Rede von
Heinz
Lanfermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Hinweis auf die Stunde gibt mir tatsächlich Gelegenheit, meinen Eindruck wiederzugeben, daß das Ganze hier jetzt zu Mitternacht doch ein bißchen gespenstisch wirkt, wenn man sich die Argumente anhört.
Herr Kollege Häfner, ich habe nur die Erinnerung, daß der Kollege Geis - da wir jetzt bei der Vergangenheitsbewältigung der letzten Ausschußsitzungen sind - sehr wohl die Frage aufgeworfen hat, wie das Verhältnis zu anderen Zentren sei und ob die Bundesjustizministerin nicht etwas dazu berichten könne, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, ob es - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen oder überhaupt aus rechtlichen Gründen, wie ich es vorsichtig sagen will - angehen könne, für einen Ballungsraum an solche Maßnahmen zu denken, das bei anderen aber nicht zu tun. Das ist eine ernste Frage; das wird niemand bestreiten. Von einer Anhörung war da keine Rede. Sie sollten es auch nicht übertreiben.
Ich habe insbesondere auch an der Rede des Kollegen Hacker bis auf die Tatsache, daß in Berlin in Kürze Wahlen sind, so manches nicht verstanden. Ich grüble immer noch darüber nach, wie der Kollege Mahlo es geschafft haben soll, nicht anwesend zu sein, obwohl der Vorsitzende des Rechtsausschusses uns gerade berichtet hat, er sei herausgegangen. Irgendwie habe ich das noch nicht ganz erfaßt.
Sie sagen, die Diskussion sei eine Einbahnstraße gewesen. Ich weiß nicht, warum der Wirtschaftsausschuß dann entschieden hat. Er hat gegen die Sache entschieden. Wenn Sie meinen, im Wahlkampf politisch verwerten zu müssen, daß eine eindeutige Stellungnahme der Koalitionsfraktionen vorgelegen hat, dann tun Sie das ruhig; denn die besseren Argumente in dieser Angelegenheit sind keineswegs auf Ihrer Seite. Das wird auch nicht dadurch erreicht, daß ein solches Ziel jahrelang verfolgt wird.
Im übrigen wird es Ihnen nicht gelingen, die F.D.P. Berlin auf Ihre Seite zu reden. Daß der Parteitagsbeschluß, den Sie erwähnt haben - selbstverständlich im Sinne des „gutgemeint"; so verstehe ich Ihren Antrag auch -, nur ein Tendenzbeschluß sein kann und keine klare inhaltliche Aussage hat, geht doch aus dem von Ihnen zitierten alten Brief hervor. Wenn der Kollege von der F.D.P. in dem Brief darum bittet, man möge die europäische Rechtslage eruieren, kann der Hinweis in dem Parteitagsbeschluß auf die europäische Rechtslage nur als Tendenz gemeint sein und nicht als etwa eine Zustimmung zu Ihren Vorschlägen. Deswegen hat es keinen Sinn, alte Briefe vorzulesen. Man muß sich vielleicht doch einmal um die Sache selbst kümmern.
Abgesehen von dem ganzen Drumherum, was beschrieben worden ist, ist doch ganz klar, daß Ihr Antrag bei uns nicht auf Gegenliebe stoßen kann. Er ist mit diesen dirigistischen Mitteln gar nicht geeignet, das von Ihnen dargestellte Ziel zu erreichen, ganz im Gegenteil: Er ist sogar kontraproduktiv. Wenn Sie
Heinz Lanfermann
das nicht glauben wollen, dann müssen Sie nur in Berlin selbst in die Vergangenheit schauen.
