Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aus der vorherigen Debatte nur kurz etwas aufnehmen. Unser Konzept zur Weiterentwicklung der GKV liegt vor. Es enthält entgegen Ihren Aussagen ein globales Budget und hat in seinem Ansatz mit den sektoralen Entscheidungen nichts mehr zu tun, die natürlich dazu beigetragen haben - gerade im Krankenhaussektor -, dieses Budget auch auszuschöpfen.
- Wir wollen es nur so kurzfristig verlängern, daß Sie genügend Zeit haben, das globale Budget gesetzlich abgesichert einzuführen, Herr Minister, und keinen Tag länger. Wenn Sie es schneller können, verzichten wir sofort und absolut auf diese Übergangszeit.
Unser Konzept liegt vor. Sie sind trotz vieler Gipfeltreffen noch dabei, eines zu erarbeiten.
- Sie arbeiten daran? Das ist schön für Sie. Ich hoffe, Sie sind so erfolgreich wie wir. - Ich gehe davon aus, daß wir noch genügend Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren.
Ich möchte aber einen Punkt von Herrn Kollegen Möllemann aufgreifen. Es ist immer sehr attraktiv, über Transparenz zu sprechen. Jeder möchte Transparenz, und keiner kann sich diesem Gedanken verschließen, wofür es ja auch keine guten Gründe gibt. Nur, Sie benutzen Transparenz als Begriff, um das, was Sie wirklich wollen, zu verschleiern.
Sie benutzen den Begriff nämlich dafür, um zu sagen, Sie wollten die Kostenerstattung im Gesundheitswesen einführen, und das heißt im Klartext: Zugang zum Arzt nur über das Portemonnaie in bar. Das sind Dinge, die mit uns nicht gehen werden.
- Das ist ganz einfach das, was Sie beschrieben haben.
Es ist nichts dagegen zu sagen, daß jemand eine Rechnung bekommt, aber es ist ein Problem, zu sagen: Du hast jetzt die Rechnung zu bezahlen, und hinterher bekommst du irgendwann das Geld zurück. - Ich denke, das ist eine Sache, die ganz einfach nicht geht.
Jetzt möchte ich aber, da wir noch Gelegenheit haben werden, über die GKV und auch das BSHG zu diskutieren, was mir sehr notwendig zu sein scheint, zum Haushalt zurückkommen. Beim Haushalt stellt sich das gleiche Problem wie in den anderen Bereichen.
Ich sehe eigentlich keine große Entwicklungsperspektive in diesem Haushalt, ich sehe keine besonderen Zielvorstellungen, ich sehe eigentlich nur eines: Uneinsichtigkeit in die Notwendigkeit, daß bestimmte wichtige Bereiche mit Nachdruck gefördert werden müßten. Das letzte will ich begründen.
Wir erleben jetzt zun x-tenmal im Haushalt für Aidsprävention eine Streichung. Das ist schon eine richtige Fortsetzungsgeschichte, aber leider ist sie nicht so amüsant wie manche unserer Seifenopern im Fernsehen und schon gar nicht amüsant und erheiternd für diejenigen, die davon betroffen sind.
Gudrun Schaich-Walch
Sie alle wissen doch ganz genau: Die Aidserkrankung ist noch nicht heilbar, ein Impfschutz nicht in Sicht, die Krankheit führt in den meisten Fällen relativ schnell zum Tod, und Präventionsmaßnahmen, Aufklärungsmaßnahmen sind die zur Zeit einzig wirklich wirksame Waffe, die wir haben.
Wir haben in keinem anderen Präventionsbereich bisher solche großen Erfolge bei der Verhaltensänderung erzielen können wie im Aidsbereich. Statt dort zu kürzen, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, wie man Forschungsansätze zur Förderung dessen einrichten könnte, um das, was man dort an Erfolgen in der Prävention, sprich: in der Verhaltensänderung erreicht hat, auch in anderen Bereichen der Prävention zu erreichen.
- Sie haben in dem Haushaltsansatz eine Kürzung von 2 Millionen DM. Ich weiß sehr wohl, daß die Kolleginnen und Kollegen auch Ihrer Fraktion eine Festschreibung des Betrages von 20 Millionen DM bis in das Jahr 1998 wollten, aber im Haushalt ist es leider nicht ausgewiesen. Ich freue mich ja riesig, wenn Sie jetzt sagen, es sei kein Problem, wir hätten es vom Tisch. Das ist, denke ich, eine ganz hervorragende Sache.
