Rede von
Dr.
Günther
Maleuda
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundesfinanzminister Dr. Waigel hat vorgestern an dieser Stelle eine sehr zutreffende Wertung vorgenommen,
indem er feststellte, die Landwirtschaft befinde sich in einer schwierigen Situation. Am gleichen Tage sprach das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes von der „völlig unbefriedigenden wirtschaftlichen Situation" der deutschen Bauern. Der Verlauf der bisherigen Debatte bestätigte zwingend die Notwendigkeit, daß wir in der weiteren Diskussion um den Agraretat vor allem die Ursachen für diese Situation aus finanzpolitischer Sicht bewerten. Auch wird zu beantworten sein, wie mit dem Haushaltsplan 1996 diese Probleme differenziert gelöst werden sollen.
Die wesentlichen Änderungen im Einzelplan 10, sprich Kürzungen um 474 Millionen DM, resultieren aus dem Wegfall des Einkommensausgleichs von 470 Millionen DM, der, wie das Bundesministerium der Finanzen begründet, „ 1995 ausgelaufen" ist. Man muß sich überhaupt wundern, über welche Begründungstalente das Ministerium verfügt. Im Einzelplan 10 erfolgen keine Streichungen, sondern „die Ausgaben 1996 werden um 465 Millionen DM gegenüber 1995 zurückgeführt". Und statt „Streichungen bei der Gemeinschaftsaufgabe ,Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes' in Höhe von 106 Millionen DM" klingt doch viel besser, wenn man sagt, der „vorgesehene Bundesanteil wird auf 2 614 Millionen DM begrenzt".
Bezüglich der übrigen Positionen des Agrarhaushaltes scheinen die Zeit und die Kraft nicht gereicht zu haben, sie gründlich zu überdenken. Dabei wäre es doch dringend notwendig gewesen, aus den agrarpolitischen Ereignissen der zurückliegenden
Dr. Günther Maleuda
fünf Monate seit der Beschlußfassung zum Agrarplan 1995 Konsequenzen zu ziehen. Ich erlaube mir, auf einige der Konsequenzen und Erwartungen - aus Zeitgründen zusammengefaßt - hinzuweisen.
Erstens. Die Währungsturbulenzen in der EU haben den Landwirten bekanntlich Verluste von mehreren 100 Millionen DM gebracht. Noch immer ist aber unklar, in welcher Höhe und auf welche Weise sie dafür entschädigt werden sollen.
Zweitens. Die ab dem 1. Juli wirksamen GATTVerträge werden den Druck auf die Preise verstärken und die Existenzsorgen der Bauern weiter erhöhen. Im Haushaltsentwurf ist darauf keine Antwort zu finden.
Drittens. Die Probleme auf dem Milchmarkt sind nicht gelöst, und trotz steigender Weltmarktpreise bei Getreide steht der Getreidepreis in der Bundesrepublik unter großem Druck.
Viertens. Die rückläufige Eigenversorgung bei Fleisch und die katastrophale Lage beim Tierbesatz besonders in Ostdeutschland erschweren den Bauern die Erwirtschaftung eines angemessenen Einkommens.
Fünftens. Die Agrarstrukturen in Ostdeutschland werden mit dem Beginn der Privatisierung des Bodenreformlandes durch die BWG destabilisiert statt gefestigt.
- Aber damit ist zu rechnen. - Die ungelöste Altschuldenfrage und der Zwang zum Verkauf des nicht betriebsnotwendigen Vermögens schweben wie ein Damoklesschwert über Unternehmen.
Schließlich ist nicht zu übersehen, daß der diesjährige Witterungsverlauf der Landwirtschaft bei einer Reihe von Produkten, so z. B. bei Kartoffeln, erhebliche Ertragsausfälle brachte, die landwirtschaftliche Unternehmen stark belasten.
Mit einer Politik „Weiter so", „Der Markt wird es schon richten" und mit dem von der Regierung verordneten Sparkurs lassen sich die vielfältigen anstehenden Probleme der Landwirtschaft, auf die Bauernverbände bereits hingewiesen haben, nicht im Interesse der Bauern lösen.
Abschließend möchte ich den Gedanken unterstreichen, der bereits zu den Fragen der Forschung geäußert wurde. Es geht ja offensichtlich um etwa 1 300 Personalstellen und um die Tatsache, daß Forschungseinrichtungen geschlossen werden sollen. Insofern halten wir die Einsprüche und Forderungen aus Forschungseinrichtungen wie Westerau, Pillnitz und Merbitz für sehr berechtigt.
In den weiteren Haushaltsberatungen erwarten wir besonders auch im Agrarausschuß von der Bundesregierung eine angemessene haushaltspolitische Antwort auf die aktuellen und zukünftigen Probleme der Landwirtschaft. Wir werden dazu unsere Vorschläge mit einbringen.
Ich danke Ihnen.