Was haben wir dort erlebt? Wir haben die endlose Geschichte der langjährigen und immer wieder verlängerten Mietpreisbindungen für Wohnraum erlebt. Dieser staatliche Eingriff hat in Berlin einen funktionierenden Markt für ganz lange Zeit verhindert; erst nach Auslauf der Mietpreisbindung hat sich das Mietniveau für Wohnraum einigermaßen marktwirtschaftlich eingependelt. Viele Wohnungen wurden so genutzt, daß die Familien zu kleine Wohnungen hatten und daß große Wohnungen von einzelnen Personen bewohnt wurden, die aber darauf vertrauen konnten, daß der Staat dauernd seine schützende Hand über sie hält. Diese Mieten konnten nicht steigen, wodurch es sogar zu Renovierungsstaus größeren Umfanges kam. Das alles scheinen Sie jedenfalls nicht in Erinnerung und auch nicht zur Grundlage Ihrer Überlegungen gemacht zu haben.
Natürlich müssen Sie auch zugeben, daß Ihr Antrag, zumindest vom Zeitablauf her, in vielem überholt ist; denn Sie wissen ganz genau, was der Markt z. B. für Büromieten nach den anfangs übertriebenen Vorstellungen hergibt. Die Büromieten haben sich ebenfalls marktwirtschaftlich entwickelt. Auch in guten Lagen sind sie rapide gesunken. Nach Zeitungsberichten ist Berlin mit fast 30 % sogar Spitzenreiter bei den Preisrückgängen in den vergangenen zwei Jahren, gefolgt von München, Leipzig und Dresden mit minus 20 %. Die Marktwirtschaft ist also etwas klüger als manches, was in diesem Hause an Anträgen fabriziert wird.
Meine Damen und Herren, neben den Büromieten ist - das ist selbstverständlich ein wichtiger Punkt - auch das Problem der Ladenmieten angesprochen. Aber ich denke, bei den Ladenmieten geht es darum, zu überlegen, wie man erreichen kann, daß sich in guten Lagen - nicht nur in guten, aber insbesondere in guten Lagen - Geschäfte, Gaststätten und anderes ansiedeln, weil man sich das für ein erfreuliches Stadtbild und die Lebensqualität einer Stadt wünscht. Schließlich will man die Innenstädte attraktiv halten oder noch attraktiver gestalten.
Das ist aber zunächst einmal eine Forderung an die Politik des Gemeinwesens, um das es geht, nämlich der Stadt Berlin. Da muß man sich natürlich etwas intelligentere Gedanken darüber machen, wie man Strategien entwickeln kann, solche Lagen zu entwikkeln. Man muß sich überlegen, ob man dort selber eingreift und als Kunde am Markt auftritt.
Das ist eine Frage, die man vor Ort bitte ernsthaft diskutieren soll, um anschließend zu entscheiden. Das kennen andere Städte auch, aber die schreien nicht gleich danach, daß man für sie ein spezielles Gesetz schneidern soll.
Ich glaube, die Horrorszenarien, die der Kollege Häfner heute entwickelt hat, müßten direkt zu einer Massenflucht aus Berlin führen, wenn das nur halbwegs so zuträfe, wie er das übertrieben dargestellt hat.
Das Mietrecht ist für die Ziele bezüglich der Ladenmieten nicht geeignet. Diese klare Überzeugung will ich hier ausdrücken. Der Versuch, über das Mietrecht Politik zu machen, stellt sich vordergründig - siehe die Überschrift des Antrags „Schutz der Mieter von Geschäftsräumen" - als Wohltat für eine Gruppe von Menschen dar, hat aber als Kehrseite der Medaille auch einen Nachteil für andere.
Man muß natürlich sehen, daß das mit der vorgeblich sozialen Politik immer so ist: Der Schutz des einen ist die Last des anderen. Anders als im Vertragsrecht, wo das verboten ist bzw. zur Nichtigkeit führt, neigt die Politik immer dazu, Politik zu Lasten Dritter zu machen. Ich habe den Eindruck, daß diese Neigung auf der einen Seite des Hauses in der Tendenz etwas stärker vertreten ist.
Intelligente Politik muß etwas mehr als Umverteilung leisten. Sie schafft und gestaltet Rahmenbedingungen, unter denen sich dann nach den Regeln der Marktwirtschaft die besten, weil ausgeglichensten, Lösungen entwickeln, und zwar zum besten Nutzen für alle Bürger.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.