Rede von
Elke
Ferner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich werde nachher noch etwas zum Bundesrat sagen, Herr Kollege Börnsen. Im übrigen hat das Land Hessen, in dem die Grünen in der Regierung sind - das haben Sie richtigerweise gesagt -, dem Antrag im Bundesrat zugestimmt und ihn nicht abgelehnt.
Es gibt allerdings noch einen Zusatz, den der Bundesrat beschlossen hat und den ich in meiner Rede nachher noch vortragen will.
Ich behaupte zunächst einmal, daß es Ländern, die von dieser Verbindung profitieren und die eine schnelle Verbindung haben wollen, zunächst einmal egal ist, ob das Transportmittel Transrapid oder ICE heißt, wenn in ähnlicher Zeit
- Herr Kollege, seien Sie doch einmal sachlich - eine solche Verbindung auch über die Rad-Schiene-Technik herzustellen wäre.
Wenn die Länder aber aus eigener Tasche nichts dazuzahlen müssen, wie sie glauben - ich werde Ihnen nachher noch beweisen, daß das sehr wohl zu Lasten der Länder geht -, muß ich sagen, ist es nichts anderes als Kirchtumspolitik. Davon kann man keine Landesregierung freisprechen, egal ob sie rot, grün, schwarz oder sonstwie aussieht. Das ist nun einmal so, Herr Kollege Börnsen, und das wissen Sie genauso gut wie ich.
Ich habe gefragt: Was tut die Bundesregierung für die Zukunft unseres Verkehrssystems?
- Ja, sie kürzt gegenüber den bisherigen Planungen die Mittel für Schieneninvestitionen um 16 Milliarden DM für die Jahre 1996 bis 1999.
Schon im nächsten Jahr werden die Investitionen für das Schienennetz gegenüber heute um 2,3 Milliarden DM gekürzt. Welche Schienenprojekte dabei auf der Strecke bleiben, Herr Wissmann, hüten Sie wie ein Staatsgeheimnis, weil Sie den Menschen vor Ort bisher immer etwas anderes erzählt haben, inklusive aller Kolleginnen und Kollegen, die in ih-
ren Wahlkreisen erzählen: Das Projekt ist wichtig, I das kommt sofort. Gemacht wird es nicht, weil 2,3 Milliarden DM weniger zur Streckung oder zum Nichtbau von Schienenprojekten führen werden.
Ihre Kürzungsentscheidungen verstecken Sie hinter dem Vorwand leerer Kassen. Ich sage bewußt „Vorwand"; denn wenn für den mindestens 5,6 Milliarden DM teuren Transrapid Geld da ist, kann es nur ein Vorwand sein. Es ist offensichtlich Geld da, und dann braucht man im Schienenbereich nicht zu kürzen.
Sie wollen eine Entscheidung, die den Bundeshaushalt unwiderruflich mit nicht absehbaren Risiken belastet: 1997 mit einer halben Milliarde DM, 1998 mit 843 Millionen DM, 1999 und 2000 mit jeweils über 1 Milliarde DM.
Das bedeutet: Bei einem gesamten Schieneninvestitionsetat von 4 Milliarden DM im Jahr soll 1 Milliarde DM für ein einziges Projekt bereitgestellt werden, durch das bis 2005 überhaupt kein verkehrspolitischer Beitrag geleistet werden wird. Die üblichen Preissteigerungen kalkulieren Sie noch nicht einmal ein.
Was passiert aber dann? Für Schiene und Straße gibt es gesetzliche Regelungen, mit denen im Falle knapper werdender Mittel haushaltsmäßige Reißleinen gezogen werden können. Für den Transrapid gilt das nicht. Künftig soll der Transrapid weitgehende Privilegien vor allen anderen Verkehrsträgern genießen. Alle Verkehrsinfrastrukturplanungen können nur nach Maßgabe der „zur Verfügung stehenden Mittel" realisiert werden; für den Transrapid wollen Sie das nicht. Sie wollen auch keine Instrumente zur Kontrolle des Ausbaufortschrittes wie die Berichtspflicht des Ministers bzw. eine „regelmäßige 'Oberprüfung des Bedarfs" an Hand der „zwischenzeitlich eingetretenen Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung" .
Die Bahn ist bei zinslosen Investitionsdarlehen sogar zu Leistungen an den Bund in Höhe von jährlichen Abschreibungen gesetzlich verpflichtet. Beim Transrapid wollen Sie mit irgendeinem Betreiber irgendwann irgendeine Vereinbarung treffen. Das ist Ihr Konzept für den Transrapid. Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern Sie trauen offenbar auch Ihren eigenen Prognosen über den finanziellen Erfolg des Projekts selbst nicht mehr.
Im Klartext heißt das: Nur weil Sie den Transrapid auf Biegen oder Brechen auf dieser Relation wollen, wird privaten Investoren die Tür zum Bundeshaushalt weit geöffnet. Diese Investitionen sollen ohne Rücksicht auf die Situation künftiger Bundeshaushalte durchgepeitscht werden: rund 60 % zu Lasten des Verkehrshaushalts, Herr Kollege Börnsen, und knapp 40 % zu Lasten der übrigen Investitionshaushalte.
