Lieber Herr Kollege Mosdorf, lassen Sie mich abschließend sagen: Ich sehe die Chance, daß die Enquete-Kommission zusammen mit der Bundesregierung ein gutes Stück Arbeit leisten wird. Ich sehe die Chance, daß wir etwas daraus machen. Die Bundesregierung ist dazu bereit - das erkläre ich hier ausdrücklich -; es wird darauf ankommen, sehr schnell sehr konkret zu werden.
Vielen Dank.