Rede von
Konrad
Gilges
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Was heute morgen hier in einer anderthalbstündigen Debatte stattfinden soll, ist der Versuch der Täuschung der Öffentlichkeit, insbesondere der Bauarbeiter.
Man will den Eindruck erwecken, als wäre dieses Nachfolgegesetz nach der Abschaffung des Schlechtwettergeldes eine soziale Wohltat für die Bauarbeiter. Es ist ja erst einmal abgeschafft worden. Das haben Ihnen ja auch, so hoffe ich, bei den letzten Wahlen die Bauarbeiter heimgezahlt. Da ich an vielen Bauarbeiterversammlungen teilnehmen muß - bei den Maurern, den Fliesenlegern, den Stukkateuren usw. - weiß ich, wie nachhaltig die Verärgerung und die
Wut der Bauarbeiter gegenüber dieser Regierung sind.
Es geht kein Weg daran vorbei: Sie haben den Bauarbeitern etwas abgenommen, was für sie ein wichtiger Teil ihrer sozialen Sicherheit in unserem System war, nämlich das Schlechtwettergeld.
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft BauSteine-Erden hat in einer Aussage, die im „Grundstein", der Gewerkschaftszeitung, nachzulesen ist, gesagt, man hätte unter großem Druck die Tarifverhandlungen vereinbaren müssen. Er hat das sehr vornehm formuliert. Es war eigentlich kein großer Druck, sondern es war schlicht und einfach eine Erpressung.
Sie haben mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes die Tarifvertragsparteien gezwungen, unter dieser Drucksituation einen Tarifvertrag zustande zu bringen, weil sie keine Alternative haben. Das heißt also, Sie haben nicht nach dem Motto gehandelt, den Arbeitnehmern einen Gefallen zu tun. Vielmehr blieb keine Alternative übrig, als nach einem Ersatzweg zu suchen, der nun der Tarifvertrag ist. Der Tarifvertrag ist noch nicht unterschrieben. Die Erklärungsfrist wird bis zum 30. November dauern. Dann wird über die Annahme des Tarifvertrags auf Arbeitgeberseite wie auf Arbeitnehmerseite entschieden. Nach wie vor ist die Verabschiedung - das möchte ich hier sagen - offen, weil die Arbeitgeberseite immer noch Wege sucht, um den vereinbarten Tarifvertrag so zu gestalten, daß für die Arbeitnehmer etwas weniger abfällt. Ich bleibe dabei: Die alte Regelung des AFG war die sozialere Regelung, und daran geht kein Weg vorbei.
Die neue Regelung ist zum Nachteil der Bauarbeiter, die in unserem Lande schon genug gebeutelt werden,
z. B. durch Werkvertragsarbeitnehmer aus Osteuropa und die nicht zustande kommende Entsenderichtlinie. Wir haben ja trotz einer relativ günstigen Konjunktur im Baubereich über 140 000 arbeitslose Bauarbeiter. Für diese tragen Sie, Herr Blüm, die Verantwortung, nur Sie und Ihre Regierung.
Wir haben eine Gesetzesregelung zur Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes vorgelegt. Ich bin
Konrad Gilges
der Meinung, daß diese Regelung die bessere und auch gerechtere Lösung wäre.
Wir unterstützen die Industriegewerkschaft BauSteine-Erden - das haben wir immer getan - bei ihrer Forderung nach einem ganzjährig gesicherten Einkommen für alle Bauarbeiter. Dies aber hätte ohne die Abschaffung des Schlechtwettergeldes durchgesetzt werden können. Es ist schon richtig, was die Industriegewerkschaft immer betont hat: Im Baugewerbe ist es nicht wie in anderen Bereichen. Bauarbeiter verdienen im Sommer relativ gut, im Winter aber relativ schlecht. Es gibt also große Schwankungen im Monats-, Wochen- und Stundeneinkommen. Diese Schwankungen müssen beseitigt werden. Das heißt: Die Bauarbeiter haben wie alle Facharbeiter, wie alle Arbeitnehmer in unserem Land einen Anspruch auf ein ganzjährig gesichertes Einkommen.
Ich sage es noch einmal: Das wäre auch ohne die Abschaffung des Schlechtwettergeldes möglich gewesen.
Ich glaube, es wird Ihre Verantwortung sein, die Attraktivität der Bauberufe wiederherzustellen.
- Das ist Ihnen nicht gelungen, Herr Louven. Das Gegenteil ist eingetreten: Sie wissen, daß die Zahl der Bewerbungen um Ausbildungsplätze im Baugewerbe rückläufig ist, weil viele junge Menschen diesen Beruf nicht mehr erlernen wollen. Sie haben in den letzten drei, vier Jahren nichts anderes getan, als den Bauarbeitern ihr Leben noch schwerer zu machen.
Außerdem müssen Sie dafür sorgen, daß der soziale Frieden auf der Baustelle wiederhergestellt wird; denn dieser hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Ich gehe davon aus, daß die Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden dazu bereit ist. Die Bundesregierung muß ihren Beitrag dazu leisten.
Herzlichen Dank.