Rede von
Dr.
Gisela
Babel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Danke schön. - Klar ist für mich auch, daß wir über die ohnehin knappen Mittel der Bundesanstalt für Arbeit heute sehr viel sorgsamer und zielgerichteter entscheiden müssen. Die 900 Millionen DM jährlich, die uns das Schlechtwettergeld gekostet hat,
können angesichts der großen Probleme am Arbeitsmarkt wirklich besser eingesetzt werden.
Das Risiko des witterungsbedingten Arbeitsausfalls allein den Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufzubürden hätte allerdings gleich zu einer großen Belastung geführt, und es erscheint gerechtfertigt, die Bundesanstalt für Arbeit wegen der Besonderheiten der Baubranche in einem kleinen Umfang beteiligt zu lassen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf im Jahr mit etwa 200 Millionen DM belastet. Diese 200 Millionen DM sind gerechtfertigt, weil sie ein Zuschuß zu der
Dr. Gisela Babel
Hauptlast sind, die von den Tarifvertragsparteien getragen wird.
Da der Arbeitgeber Bau rund 20 % der Bruttolohnsumme an eine Sozialkasse abführen muß, wird es sehr wahrscheinlich zu einer Verteuerung am Bau kommen, und dies ist einer der Nachteile, die ich in der Neuregelung natürlich auch erblicke. Ich bin aber der Meinung, daß die Vorteile, die ich gleich hier aufzählen werde, insgesamt diese Lösung doch als eine richtige und gute dastehen lassen. - Was sind diese Vorteile?
Zunächst einmal geht von der Übernahme der Hauptlasten durch die Tarifparteien ein wichtiges politisches Signal aus. Die Tarifpartner, meine Damen und Herren, sind in der Lage, der Verantwortung, die ihnen die Tarifautonomie auferlegt, gerecht zu werden.
Der Gesetzgeber hat zwar ein bißchen nachhelfen müssen, aber am Ende ist es doch den Tarifparteien gelungen, ihren Bereich weitgehend ohne Hilfe des Staates in den Griff zu bekommen. Das ist ein gutes Zeichen und stärkt die grundgesetzlich festgelegte Tarifautonomie.
Zum zweiten verstetigt der neue Manteltarifvertrag Bau das Einkommen der Arbeitnehmer über das ganze Jahr hinweg. Auch künftig können Arbeitnehmer am Bau wegen Schlechtwetterperioden nicht gekündigt werden. Fällt die Arbeit aus, so bekommen sie ein Überbrückungsgeld in Höhe von 75 % des regulären Arbeitseinkommens, und eine solche Sicherung des ganzjährigen Einkommens für Bauarbeiter hebt zweifellos auch die Attraktivität von Bauberufen,
was wir alle ja immer gewollt haben.
Zum dritten ist besonders bemerkenswert, daß sich die Tarifpartner zu einer Lösung durchgerungen haben, die nicht automatisch zu einem gewaltigen Kostenschub in den tariflichen Lohnzusatzkosten führt. Dies wird im wesentlichen dadurch erreicht, daß sich die Arbeitnehmer an den Kosten für witterungsbedingten Arbeitsausfall mit bis zu fünf Urlaubstagen beteiligen.
Meine Damen und Herren, das ist eine teilweise Kompensation der auf Arbeitgeberseite entstehenden Mehrbelastungen, und wir sehen darin, daß vernünftige Gewerkschaften inzwischen erkannt haben, daß auch die Arbeitnehmerseite einen substantiellen Beitrag zur Stabilisierung und Reduzierung der Lohnzusatzkosten erbringen sollte.
Der Kompensationsgedanke ist inzwischen bei vielen gesellschaftlichen Gruppen verankert, und insofern hat dieser Bautarifvertrag eine weit über die Baubranche hinausgehende Signalwirkung, meine Damen und Herren.
Zum vierten: Ich bin fest davon überzeugt, daß die Neuregelung zu weniger witterungsbedingten Ausfallstunden führen wird. Da die Arbeitgeber diesen Arbeitsausfall ja weitgehend selbst finanzieren müssen, wird ihr Interesse an einer durchgängigen Arbeit auch im Winter wachsen. Ich gehe davon aus, daß vermehrt Anstrengungen unternommen werden, im Winterbau wesentlich aktiver als bisher zu werden. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat in Deutschland der Winterbau ja keinen besonders hoch entwickelten Standard. Ich bin sicher, daß diese Neuregelungen Impulse für anspruchsvollere Techniken auch im Winterbau auslösen werden.
Fünftens. Es werden für deutsche Baustellen flexible Arbeitszeiten möglich; die Witterungsverhältnisse werden damit sozusagen ausgeglichen. Durchschnittlich wird ja 39 Stunden in der Woche gearbeitet. Aber im Sommer sind es 40 Stunden und im Winter 37,5.
- Daß Ihnen das alles nicht paßt, zeigt ja ganz deutlich, daß Sie von der Flexibilisierung der Arbeitszeit nichts halten. Aber daß es vernünftig ist, leuchtet jedem außerhalb der SPD und der Grünen unmittelbar ein.
Auch dies haben die Tarifpartner berücksichtigt, und ich begrüße es ausdrücklich.
Ein Wort noch an die Opposition in diesem Hause, an die SPD und die Grünen: Die Notwendigkeit einer modernen Sozialpolitik haben Sie mitnichten erkannt. Die ganze Diskussion um das Schlechtwettergeld hat deutlich gemacht, wie konservativ und rückwärtsgewandt Sie sind.
Ihre Denkweise zeigt, daß Sie blindlings in die falsche Richtung stolpern. Im SPD-Parteiprogramm von 1994 steht, daß Sie das Schlechtwettergeld wieder einführen wollen.
Sie meinten, die Streichung würde zu höherer Arbeitslosigkeit führen, würde die Arbeitnehmer wieder zu Saisonarbeitern machen,
und Sie begründen diese Behauptung mit dem Satz: „Tarifvertragliche Regelungen können die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft nicht sichern."
- Ja, es ist hervorragend, wenn ich mir das anhöre.
Dr. Gisela Babel
Die Tarifpartner sind wirklich schlauer. Sie haben sich Gedanken gemacht; sie haben diese Sachen anders geregelt.
Daß Ihnen das ein Dorn im Auge ist, merkt man ja ganz deutlich. Ihnen ist es unangenehm, daß Tarifpartner zur Vernunft kommen, Sie aber nicht.
Ohne die vorherige Streichung des Schlechtwettergeldes hätten die Tarifpartner nicht zu dem positiven Ergebnis kommen können, zu dem sie in unendlich mühsamen Verhandlungen gelangt sind. Es sind der Druck des Gesetzgebers und seine Standfestigkeit, die zweifellos notwendig waren.
Daß tarifvertragliche Regelungen die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft nicht sichern könnten, ist spätestens seit heute erwiesenermaßen falsch. Es ist offensichtlich, daß Sie von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht in der Lage sind, sich zu mehr Eigenverantwortung in der Tarifautonomie zu bekennen.
Im Gegensatz zu uns Liberalen mißtrauen Sie der Eigenverantwortung und setzen überall auf den Staat. Der Staat ist aber überfordert. Das Gesetz zum Schlechtwettergeld hat gezeigt, daß eigenverantwortliches Handeln durchaus anzuregen ist, wenn auch der Gesetzgeber das notwendige Vertrauen aufbringt.
Wenn SPD und Grüne dies nicht erkennen, werden sie auch niemals den Unterschied zwischen einer modernen und einer veralteten Sozialpolitik erkennen können.
Ich bedanke mich.