Rede von
Peter
Dreßen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, eines müssen Sie sich gefallen lassen: Dieser Tarifvertrag ist kein geliebtes Kind, weder von den Bauarbeitern noch von den Arbeitgeberverbänden. Es war schlicht Erpressung von Ihnen, hier einen Tarifvertrag hinzubekommen, den keiner will.
- Ich komme darauf in meiner Rede zurück. Aber Sie sollten erst einmal zur Kenntnis nehmen, daß das keine freiwillige Leistung war.
Max Weber sprach von der Politik als einer Kunst, dicke Bretter zu bohren. Wenn man die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Regierungskoalition seit 1982 Revue passieren läßt, drängt sich jedoch eher der Eindruck auf, daß wir uns in einem Steinbruch befinden, in einem Steinbruch, an dessen Tor-
Peter Dreßen
einfahrt man auf einem Schild das Wort „Sozialstaatsgebot" lesen kann, auf dem aber jemand in Schwarz-Gelb die Worte „in Liquidation" hinzugefügt hat.
Denn viel ist dort nicht mehr zu holen. In puncto Ausbeutung der sozialpolitischen Reserven dieses Landes hat die Bundesregierung bereits gute Arbeit geleistet. Auch heute sind Sie wieder dabei, einen dicken Brocken in kleine Stücke zu zerschlagen. „Schlechtwettergeld" steht auf diesem Brocken. Der Hauer, oder ich möchte sagen: der Steineklopfer - um die Hauer nicht zu diskriminieren - hört auf den Namen Norbert Blüm, seines Zeichens Bundesminister für Arbeitslosigkeit und Sozialabbau.
Die Ärmel hochgekrempelt, erklärt er den Umstehenden, das alles sei nicht so schlimm. Schließlich läuft das Schlechtwettergeld aus Ihrer Sicht nicht aus, sondern wird quasi wieder eingeführt. Dabei wissen Sie ganz genau, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie sich selber nur etwas in die Tasche lügen.
Da lobe ich mir die klare Haltung der F.D.P. Vor etwas mehr als einem Jahr - Frau Babel, heute hat es sich ein bißchen anders angehört - haben Sie an dieser Stelle erklärt, daß es sich beim Schlechtwettergeld um eine spezielle Subvention für eine einzelne Branche handele, die man auf Dauer nicht tolerieren könne - vor einem Jahr!
Ich nehme deshalb an, daß die drei Buchstaben F.D.P. nur aus reiner Gewohnheit mit auf den Gesetzentwurf geraten sind; denn mit Ihrer Position hat die dort vorgesehene Beschneidung auf Leistungen nach dem 21. Tag nichts zu tun.
Seit 1993 ist das Instrument des Schlechtwettergeldes angeknackst. Wenn von November bis März der Baubetrieb wegen schlechten Wetters stillsteht, haben wir - allerdings nur saisonbedingt, würde der Bundeswirtschaftsminister sagen - mehr Arbeitslose zu verzeichnen.
Das Schlechtwettergeld hat - hier zitiere ich - „ohne Zweifel seine Verdienste, indem es über mehrere Jahrzehnte gelungen ist, das Phänomen der winterlichen Massenarbeitslosigkeit unter Bauarbeitern in den Griff zu bekommen" . Dieser Satz stammt nicht von Bruno Köbele, sondern von dem Kollegen Hörsken aus dem letzten Jahre. Ich hoffe - er ist ja schwer erkrankt -, daß es ihm besser geht. Ich wünsche ihm gute Besserung.
Man sieht, daß die Union anders darüber gedacht hat als heute.
Den Damen und Herren von der Regierungskoalition ist jedenfalls die hervorragende Bedeutung des Schlechtwettergeldes, so ist anzunehmen, nicht verborgen geblieben. Bei Gelegenheit ist aus Ihren Reihen immer wieder zu hören, daß technische Verbesserungen einen ganzjährigen Baubetrieb ermöglichen werden.
Wenn das so ist, verstehe ich allerdings nicht, warum Sie das Schlechtwettergeld weiter zusammenstreichen. Wer ganzjährig beschäftigt ist, nimmt es doch in der Regel nicht in Anspruch. Die Regelung würde also nur noch für Ausnahmefälle bestehen. Bei extremen Witterungsbedingungen wären sie als Teil der Leistungen der Solidargemeinschaft vollkommen berechtigt. Aber daß das mit der ganzjährigen Beschäftigung so einfach ist, glauben Sie ja selbst nicht. Deswegen wollen Sie ja künftig ab dem 21. Tag das Ausfallgeld zahlen.
Es geht Ihnen also nur darum, die finanziellen Lasten aus der auch bei Ihnen grundsätzlich anerkannten Regelung auf die Bauarbeiter und auf die Bauwirtschaft abzuwälzen. Die chronischen Steuerlöcher des Kanzlers der deutschen Einheit machen den Sozialhaushalt des Herrn Blüm vordergründig zur Melkkuh des Herrn Waigel.
Ihr Gesetzentwurf nennt die Beweggründe ganz deutlich: Statt wie bisher 800 Millionen DM aufzuwenden, soll Ihre Neuregelung nur noch 200 Millionen DM kosten. Vor diesem Hintergrund halte ich es inzwischen sogar fast schon für falsch, daß die Tarifpartner im Baugewerbe eine Ersatzlösung auf der Basis eines Tarifvertrages angestrebt haben.
: Sie wollen
es nicht!)
Wenn diese Verschlechterung nicht auf dem Rükken der betroffenen Arbeitnehmer ausgetragen worden wäre, hätte man den Tarifparteien empfehlen sollen, die tarifvertragliche Anschlußregelung platzen zu lassen und die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zum Arbeitsamt zu schicken, damit sie dort Lohnersatzleistungen in Anspruch nehmen.
Deswegen kann hier nicht von Enttäuschung, sondern es muß von Erpressung gesprochen werden. Daß sich die Tarifpartner nicht auf eine solche Verfahrensweise eingelassen haben, beweist ihr Verantwortungsgefühl für die ihnen anvertrauten Beschäftigten.
Das haben Sie ausgenutzt und die Tarifparteien zum Komplizen Ihres Sozialabbaues gemacht.