Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch diejenigen, die im Moment den Saal verlassen, sind an einer funktionierenden wirtschaftlichen Entwicklung der ganzen Welt sicherlich genauso interessiert wie an der Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland, denn beides gehört selbstverständlich zusammen.
Gestern früh bin ich von der traditionellen Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank sowie von den Gesprächen im Rahmen der G 7 zurückgekehrt. Ich bedanke mich auch bei der Delegation des Deutschen Bundestages für die gute Zusammenarbeit und für die Unterstützung während dieser Tagung.
Einmal mehr sind Deutschland und insbesondere die deutsche Finanzpolitik durch den Internationalen Währungsfonds und im Kreis der G 7 positiv bewertet worden. Deutschland verzeichnet beeindrukkende Fortschritte beim Abbau des Haushaltsdefizits.
Die Konzeption der symmetrischen Finanzpolitik, Defizitreduktion und Steuersenkung bis zum Jahr 2000 zu verbinden, ist ausdrücklich begrüßt worden.
Wie schon vor sechs Monaten bleibt auch die jüngste Weltwirtschaftsanalyse des Internationalen Währungsfonds bei ihrem positiven Gesamteindruck. Der
weltweite Aufschwung setzt sich ungebrochen fort, zwar in einem etwas langsameren Tempo als zunächst angenommen; von einer Trendwende kann aber keine Rede sein.
Deutschland liegt beim Wachstum an der Spitze der G 7 und bleibt damit ein Motor der Weltwirtschaft. Das gilt, auch wenn der IWF in Anbetracht der Ergebnisse des ersten Halbjahres die Zahlen für Deutschland leicht nach unten korrigiert hat. Wir können 1995 auch weiterhin mit 21/2 % Realwachstum rechnen, und 1996 bleibt das Wachstum in Deutschland auf einem dynamischen Pfad. Nach dem bislang kräftigen Wachstum von Export und Investitionen können wir auf Grund der Steuer- und Abgabenentlastungen in Höhe von etwa 27 Milliarden DM im nächsten Jahr mit einer deutlichen Zunahme des Verbrauchs rechnen.
Auch die Entwicklung in den USA ist durchaus positiv. Heute kann mit einem „soft landing" der amerikanischen Konjunktur gerechnet werden. Für Japan hat der Währungsfonds seine Prognosen stärker revidieren müssen. Hier spiegeln sich insbesondere die Aufwertung des Yen und die Bankenkrise wider.
Erfreulich ist das kräftige Wachstum in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenländern. Das hohe Wachstum in diesen Ländern ist inzwischen zu einem andauernden positiven Faktor der Weltwirtschaft geworden.
Auch in den meisten Ländern Mittel- und Osteuropas - in 17 von 26 - zeigen sich positive Wachstumsraten. Meine Damen und Herren, ich halte es für einen beeindruckenden Erfolg erstens der Reformanstrengungen in diesen Ländern und zweitens der internationalen Kooperation durch IWF, Weltbank und andere Institutionen, wenn heute 17 von 26 Transformationsländern positives Wachstum aufweisen.
Auch in Rußland - das haben die Diskussion mit den russischen Vertretern im G-7-Gespräch und beim Interimskomitee sowie meine bilateralen Gespräche mit dem stellvertretenden Ministerpräsident Tschubais und dem Finanzminister Yasin gezeigt - sind positive Zeichen zu sehen. Die Inflationsrate sinkt seit Jahresbeginn. Die Entwicklung des Sozialprodukts und des Haushaltsdefizits verläuft günstiger als erwartet.
Gerade in Deutschland spüren wir die Handelsimpulse einer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung in Polen, in Tschechien, in Slowenien, in Ungarn oder in den baltischen Staaten. In diesem Ergebnis zeigt sich der Erfolg von Marktwirtschaft und Demokratie ebenso wie der einer Politik der Liberalisierung der nationalen Volkswirtschaften und der Weltmärkte.
Bei der Inflation ist die Lage weltweit so gut wie schon lange nicht mehr. Die Inflationsgefahren sind gering.
