Rede von
Ulrike
Höfken-Deipenbrock
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war eine sehr widersprüchliche Rede, Herr Susset. Sie haben am Anfang ganz zu Recht auf das Landwirtschaftsgesetz verwiesen. Wir haben ein Jubiläum zu feiern. Dieses Gesetz verpflichtet die Bundesregierung zu etwas. Man muß feststellen, daß die Bundesregierung seit 40 Jahren gesetzwidrig handelt, indem sie das nicht tut, was das Gesetz eigentlich vorschreibt, nämlich die Einkommen in der Landwirtschaft ausreichend, angemessen zu sichern. Daß das nicht der Fall ist, darüber besteht wohl Einigkeit.
Wie kaum in einem anderer Bereich dokumentiert die Situation der Landwirtschaft, auf welch wackligen Füßen die Wirtschaft unseres Landes steht. Ursache ist eine rückwärtsorientierte Politik der Bundesregierung. Der Zusammenbruch in der Landwirtschaft läßt sich kaum mehr verkleistern.
Die weiterhin staatlich dirigierten Niedrigpreise für Lebensmittel sichern die niedrige Inflationsrate, die sich unser jetzt gegangener Herr Minister Waigel auf die Fahnen schreibt, und zwar ganz zu Unrecht. Er kann sie nur auf Kosten der Landwirtschaft, der Umwelt und der Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen. Es ist eine für uns teuer erkaufte niedrige Inflationsrate. Wenn man sie so rühmt, sollte man hinzufügen, was man dafür geopfert hat.
Die staatliche Subventions- oder Ausgleichspolitik ist ein Hohn. Allenfalls Pohlmann-Eier können unter solchen Bedingungen erzeugt werden, aber bäuerliche und umweltgerechte Landwirtschaft in Ost und West haben unter diesen Bedingungen keine Perspektive.
In Rheinland-Pfalz geben jeden Tag vier Betriebe auf, und 16prozentige Verluste für die Getreidebauern sind zu verzeichnen. Das liegt nicht nur an unserem Landwirtschaftsminister Brüderle oder an der
SPD-Landesregierung - Herr Sielaff läuft schnell weg -,
sondern selbstverständlich auch an den Rahmenbedingungen, die von Bundesregierung und EU gesetzt werden.
Herr Kohl hat in seiner Rede gesagt, gejammert habe man jahrelang, und die Bundesregierung habe es gerichtet. Wir warten einmal darauf, was sie denn hier tun will. Viel Zeit hat sie nicht mehr. Keine alten Ladenhüter, hat er gesagt, keine Tabus. Genau hier wäre ein Ansatzpunkt in der Agrarpolitik, um mit den alten Tabus endlich einmal aufzuräumen, d. h. weg mit den Subventionen und hin zu kostendeckenden Preisen für eine Landwirtschaft, die sich dann auch wirklich wieder lohnt.
In der Agrarpolitik demonstriert die Bundesregierung genau das Gegenteil von dem, was Kanzler Kohl als Zielsetzung verkündet hat, gerade auch was den Leistungswillen, der doch belohnt werden soll, betrifft: 70-Stunden-Woche, und damit erreicht man gerade 60 % des gewerblichen Vergleichslohns. Geld verdient man als Vater von Steffi Graf und nicht mit der Produktion von Käse, sondern mit den „Käseschachteln".
Die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft soll nach bewährter Art der Bundesregierung jetzt offensichtlich auch noch durch eine Art Arbeitslagerfunktion und Sozialhilfeempfänger-Aufsichtsanstalt gestärkt werden. Arbeitslose als Erntehelfer. Kanzler Kohl im Weinberg 1998 ist wahrscheinlich die Vision, die er dabei hat, denn arbeitswillig ist er bestimmt.
Aber Sie können sich selber ausdenken, was das für den Betrieb bedeuten würde. Vermutlich würde er an den „Marktwert" eines polnischen Erntehelfers nicht herankommen, aber wahrscheinlich erreichen, daß das Betriebsergebnis entsprechend gesenkt würde.
Wir fordern die Bundesregierung auf, diesen zynischen Vorschlag zurückzunehmen. Die Arbeitgeber wollen ihn nicht, die Arbeitnehmer wollen ihn nicht, auch die Arbeitslosen wollen ihn nicht. Die Landwirtschaft muß in die Lage versetzt werden, die Arbeit wieder zu bezahlen und Arbeitnehmer aufzunehmen, die dann tatsächlich im ersten Arbeitsmarkt bleiben können, einen gerechten und vernünftigen Lohn erhalten und nicht in irgendeiner Hinsicht ausgebeutet werden, sei es als Asylbewerber, sei es als polnischer Erntehelfer, als Arbeitslosenhilfeempfänger oder als regulärer Mitarbeiter.
Ulrike Höfken
Hebel dafür ist die Förderung des Aufbaus regionaler Vermarktung und Verarbeitung. Statt einer Ausrichtung an einem globalen Wettbewerb um die Hamburger-Produktion ist es notwendig, in diesem Bereich sehr viel stärker tätig zu werden.
Problematisch - Herr Sielaff hat es erwähnt - ist einmal wieder die Kürzung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe. An dieser Stelle ist einmal zu kritisieren: Die Gemeinschaftsaufgabe ist eine Black box. Weder die Bundesparlamentarier noch die Landesparlamentarier haben auf die Gestaltung einen tatsächlichen Einfluß, und unter der Ausrichtung versteht jeder, was er will. Das ist eigentlich eine Zumutung in diesem Haushaltsplan.
Ein struktureller Mißgriff ist nicht nur die Kürzung der GA, sondern auch die Förderung von nachwachsenden Rohstoffen. Es genügt nicht, Nahrungsmittel einfach umzudefinieren, sondern es gehört ein Konzept dazu. Statt dessen wird immer weiter und immer länger die Subvention von Biodiesel gefördert. Ein neuer Subventionstopf wird geschaffen. Statt nur auf Rapsmethylester und Biomasse zu setzen, wäre es viel nötiger gewesen, den Dämmstoffbereich stärker in die Förderung einzubeziehen. Hier gibt es neue Chancen für den Arbeitsmarkt in den Regionen, und zwar im Baugewerbe und für die Landwirtschaft.
Wir möchten im Rahmen des Haushaltsplanes darauf abzielen, die Gasölbeihilfe nicht weiter in dieser Form zu verwenden, sondern für die Förderung umweltgerechten Einsatzes von Schmierstoffen und Treibstoffen auf der Basis pflanzlicher Öle zur Verwendung in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Schiffahrt zu verwenden. Da würde man einen strukturellen Effekt erzielen und der Umwelt und der Landwirtschaft dienen. So soll das in Zukunft ja auch sein.
Auch bei der Neuordnung der Bundesanstalten gibt es kein Konzept. Ich schließe mich hierbei der SPD an.
Ganz zum Schluß will ich sagen: Die Düngemittelverordnung, die Sie vorgelegt haben, ist genau das, was wir nicht haben wollen. Sie ist ein Affront gegen die Umweltpolitik und führt zu einer unglaublichen Bürokratisierung. Auf diese Art und Weise wird eine umweltschädigende Politik weiter festgeschrieben.
Vielen Dank.