Ein weiteres Beispiel dafür, daß man auch mit kleinen Beträgen große Wirkungen erzielen kann, ist die Rückkehrhilfe für drogenabhängige deutsche Staatsbürger Amok in Amsterdam. Die 250 000 DM für diese Einrichtung sind gestrichen. Sie argumentieren damit, daß es hier um eine Aufgabe der Länder geht. Das wäre dann eine weitere Aufgabe, die den Ländern aufgebürdet wird. Sie argumentieren damit, daß es sich ja doch letztlich um Bürger einzelner Bundesländer handelt. Ich sehe bei uns niemanden mit einem hessischen oder einem bayerischen Paß.
Ich sehe uns alle mit einem bundesdeutschen Paß, und wir bleiben damit schlicht und einfach Bundesdeutsche. Ich denke, wir sollten folglich auch die Verantwortung tragen und die Bundesdeutschen, denen wir beim Zurückkommen in die Bundesrepublik helfen können, unterstützen,
nicht nur unter dem Gesichtspunkt, daß das eine humanitäre Maßnahme ist, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, daß es eine Entlastung in der Zusammenarbeit verschiedener europäischer Länder, nämlich hier zwischen Deutschland und den Niederlanden, ist.
Jetzt möchte ich zu einem weiteren Bereich der Prävention kommen, bei dem ich gedacht habe, daß sich etwas mehr bewegen könnte.
Wir haben schon im Gesundheits-Reformgesetz die Gesundheitsförderung zur Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherungen gemacht. Das war eine richtige und wichtige Entscheidung, ein Ansatz, der möglicherweise den Trend zum medizinischen Reparaturbetrieb etwas umkehren könnte und gleichzeitig zu Kostenersparnissen für die Solidargemeinschaft beitragen kann.
Allerdings hat sich, wie ich meine, mittlerweile gezeigt, daß die Krankenkassen diese Aufgabe nur unzureichend wahrnehmen, und es ist zu befürchten, daß der Kassenwettbewerb die Qualität der gesundheitsfördernden Maßnahmen eher verschlechtert oder auch zum Teil unsinnige Dinge gefördert werden.
Kolleginnen und Kollegen, ich denke, das ist kein Grund, jetzt mit der Kassenschelte zu beginnen. Vielmehr sollte das ein Grund für uns sein, Zielvorgaben im Wettbewerb zu machen und im Gesetz klar zu definieren, wie die Gesundheitsförderung aussehen sollte.
Für uns ist Gesundheitsförderung eine klassische Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wir würden es gerne sehen, daß man die Kooperation zwischen Krankenkassen und öffentlichem Gesundheitsdienst im Gesetz festschreibt.
Aber neben den gesetzlichen Regelungen, wie Gesundheitsförderung aussehen könnte, braucht Gesundheitsförderung, meine ich, notwendigerweise eine Unterstützung durch einen Haushaltstitel. Es darf nicht sein, daß wir immer wieder die Selbsthilfeorganisationen dazu auffordern müssen, das, was sie an Know-how haben, einzubringen, daß wir sehr wohl zur Kenntnis nehmen, daß sie häufig kostengünstiger arbeiten als andere Organisationen, daß wir gleichzeitig aber nicht in der Lage sind, einen entsprechenden Titel zur Absicherung der Arbeit dieser Selbsthilfegruppen zu finden.
Wir sollten uns allerdings auch angucken, was im Umfeld des Haushalts der Gesundheitspolitik steht. Neben den klaren politischen Zielsetzungen zur Prävention, meine ich, müssen wir auch darauf achten, was wir in anderen Gesetzen tun.
Da ist in der letzten Zeit etwas ganz Verblüffendes und, wie ich meine, sehr Schädigendes passiert: Es wurde hier ein Gesetz geändert - allerdings nicht mit den Stimmen der SPD -, das die Werbung für Heilmittel regelt. Nach der Änderung dieses Gesetzes ist es möglich, daß in Jugendzeitschriften für Arzneimittel geworben werden kann.
Wenn ich mir anschaue, welche Anstrengungen wir im Drogenbereich unternehmen, dann, glaube ich, ist es absolut kontraproduktiv, daß jetzt in Zeitschriften wie „Young Miss" oder „Bravo-Girl" für Schmerzmittel geworben werden kann. Dadurch
Gudrun Schaich-Walch
wird ganz speziell ein Leserkreis oberhalb von 15 Jahren angesprochen. Andererseits denken wir ernsthaft darüber nach, wie wir im Suchtbereich Prävention leisten können.
Ich bin der Überzeugung, es kann nicht angehen, daß wir das Wohl der Pharmaindustrie und ihre Werbemöglichkeiten vor die Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen stellen. Wir müssen das, was wir als Suchtprävention bezeichnen, sehr viel weiter im Vorfeld anlegen, als das jetzt der Fall ist. Ich hoffe, daß es uns gemeinsam gelingt, einen derartigen Fehler im Umfeld der Gesundheitspolitik zu korrigieren.