National wie international bleibt die Arbeitslosigkeit eine Hauptsorge der Finanzpolitik. In Deutschland hat in den neuen Bundesländern ein deutliches Beschäftigungswachstum eingesetzt. Laut neuesten
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Untersuchungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft beträgt die Rate jetzt 3 % pro Jahr. Auch in den alten Bundesländern ist die Arbeitslosenquote nach internationalem Standard mit 6,5 % niedriger als in vielen anderen Ländern. Aber der Arbeitslosensockel ist zu hoch, das Tempo des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist unzureichend. Ein international einheitliches Rezept gibt es nicht. Dazu sind die Ursachen der Arbeitslosigkeit und die Strukturelemente der Arbeitsmärkte zu unterschiedlich. Eine Strategie ist allerdings in jedem Fall und in jedem Land die richtige: Eine entschlossene Wachstumspolitik schafft die Arbeitsplätze von morgen.
Wachstum braucht Investitionen. Nur das Ersparte kann investiert werden. Dafür müssen in jedem Land und weltweit die Voraussetzungen stimmen. Insbesondere in den Industrieländern, in denen die Ersparnisbildung noch zu wünschen übrigläßt, muß ein Kurswechsel stattfinden. In der jetzigen weltwirtschaftlichen Situation, bei weiterhin hohem Kapitalbedarf hat daher nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds und der G 7 die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte oberste Priorität. Daneben muß die Ersparnisbildung bei den Bürgern und der Wirtschaft gefördert werden. Diese Schlußfolgerung zieht auch die G-10-Studie „Sparen und Investieren", die wir im Kreis der Minister verabschiedet haben.
Auch hier hat Deutschland seine Hausaufgaben mutig angepackt. Unter den G-7-Ländern weisen wir das niedrigste strukturelle Defizit aus. Traditionell haben wir eine im internationalen Vergleich hohe Sparquote. Im Zeichen der Einheit haben wir von Beginn an auf Konsolidierung, Einsparungen und Umschichtungen gesetzt. Schließlich haben wir mit der symmetrischen Finanzpolitik bis zum Jahr 2000 eine ehrgeizige, aber glaubwürdige Strategie vorgelegt, die auch das volkswirtschaftliche Sparen noch weiter voranbringt.
Zentrale Themen in den Gesprächen der G 7, der G 10 und des Interimsausschusses waren die Krisenvermeidung und das Krisenmanagement in der Währungspolitik. Zur Krisenvermeidung wurde ein neues Dateninformationssystem des IWF beschlossen. Ziel ist es, die Übermittlungsgeschwindigkeit, die Genauigkeit und die Transparenz bei den relevanten Daten zu erhöhen. Natürlich kann es trotzdem auch weiterhin zu Währungskrisen kommen. Hier haben wir über ein Krisenfinanzierungsinstrument gesprochen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein neues Finanzierungsinstrument, nicht um eine neue Fazilität, sondern um ein Verfahren zur beschleunigten IWF-Krisenhilfe. Grundsätzlich besteht darüber Einvernehmen; die technischen Details müssen noch geklärt werden.
Die Notwendigkeit einer angemessenen Finanzausstattung des IWF steht für uns außer Frage. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dies bis 1998 über eine Quotenaufstockung zu gewährleisten. Über das Volumen oder die Verteilung läßt sich aber heute leider noch nichts sagen. Sollten die Mittel des Fonds in einem Notfall einmal knapp werden, bleibt dem Fonds die Möglichkeit, die bestehenden Kreditlinien
der „Allgemeinen Kreditvereinbarungen" in Anspruch zu nehmen. Hier haben wir uns auf eine Verdoppelung auf 34 Milliarden Sonderziehungsrechte unter Einbeziehung weiterer Länder verständigt.
Mit diesen Ergebnissen hat das Treffen von Währungsfonds und Weltbank einmal mehr seine wichtige Koordinierungsaufgabe erfüllt. Die Märkte haben klare Signale der währungspolitischen Kooperation erhalten, und mit den Ratschlägen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik können wir uns voll und ganz identifizieren.
Meine Damen und Herren, ich bin gerade noch rechtzeitig von der Herbsttagung zurückgekehrt, um einige Dinge zur aktuellen Haushaltslage des Bundes und zu den finanzpolitischen Perspektiven richtigstellen zu können.
- Wissen Sie, lieber Herr Diller, Sie haben gestern gemeint, die große Nummer abziehen zu können. Sie haben im Vorfeld geglaubt, unterstellen zu können, man habe mich vor den Ausschuß zitieren müssen.
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin nach einigen anstrengenden Tagen und zwei Stunden Schlaf im Kabinett und in einer Reihe von Veranstaltungen gewesen und selbstverständlich mit größtem Vergnügen zu Ihnen in den Haushaltsausschuß gekommen.
