Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die kurze Diskussion eben erinnert mich an die boshafte Bemerkung von Helmut Schmidt vor vielen Jahren, der Auswärtige Ausschuß sei der Rotary Club, der Wirtschaftsausschuß der Lions Club des Parlaments, in anderen müsse gearbeitet werden. Dann verstehe ich, daß Sie in den Auswärtigen Ausschuß gehen.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei der Bundesregierung, daß sie uns einen Bericht über die Jahrestagung der Bretton-Woods-Organisationen gibt. Ich finde es schon bemerkenswert, Herr Diller, daß der Provinzialismus der SPD soweit geht, daß Sie nicht einmal eine Debattenrunde diesem Thema widmen können.
- Das wird ja alles in der zweiten Runde diskutiert. Der Kollege Weng wird zum Haushalt Stellung nehmen, verehrte Frau Matthäus-Maier. Aber gelegentlich kann man doch einmal über die Grenzen unseres eigenen Landes hinwegsehen. Ist das um alles in der Welt bei Ihnen überhaupt nicht möglich?
Ich verstehe ja, wie sehr Sie mit sich selbst beschäftigt sind. Aber es gibt noch etwas außerhalb der SPD und auch außerhalb der Bundesrepublik.
Meine Damen und Herren, die Bretton-Woods-Institutionen sind in die Jahre gekommen. Die Welt, in der sie 1944 geschaffen wurden, existiert so nicht mehr. Das GATT hat sich gut gehalten, die Welthandelsorganisation hat das aufgenommen. Der multilaterale Freihandel steht auch in Zukunft außer Frage.
Wir sind auch hoffnungsvoll, daß die Weltbank - Herr Hauser hat das erwähnt - ihre neue Rolle finden wird. Sie hat weiterhin eine wichtige Aufgabe als Entwicklungsbank. Ihr neuer Präsident, James Wolfensohn, zeigt die notwendige Entschlossenheit, endlich die organisatorische Straffung der Weltbank anzugehen.
Wir begrüßen es, daß er - ein wichtiger Schritt - z. B. das umstrittene Arun-Staudamm-Projekt in Nepal storniert hat. Das war das größte Objekt der Weltbank, aber gleichzeitig ein Symbol für Arroganz, für Gigantomanie und für umweltpolitische Blindheit einer inzwischen überlebten Entwicklungspolitik.
Die International Finance Corporation, IFC, die heute noch nicht erwähnt wurde, ist nicht ganz unumstritten, weil sie durch die Förderung privater Investitionen in Entwicklungsländern in Konkurrenz zu den privaten Banken tritt. Aber sie hat gut gearbeitet. Von der Weltbank geförderte Infrastrukturprojekte sind zwar eine notwendige Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung vieler Länder, aber es ist gerade die Förderung privater Investitionen, die selbsttragende wirtschaftliche Kräfte erst aktiviert. Deswegen halten wir es für bedenklich, Herr Finanzminister, daß der IFC Mittel fehlen. Was haben die Deutschen auf dem Treffen der Weltbank dazu gesagt?
Herr Volmer, Sie haben mit Recht erwähnt, daß die Situation der IDA, der International Development Association, also der Organisation für die ärmsten Entwicklungsländer, zur Zeit beklagenswert ist. Aber es ist völlig falsch, dafür die Bundesregierung und den Bundesfinanzminister verantwortlich zu machen. Herr Waigel hat - dafür bedanken wir uns - öffentlich dazu aufgefordert, daß die Amerikaner hier ihrer Verantwortung gerecht werden, was nicht der Fall ist. 1,25 Milliarden Dollar will Präsident Clinton haben. Der Senat will ihm 775 Millionen Dollar und das Repräsentantenhaus nur 575 Millionen Dollar dafür geben. Wir müssen bei den USA Solidarität und internationale Verantwortungsübernahme einfordern.