Nur weil Sie den Transrapid bauen wollen, gibt es weniger oder keine neuen Ortsumgehungen, Einschnitte beim Schienenbau, weniger Geld für den
Elke Ferner
Wohnungs- und Hochschulbau sowie Kürzungen bei den Forschungs- und Umweltinvestitionen. Diese Kürzungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, betreffen alle investiven Bereiche des Bundeshaushalts und gehen zu Lasten der Länder, der alten wie der neuen, auch zu Lasten des Landes Berlin.
In Ihrem eigenen Finanzierungskonzept aus der 12. Wahlperiode sagen Sie: „Die Kostenrisiken für den Bundeshaushalt sind zur Zeit zahlenmäßig nicht abschätzbar." Ich ergänze: Diese Risiken sind weder jetzt noch zukünftig vertretbar.
Auch der Bundesrat hat erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit. Bei aller Kirchturmpolitik in dieser Frage hat er empfohlen, den § 2 wie folgt zu ändern: „Die Betriebslasten sind nicht aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. "
Die alten Planannahmen für dieses Projekt entsprechen nämlich mehr Ihrem Wunschdenken als betriebswirtschaftlicher Kalkulation: Da geistern immer noch Fahrgastprognosen von 14 Millionen Passagieren jährlich herum; das sind 1 600 Passagiere jede Stunde bei Tag und bei Nacht. Bei der Vorstellung, wie 1 600 Leute auf einem Bahnsteig stehen und warten und ein- und aussteigen, kann ich nur sagen: Viel Vergnügen! In den Spitzenzeiten werden es ja dann wohl noch mehr sein.
Solche Annahmen sind einfach lächerlich. Eine Ameisenwanderung zwischen Hamburg und Berlin wäre ein Klacks dagegen.
Bis zur Stunde zögert die Bahn AG, sich an der geplanten Betriebsgesellschaft zu beteiligen. Nachdem die Lufthansa definitiv nein gesagt hat, soll die Bahn jetzt 300 Millionen DM beisteuern.
Sie verlangt dafür zu Recht eine Kompensation, weil die Fahrgäste des Transrapid der Bahn fehlen werden.
Sie verlangen von der Bahn, sich selbst Konkurrenz zu machen, und hängen ihr den Transrapid als Klotz ans Bein, weil das Engagement der Bahn für die Privatindustrie unverzichtbar ist. Warum denn eigentlich? Sachverstand und Planungs-Know-how ließen sich doch wohl auch einkaufen. Nein, die privaten Investoren wissen nur zu genau, daß das Transrapid-Projekt gestorben wäre, bevor es angefangen hat, wenn die Bahn auf der Relation Hamburg-Berlin selbst ein gutes Angebot gewährleistete.
Wenn das Transrapid-Projekt schiefgeht, soll die Bahn auch noch mit für Verluste einstehen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nun wahrlich eine Perversion der Bahnreform.
Sie verschleudern Milliarden von Steuergeldern, wenn nicht alle Bestfallannahmen eintreffen. Normalerweise rechnet ein guter Kaufmann mit dem „worst case" und nicht mit dem „best case". Da sollten Sie sich vielleicht noch einmal überlegen, ob Sie auf dem richtigen Wege sind.
Sie erweisen damit auch der Industrie einen Bärendienst. Ein Verkehrssystem, das allein für den Bau 5,6 Milliarden DM kostet, nicht vor zehn Jahren in Betrieb geht und auf unabsehbare Zeit am öffentlichen Tropf hängt, ist für keinen potentiellen Kunden attraktiv.
Meine Fraktion hat deshalb von Anfang an ein abgespecktes, überwiegend privat finanzierbares Projekt auf einer kürzeren Strecke befürwortet. Sie hingegen vernachlässigen die Märkte und die Weiterentwicklung der Rad-Schiene-Technik und damit die Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Industriepolitisch geht es nicht darum, ob unter irgendwelchen Extrembedingungen und mit hohem finanziellem Aufwand Höchstgeschwindigkeiten technisch realisiert werden können. Entscheidend wird allein sein, ob sie auch wirtschaftlich machbar sind.
Die Strecke Hamburg-Berlin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Ein ICE-Ausbau, wie wir ihn schon beim Bundesverkehrswegeplan gefordert haben, macht verkehrspolitisch und wirtschaftlich mehr Sinn.
Nur weil Sie den Transrapid bauen, wird im ICE- Netz auf Dauer bei der Strecke Hamburg-Berlin eine große Lücke klaffen. Sie sehen hier Hamburg-Berlin, und die Eisenbahn fährt in der Hochgeschwindigkeitsphase schön drumherum.
Offensichtlich ist Ihnen, meine Damen und Herren in der Koalition - das kann man zum Schluß wirklich sagen -, der Realitätssinn völlig abhanden gekommen, zumindest in bezug auf die Zahlen des Bundeshaushaltes. Sie tragen damit die Verantwortung für eine neue Investitionsruine.