Rede von
Joachim
Günther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Expertenkommission „Kostensenkung" hat im Jahre 1994 den Abschlußbericht „Mehr Wohnungen für weniger Geld" vorgelegt. Diese Analyse hat deutlich gemacht, daß das deutsche Baukostenniveau deutlich über dem europäischen Standard liegt, und von Anfang an für viel Diskussionsstoff gesorgt.
Im deutschen Wohnungsbau fehlt ein preisgünstiges Marktsegment, und es herrscht ein gewisser Zwangskonsum, den viele Nachfrager gar nicht mehr bezweifeln.
Es gibt eine verfestigte Tradition des teuren Bauens, die allein von der Nachfrageseite her nicht mehr umgangen werden kann. Die auf deutschen Baustellen zwangsläufig verfestigten Abläufe haben zu diesem teuren Bauen mit beigetragen.
Es geht um das Nebeneinander der Gewerke auf den Baustellen, es geht um Regelungen auf allen föderalen Ebenen, um Regelungen, die über einfache, aber in vielen Fällen auch ausreichende Standards hinausgehen. Es geht um die Baulandausweisung, die im Endeffekt zurückhaltend betrieben wird und die dadurch zwangsläufig zur Verteuerung beiträgt.
Die Einsparungspotentiale sind, so sagen die Gutachter, besonders im Eigenheimbereich sehr groß. Sie lägen bei etwa 50 %, und davon entfielen je 20 % auf Standardreduzierungen und auf Effizienzverbesserungen und etwa 5 % auf die Deregulierungen im Normenbereich. Damit könnten wir ein niedriges Baukostenniveau erreichen, wie es in den Niederlanden und in Skandinavien längst Realität ist.
Die Bundesregierung hat aus dieser Analyse Konsequenzen gezogen und den heute zu diskutierenden Handlungsrahmen zur Kostensenkung im Wohnungsbau vorgelegt. Ich glaube, die aktuelle Lage am Wohnungsmarkt begünstigt spürbarere Erfolge. Denn bisher haben sich Baukostensenkungen nicht immer in den Preisen für die Nachfrager niedergeschlagen. Wir kennen das: Ein überhitzter Immobilienmarkt hat eine Nachfrage, die ein besseres, kostengünstigeres Angebot brachte, eher in höhere Gewinne umgeschlagen.
Der Wohnungsmarkt - das können wir heute sehr deutlich einschätzen - hat sich inzwischen gewandelt. Ursache für diesen Investitionsboom der letzten Jahre ist - auch wenn das einige nicht gerne hören - eine kontinuierliche Wohnungspolitik, die diese Koalition durchgeführt hat. Künftig schaffen niedrigere Kosten, so hoffen wir, auch für normale Bürger eine notwendige Voraussetzung, daß sie in die Eigenheimbautätigkeit einsteigen können.
Die Kostensenkungsinitiative ist daher auch mit der Stoßrichtung der Reformierung der Eigenheimförderung, die wir ja gegenwärtig im Ausschuß diskutieren, verzahnt. Ich hoffe im Interesse aller, daß sie rechtzeitig fertig wird, um am 1. Januar 1996 in die Tat umgesetzt werden zu können.
Der Bund verfolgt eine Doppelstrategie zur Durchsetzung kostengünstiger Bauprodukte am Markt:
Zum einen geht es um die Nachfrager. Die Tradition des teueren Bauens hat viel mit Einstellungen unserer typischen Eigenheimbauer zu tun. Sie gehen davon aus: Ich baue einmal im Leben, dann baue ich richtig, möchte möglichst viele Extras haben und das Haus voraussichtlich bis zum Lebensende behalten. Was ist das Ergebnis aus dieser Sicht? Es wird entweder gewartet, bis man das Eigenheim finanzieren kann, oder man baut oft spät bzw. zum Teil überhaupt nicht.
Unser Ziel muß es sein, den Eigenheimerwerb schon in einer jüngeren Lebensphase vorstellbar zu machen, vor allem wenn die Kinder noch klein sind; denn sie benötigen vordringlich ein Eigenheim. Notwendig dazu ist, daß man Starthäuser oder Einstiegsmodelle, wie es diese auch auf dem Automarkt gibt, baut oder verkauft, die hinsichtlich der Ausstattung und Wohnfläche preiswert sind, damit sie auch von jüngeren Bürgern finanziert werden können.