Aber was wir nicht fordern dürfen, ist der generelle Schuldenerlaß quer durch die Bank. Er ruiniert die Kreditfähigkeit dieser Länder.
Dr. Otto Graf Lambsdorff
- Sie haben es eben nicht getan. Das ist eine Übung bei Ihnen. Jeder distanziert sich vom eigenen Parteiprogramm und verkündet dann hier seine eigenen Positionen. Da haben Sie von Herrn Fischer gut gelernt, Herr Volmer.
Am stärksten muß allerdings die Rolle des Internationalen Währungsfonds hinterfragt werden. Denn hier klaffen Wunschtraum und Realität am weitesten auseinander. Es war die Aufgabe des IWF im Bretton-Woods-System, die internationale Währungsordnung durch Kredite zum Ausgleich von Zahlungsbilanzdefiziten zu stabilisieren. Nach dem Ende von Bretton Woods erfolgt nun der Ausgleich von Zahlungsbilanzdefiziten durch die flexiblen Wechselkurse. Weltweit ist ausreichend Liquidität vorhanden. So stark wie die internationalen Finanzmärkte kann der Internationale Währungsfonds nicht werden. Er soll es auch nicht. Denn nur die internationalen Finanzmärkte gewährleisten die Effizienz der internationalen Kapitalverwendung und nicht der IWF. Die Frage muß lauten: Wird der Internationale Währungsfonds diesen Anforderungen gerecht?
Professor Allan Meltzer vom American Enterprise Institute und andere haben daraus längst Schlußfolgerungen gezogen und fordern die Abschaffung des IMF. Für sie ist der IMF degeneriert. Er sei zum Umverteilungsmechanismus zwischen Staaten geworden. Undemokratisch sei er, heize Inflation an und vermindere den Druck auf Reformen. Diese Kritik kann man nicht leichtfertig abtun. Der IWF scheint nach dem Verlust seiner traditionellen Aufgaben auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern zu sein. Er gerät mit seinen Entwicklungsaktivitäten zunehmend in Konkurrenz zur Weltbank. Wollen wir das unterstützen oder hinnehmen?
Der Ablauf der Mexiko-Krise unterstützt die Skepsis, die Meltzer, andere und auch ich über die künftige Rolle des IWF haben. War es sinnvoll, IWF-Mittel bereitzustellen, um die Spekulation institutioneller amerikanischer Investoren in Peso-Bonds abzusichern? Das war ganz etwas anderes, Herr Volmer, als die Krise vor 15 Jahren, eine völlig andere Ursache. Es wäre Aufgabe der USA gewesen, den Wechselkurs Peso/Dollar zu stützen.
Sie konnten nicht einfach nationale Aufgaben auf internationale Institutionen abwälzen. Die Globalisierung der Finanzmärkte bedeutet nicht die Globalisierung von Spekulationsrisiken über den Währungsfonds. Erst recht nicht ist der deutsche Steuerzahler der „lender of last resort" für Währungsspekulationen.
Außerdem zeigt sich in der Mexiko-Krise klar das Problem des sogenannten „moral hazard", der durch das IWF-Einspringen entsteht. Es wird noch leichter für Staaten und für private Spekulanten, höhere Risiken einzugehen. Ihr Engagement muß nur groß genug sein, dann übernimmt die Staatengemeinschaft ihre Verluste.
In diesem Zusammenhang würde es uns interessieren, Herr Bundesfinanzminister, ob Deutschland eigentlich bei der IWF-Aktion zur Bekämpfung der Mexiko-Krise schlicht über den Tisch gezogen wurde. Stimmt es, daß der deutsche Exekutiv-Direktor in der entscheidenden Sitzung noch nicht einmal eine Tischvorlage hatte?
Es blieben mehr Fragen offen: Deutschland hat die Erhöhung der Quoten in vernünftigem Umfang, wie ich finde, zugesagt. Aber welche Auswirkungen wird das für den Steuerzahler bei uns haben? Welche Leistungen erbringen die Vereinigten Staaten? Wenn sie nicht mitziehen, ist die Quotenerhöhung eine kurzatmige Veranstaltung.