Ihre Hoffnung, daraus ein Theater mit Zitierung und Vorführung und ähnlichem mehr entfachen zu können, hat sich wieder einmal als eine typische SPD-Seifenblase entpuppt.
Herr Diller, Sie hätten überhaupt keinen Anlaß, etwas zu sagen, wenn ich bis zum 18. Oktober abwarten und erst danach zu der Steuerschätzung Stellung nehmen würde.
Wir haben uns korrekt an das gehalten, was uns die Steuerschätzung im Mai dieses Jahres vorgegeben hat. Der Bund wie jedes Land ist daran gehalten, die Zahlen zeitnah einzusetzen. Es hätte gar keinen Anlaß der Kritik Ihrerseits gegeben. Sie werden diese Zeit auch noch abwarten müssen. Danach wird von dieser Koalition in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses das Notwendige vorgeschlagen und verabschiedet werden.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Es paßt Ihnen nur nicht, daß wir auf Grund der bisherigen Erfahrung bis zum August selber in die Öffentlichkeit gegangen sind
und uns schon jetzt vorgenommen haben, an eine entsprechende Antwort auf Steuermindereinnahmen, die wahrscheinlich entstehen werden, zu denken. Dieses Mehr an Transparenz auch noch zu kritisieren, verstehe ich nicht. Sie haben nur Pech gehabt. Sie haben gemeint, das würde eine Riesenpropaganda für Sie werden. Sie haben sich getäuscht. Es wurde etwas erschlagen vom Rücktritt von Verheugen. Insofern haben Sie natürlich Pech gehabt mit der Verbreitung von Negativdarstellungen.
Sie haben, lieber Herr Diller, in den letzten Jahren nichts dagegen gehabt, wenn die Zahlen der Steuerschätzung positiv abwichen. Sie haben überhaupt keine Stellung dazu genommen, wenn wir jedes Jahr etwa 19 bis 20 Milliarden DM weniger Schulden gemacht haben.
Daß Sie jetzt eine Debatte haben wollen, wenn die neueste Steuerschätzung mit Mindereinnahmen rechnet, kann ich natürlich verstehen. Nur werden Sie daraus keine Aktion gegen die Regierung starten können. Ich gehe davon aus, daß Sie sich genauso wie die Koalition an einem noch strengeren Konsolidierungskurs beteiligen werden, um die Ziele zu erreichen, die wir uns für 1995 und 1996 bei der Eingrenzung der Kredite vorgenommen haben.
Bisher habe ich von Ihnen allerdings nur gehört, daß Sie sich den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen, die wir vorschlagen und die im nächsten Jahr durchgeführt werden sollen, verschließen. Wer sich aber der Konsolidierung verschließt und dann die Defizite beklagt, der handelt natürlich schon ein bißchen heuchlerisch und pharisäerisch. Den Vorwurf müssen Sie sich prophylaktisch im Hinblick auf Ihre nächste Rede jetzt schon gefallen lassen.
Meine Damen und Herren, Sie werden aber durch diese Debatte das, was OECD, IWF, Europäische Kommission und andere festgestellt haben, nicht aus der Welt hinausreden können. Selten hat Deutschland in der objektiven Einschätzung der großen internationalen Organisationen und ihrer Stäbe sowie in der Bewertung durch unsere Freunde und Partner in aller Welt so gut abgeschnitten wie in diesem Herbst.
Trotz der im internationalen Maßstab einmaligen finanziellen Herausforderungen durch die Wiedervereinigung steht Deutschland bei der Stabilität und der Solidität der öffentlichen Finanzen an der Spitze der entwickelten Industrienationen.
Bereits seit 1994 erfüllen wir neben Luxemburg die strengen Maastricht-Kriterien für die Haushaltsdisziplin. Die Preissteigerungen sind zuletzt auf den niedrigsten Stand seit Ende der 80er Jahre gesunken und betragen nur noch 1,7 Prozent. Die Zinsen für Investitionen liegen in Deutschland europaweit am niedrigsten. Niemand hätte vor fünf Jahren für möglich gehalten, daß wir im Jahre 1995 trotz aller Probleme, die vor uns stehen, so gut dastehen würden.
Meine Damen und Herren, nach den aktuellen Einschätzungen müssen die Erwartungen für das nominale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für 1995 und für 1996 jeweils um rund einen Dreiviertelpunkt nach unten korrigiert werden. Das ist zum Teil die Folge der deutlich verbesserten Preisstabilität und zum anderen auch Resultat einer vorübergehenden realen Wachstumsverlangsamung, die allerdings nach Aussagen nahezu aller Experten wohl schon 1996 wieder von stärkerer Dynamik abgelöst wird.