Parl. Staatssekretär Joachim Günther
Wir haben daher die Kampagne „Das junge Haus" vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau angestoßen. Wir hoffen auf die Kooperation und die private Beteiligung aller. Diese Kampagne soll solchen Haushalten Mut zum Eigentum machen, die bei bisher üblichen Preisen nicht oder nur sehr selten bauen konnten. Angestrebt wird die Stärkung des Kostenbewußtseins beim privaten Bauherrn, aber auch der Abbau von Vorurteilen, die zum Teil gegen preiswerte Bauverfahren - ich nenne nur die Holz- oder die Typenhäuser - noch vorherrschen.
Kurz gesagt, die Kampagne soll deutlich machen, was auf der Grundlage der gegenwärtigen Rahmenbedingungen möglich ist. Wir vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wollen die potentiellen Bauherren durch eine Informationskampagne unterstützen.
Zum anderen geht es um die Angebotsfrage. Das heißt, es geht um die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen auf der Angebotsseite, so wie sie im Handlungsrahmen zusammengefaßt sind. Der Koordinierungsausschuß „Baukostensenkung" hat sich bereits konstituiert. Sinn ist es, alle am Bau Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um miteinander und nicht übereinander zu sprechen.
Wir hoffen, daß daneben auch jene Kreise angesprochen werden, die in der Praxis zur Baukostensenkung beitragen können.
Ein Erfolg der Kostensenkungsinitiative hängt weiter von mehr Wettbewerb und mehr Baufreiheit ab. Wettbewerb - das hat die Kostensenkungskommission eindeutig gezeigt - ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Preissenkungen. Hier geht es um Beispiele wie Erschließungskosten, Baulandangebot, Vergabeverfahren der öffentlichen Hand - um nur die wichtigsten zu nennen. Und Baufreiheit heißt eben, jeden Bau und jede Bauweise zuzulassen, wenn sie nicht Dritte und deren Rechte beeinträchtigt. Besonders auf diesem Gebiet sollten wir einen großen Schritt nach vorn tun.
Viele beklagen in dieser Richtung zu Recht auch die Länderbauordnungen. Wir wissen, daß es hier zum Teil noch deutliche Uneinheitlichkeiten gibt und daß z. B. der Einsatz von kostengünstigen Typenhäusern in einigen Regionen wirksam behindert wird oder daß es erhebliche Behinderungen bei Holzbauweisen durch Brandschutzvorschriften gibt, die aber in der Wirklichkeit dem damit verbundenen Risiko überhaupt nicht mehr gerecht werden.
Wichtige Handlungsfelder sind die Überprüfung der bisherigen Förderung des sozialen Wohnungsbaus, u. a. die verstärkte Einführung von Kostenobergrenzen und Förderungspauschalen, der Wettbewerb bei der Vergabe von Fördermitteln, der Reformbedarf bei den DIN-Vorschriften, die Weiterentwicklung der Wettbewerbsverfahren bei VOB- und privatrechtlicher Vergabe, die Ausgestaltung von Architektenverträgen im Zuge der fünften Novelle der HOAI, aber auch die Vorbereitung der nächsten Novelle, die das BMWi hoffentlich genauso schnell in Angriff nimmt wie die Überprüfung der Handwerksordnung insbesondere wegen der Gewerketrennung. Das ist ganz wichtig, wenn wir im Bauwesen vorankommen wollen.
Meine Damen und Herren, niemand geht davon aus, daß man die Baukosten mit einem einzigen oder mit nur wenigen Instrumenten im Endeffekt bekämpfen oder herunterbringen kann. Also müssen auch solche Elemente in dieser Diskussion ernst genommen werden, die, allein betrachtet, nur einen kleinen Schritt nach vorn versprechen. Ich hoffe deshalb auf die Mitarbeit aller im Parlament, auf die Ideen und Anregungen, auf Kontakte zu den Ländern, damit die Praxis einbezogen werden kann.
Die Kostensenkung im Bauwesen hat eine hohe sozialpolitische Brisanz. Preisgünstiges Bauen und Wohnen bringt die Chance für Eigentum für Zigtausende von Familien. Es senkt die Wohnkosten der Mieter, senkt den Subventionsbedarf der öffentlichen Hände und ermöglicht damit im Endeffekt Steuerentlastungen. Bei dem hohen Anteil, den der Bau an den gesamten Investitionen in Deutschland hat, den auch die Wohnkosten am verfügbaren Einkommen haben, wird klar: Hier geht es um ein Thema, das man nicht mit Sonntagsreden begleiten kann. Wir wollen handeln. Die Bundesregierung ist dazu bereit, und ich fordere alle auf, daran aktiv mitzuwirken.