Wir haben - Sie haben es berichtet - die Verdoppelung der Allgemeinen Kreditvereinbarung mitgetragen. Welche Rolle werden die G 10 künftig spielen, wenn neue Länder außerhalb der G 10 in den Kreditrahmen einbezogen werden?
Eine weitere Frage, Herr Waigel: Haben Sie die Forderung nach weiterer Erhöhung der Sonderziehungsrechte deutlich zurückgewiesen?
- Danke schön.
Was Herr Camdessus dort will, ist eine Ausdehnung der Liquidität. Es mangelt uns nicht an Liquidität auf der Welt. Die Vertagung auf eine Expertengruppe ins Frühjahr 1996 erscheint mir eher als halbherziger Versuch, sich da um eine klare Entscheidung zu drücken.
Ist auf der Jahrestagung des Fonds die Rolle der Industrieländer für die Weltwirtschaft erörtert worden? Was wurde über die Konsequenz ihrer Schuldenpolitik und ihrer geringen Sparquoten festgestellt? Treiben die Industrieländer nicht zunehmend ein Crowding out auf den Weltkapitalmärkten, das dann zu Lasten der Entwicklungsländer geht? Sind es damit nicht die Industrieländer, die die Mittel für andere begrenzen?
Zu welchen Ergebnissen ist die IWF-Tagung bei der Beurteilung der Lage Japans gekommen? Japan ist in kürzester Zeit vom Musterknaben zum Schlußlicht der G 7 geworden. Ein Weg aus der Krise ist nicht sichtbar. Die Geldpolitik ist ausgereizt. Defizite des öffentlichen Haushalts begrenzen den Spielraum der Finanzpolitik. In der japanischen Entwicklung schlummern zunehmend größere Risiken, die weltweit mehr Gefahr bedeuten können, als sie von Mexiko jemals ausgingen.
Die Jahrestagung von IWF und Weltbank mag ein schönes gesellschaftliches Ereignis - das ist sie jedesmal - gewesen sein. In sachlicher Hinsicht war sie aber eine rechte 08/15-Veranstaltung. Das zeigt die Menge der bedeutenden Fragen, die nicht beantwortet wurden.
Eine letzte Bemerkung zur konjunkturellen Entwicklung: Herr Bundesfinanzminister, die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik haben gute Noten
Dr. Otto Graf Lambsdorff
vom IWF erhalten. Das ist erfreulich und zufriedenstellend für Sie und für uns. Der Internationale Währungsfonds hat aber auch auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung hingewiesen, bei der Sie, Herr Volmer, nichts weiteres zu tun haben, als unentwegt deren Erhöhung zu verlangen.
Wenn Sie sich einmal das Wahlprogramm der Berliner Grünen ansehen, lesen Sie: Arbeitsmarktabgabe, Investitionshilfeabgabe, Bemessungsgrundlage für Grund-, Erbschaft- und Vermögensteuer erhöhen, Primärenergiesteuer einführen. Es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn man bedenkt, was Sie uns hier erzählen und was draußen in Wirklichkeit von Ihren Kollegen betrieben wird.
Das Grundproblem für die Menschen in Deutschland, die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, bleibt Kritik über das Lob des Währungsfonds hinweg. Sie bleibt ständige Herausforderung für Politik, Tarifpartner, Arbeitnehmer und Unternehmer, es doch noch etwas besser zu machen.
Treffen - auch auf höchstem Niveau - erlassen uns nicht die Aufgabe, unsere nationalen Hausaufgaben im Sinne der betroffenen Menschen zu lösen. Wer in unserer Situation an neuen Steuern und Abgaben bastelt, macht sich mitschuldig an der Verfestigung der Arbeitslosigkeit.
Herzlichen Dank.