Was das konkret für die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden bedeutet, wird die Steuerschätzung am nächsten Mittwoch zeigen. Ich halte es jedoch für notwendig und fair, auf der Grundlage der aktuellen Einnahmenentwicklung die Öffentlichkeit frühzeitig darauf hinzuweisen, daß der Bund in diesem und im nächsten Jahr jeweils rund 10 Milliarden DM bei den Steuereinnahmen einbüßen wird. Für Länder und Gemeinden werden sich die Verluste in ähnlicher Größenordnung bewegen.
Über Schätzabweichungen kann man hin und her diskutieren, aber ein mit großem Tamtam angekündigtes politisches Tribunal können Sie daraus nicht machen; denn auch Ihnen müßte bekannt sein, daß sowohl an der gesamtwirtschaftlichen Vorausschau als auch an der Steuerschätzung der gesamte ökonomische Sachverstand in unserem Land beteiligt ist. Forschungsinstitute, Sachverständigenrat, Bundesbank, Länder und Gemeinden, alle tun ihr Bestes, um die Zukunft so genau wie möglich vorauszusagen. Dabei kann der Punkt nicht genau getroffen werden, vor allen Dingen nicht bei einem solchen zeitlichen Abstand. Wenn man natürlich wie Sie Haushalte fast nie rechtzeitig verabschiedet, sondern fast immer ins nächste Jahr hineinkommt, dann wird der normale Haushalt jedesmal zum Nachtragshaushalt.
Insofern kann man sich dann auf aktuellere Steuerschätzungen verlassen, als wenn man - wie wir - die ganzen letzten 12 bis 13 Jahre, mit Ausnahme eines Jahres, den Haushalt jeweils rechtzeitig im Jahr zuvor verabschiedet.
Die Gründe für die geringeren Einnahmeerwartungen liegen zum einen in der abgeschwächten Wachstumsentwicklung und zum anderen in steuerlichen Sonderfaktoren, die zum Teil sogar positiv zu bewerten sind. Vieles spricht dafür, daß vor allem eine Inanspruchnahme der steuerlichen Fördermaßnahmen für den Aufbau Ost, die höher war als erwartet - insbesondere Investitionszulagen und Sonderabschrei-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
bungen -, zu den Mindereinnahmen erheblich beigetragen hat. Das ist ein Zeichen dafür, daß diese Maßnahmen wirken und der Aufholprozeß in den jungen Bundesländern kräftig vorankommt.
Ein großer Teil der Einnahmeverluste beruht auch auf hohen Erstattungen bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch die Veranlagung des Rezessionsjahres 1993. Diese Erstattungen haben mit Steuerhinterziehung oder einer Begünstigung der Besteuerung von Selbständigen nichts zu tun. Es geht schlicht darum, daß zuviel gezahlte Steuer rechtmäßig zurücküberwiesen wird. In aller Regel werden diese Beträge in den Betrieben für neue Investitionen und neue Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
Wenn sich aber der Kollege Diller dazu versteigt zu behaupten, die Löcher seien durch Steuerhinterziehung und Übersubventionierung cleverer Hochverdiener gerissen worden, frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum wenden Sie sich dann nicht an die SPD-Finanzminister? Sie haben doch die Mehrheit im Bundesrat. Warum kommt denn nicht von dort mehr Aktivität, um das eventuell zu verhindern? Sie können doch uns damit nicht treffen. Die Steuerverwaltung liegt bei den Ländern. Deshalb kommt dieser Vorwurf wie ein Bumerang an Sie zurück. Sie wissen ganz genau, daß Ihnen der sachkundige Kollege Schleußer schon x-mal erklärt hat, daß Ihre Luftbuchungen nicht stimmen.
Steuerausfälle in Höhe von jeweils 10 Milliarden DM in den beiden Jahren 1995 und 1996 bedeuten natürlich eine erhebliche Veränderung der bisherigen Planungsgrundlagen. Dennoch unser Konsolidierungskurs und unsere Konsolidierungsziele werden davon nicht grundsätzlich berührt. Nach heutiger Einschätzung wird es trotz der erheblichen Einnahmeverminderungen im Bundeshaushalt 1995 keine wesentliche Überschreitung der geplanten Neuverschuldung von rund 50 Milliarden DM geben. Den Mindereinnahmen stehen Entlastungen auf der Ausgabenseite und Verwaltungsmehreinnahmen gegenüber, die unter sonst gleichen Bedingungen zu einer erheblichen Defizitminderung geführt hätten.
An wesentlichen Entlastungen sind zu nennen: geringere Zinsausgaben auf Grund der stabilitätsbedingten geringeren Kapitalmarktzinsen, geringerer Mittelabfluß im Bereich der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt, geringerer Zuschußbedarf für die Bundesanstalt für Arbeit und deutliche Verwaltungsmehreinnahmen in den Bereichen Gewährleistungen und Liegenschaften.
Der Bundeshaushalt 1996 ist von den parlamentarischen Gremien noch nicht beschlossen. Ich kann und will dem Haushaltsausschuß nicht vorgreifen, der erst bei der Bereinigungssitzung am 26. Oktober seine Beschlüsse über die Haushaltsstruktur und die Haushaltseckwerte treffen wird. Eines aber ist schon heute klar: Wir wollen alle Mittel und Wege nutzen, um die erwarteten Steuerausfälle aufzufangen und die Kreditaufnahme so niedrig wie möglich zu halten. Deshalb müssen wir an der vollständigen Umsetzung der beschlossenen Entlastungsmaßnahmen im Bereich der Arbeitslosenhilfe festhalten und die BAföG-Strukturreform wie vereinbart verabschieden.
Absehbare Minderausgaben im kommenden Haushaltsjahr, z. B. im Bereich der Zinsen und des Erblastentilgungsfonds, müssen vollständig zur Begrenzung der Nettokreditaufnahme verwandt werden. Schließlich wollen wir auch alle zur Verfügung stehenden Privatisierungspotentiale konsequent ausnutzen.
Die im Vertrag von Maastricht niedergelegten Grenzen für die öffentliche Verschuldung und die jährliche Kreditaufnahme binden übrigens Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Jede politische Verantwortungsebene hat deshalb ihren Beitrag zu leisten, damit Deutschland auch in den kommenden Jahren Spitzenreiter bei der Konsolidierung und der Stabilität bleibt.
Trotz der jüngsten Prognosekorrekturen können wir mit Mut und Zuversicht in die Zukunft sehen. Die private Nachfrage wird als wichtigste Konjunktur- und Wachstumsstütze kräftig anziehen.
Zur Stärkung des Wachstums müssen wir auch noch steuerpolitische Bremsklötze beseitigen. Deshalb erwarte ich nach den Signalen aus der SPD-Bundestagsfraktion und aus den SPD-regierten Ländern, daß es gelingt, jetzt die Unternehmensteuerreform zu verabschieden.
Dabei werden wir uns auch über die Ergänzung des Steuersystems nach Umweltgesichtspunkten unterhalten.
- Ihr Konzept, Herr Fischer, mit einem Benzinpreis in Höhe von 5 DM ist ein Konzept der Ungerechtigkeit, weil sich dann nur noch Reiche das Autofahren leisten können. Das wollen wir nicht.
- Sie sind doch der größte Arbeitsplatzverhinderer der Bundesrepublik Deutschland, Herr Fischer.
Unser Konzept soll in den drei Lebensbereichen Verkehr, Wohnen und Arbeiten ansetzen. Wichtig ist: Unter dem Strich sollen die Bürger und Unternehmen nicht mehr belastet werden.
Daher wollen wir alle Maßnahmen in dem Bereich gegenfinanzieren, in dem sie wirksam sind.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Die Förderung von Telearbeitsplätzen wollen wir zusammen mit der Unternehmensteuerreform realisieren. Zusätzlich prüfen wir, wie an Hand eines präzisen Katalogs umweltorientierte Investitionen direkt gefördert werden können. Bei der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums wollen wir energiesparende Investitionen fördern. Dazu prüfen wir auch die Präferierung von Niedrigenergiehäusern.
Im Bereich des Verkehrs haben wir bereits Ansätze einer schadstofforientierten Kfz-Steuer und eine Spreizung der Mineralölsteuer nach Umweltgesichtspunkten. Jetzt soll die Kfz-Steuer emissionsorientiert umgestellt werden; hier sollen dann auch Motorräder einbezogen werden. Die Verbreitung umweltfreundlicher Benzinsorten werden wir steuerlich weiter flankieren.
Wenn wir in der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt stellen, werden wir das Vertrauen im In- und Ausland bewahren und die erreichten Fortschritte im wiedervereinigten Deutschland kräftigen und ausbauen.
Ich danke Ihnen.